Thema Persönlich

Er ist ein Freund der ersten Sekunde: Wolfgang Joop. So kreative Geister, so Multitalente wie er, der im Trio mit Jil Sander und Karl Lagerfeld die Mode von Deutschen auf die Weltbühne brachte, sind unser Ansporn. Und so feiern wir mit ICON 15, was uns immer wieder inspiriert: Ikonen & Visionen.

Grußkarte von Wolfgang Joop zum 15-jährigen Jubiläum von ICON

Robert Lebeck, 1968, Westerland.  In der Online-Auktion der Berliner Villa Grisebach zum Thema „Die Krawatte in der Photographie“ findet.

Love is in the air

Darf der das? Nicht die Krawatte. Sondern da hingucken, wo er hinguckt? – Ist es nicht verwirrend wie das Stoffmuster, dass einem eine solche Frage in den Sinn kommt? Statt Pril-Blumen zum Beispiel. Was ist da passiert mit uns, seit Robert Lebeck diese wunderbare Aufnahme in Westerland machte? (Die sich in guter Gesellschaft mit Werken von Warhol bis William Klein in der Online-Auktion der Berliner Villa Grisebach zum Thema „Die Krawatte in der Photographie“ findet). 1968 hat Lebeck die Szene fotografiert. Damals, als braun werden ein Ausdruck von Wohlstand und Orange die Megafarbe war, als die Deutschen das Wirtschaftswunder entdeckten und auch die Rebellion. Als entscheidende Weichen gestellt wurden für die gesellschaftlichen Freiheiten, die heute absurderweise von eigenwilliger moralischer Hysterie wieder eingekreist werden. Wir wollten frei sein und wir wurden es.

Natürlich gibt es noch Optimierungsbedarf, aber ganz wesentliche Themen wie Emanzipation, Akzeptanz von Diversität und Sexualität, Religionsfreiheit, freie Lebensentwürfe wurden doch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts überhaupt erst möglich. Manchmal sorge ich mich. Wenn Natur nicht verstanden wird. Kunst einfach abgehängt, weil sie angeblich belästigt, statt sich darüber auszutauschen. Wenn in der Berliner Blase genderneutrale Toiletten an Grundschulen thematisiert werden, statt das eigentliche Problem zu politisieren, dass wirklich in jeder Hinsicht gute Schulen noch immer Glückssache im reichen Deutschland sind. Und vieles mehr. Aber dies ist ICON. Das Anti-Problem. Wir suchen stets nach Schönheit, Inspiration, Zuversicht. Nach denen, die was machen aus der wunderbaren Welt, die uns trotz aller Unwägbarkeiten zur Verfügung steht. Weil das Gute heilt. Kürzlich sagte ein Musikwissenschaftler im Deutschlandfunk, Kultur sei kein Kohlehydrat, sondern ein Enzym. Also lebenswichtig. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude beim Lesen! Morgen in WELT AM SONNTAG. Ihre Inga Griese

„In Deutschland gibt es einen Rassismus, der vielleicht immer da war, aber plötzlich fühlen sich Leute sicher, diesen offen auszuleben. Wir müssen so viel infrage stellen. Wir müssen unseren Umgang mit natürlichen Ressourcen komplett neu denken, wir müssen unseren Umgang mit Frauen neu denken und ihre Gleichberechtigung weiter vorantreiben. Wir müssen den Begriff Deutschsein neu definieren.“

Schauspieler Clemens Schick im ICON-Interview

Jens Schmidt c/o Kathrin Hohberg

Keep swimming

Wenn der Fisch un sin Fru auf Tour sind, kann es schon mal passieren, dass ihnen ein Matrose quer kommt. Oder so ähnlich. In jedem Fall ein echter Wolfgang Joop, Kunst, Humor, Feinsinn. Diese herrliche Illustration kam als Antwort des unermüdlichen Designers („Looks“) auf unsere Frage, was ihm spontan zu Norddeutschland einfällt. Seine Sehnsucht trifft unsere „Seesucht“.

Die Stilisten

 In WELT AM SONNTAG Norddeutschland.

„Schenken macht glücklich. Beide Seiten, aber vor allem den, der schenkt. Ich habe mir eine Patenschaft für Brenda geschenkt. Brenda ist ein Orang-Utan-Mädchen in Sumatra. Wir sind jetzt auch in Briefkontakt. Die Forschung hat schon vor langer Zeit herausgefunden: Das Glück über eine Million im Lotto hält einen Monat. Danach kommen die Probleme, es kann schnell verfliegen, wenn man Glück mit Euphorie übersetzt. Aber wie dann? Mit Zufall? Am längsten glücklich macht Studien zufolge eine gelungene Schönheitsoperation! Betonung auf gelungen.

 Wenn man darüber nachdenkt, kann man es verstehen. Es in der Hand zu haben, dem Schicksal doch ein Schnippchen zu schlagen. Etwas, das einen immer störte, ist weg. Oder etwas, das man nie hatte, ist dran. Das Glück im Leben, die Chance zu haben, etwas zu korrigieren. Ich hoffe, dass Brenda ausgewildert werden kann, weil wenigstens noch etwas Wald übrig ist. Aber es hat mich bereits nachhaltig glücklich gemacht, etwas korrigieren zu können. Ihr Schicksal war praktisch besiegelt gewesen, sie wurde mit gebrochenem Arm gefunden. Jetzt hat sie eine Zukunft.“

Wolfgang Joop für ICON

„Die junge Generation hat tatsächlich die Chance, weil sie Wissen hat, beziehungsweise Wissen haben kann, Wissen, das wir nicht hatten. Deswegen ist diese Generation die erste, die in der Lage ist, etwas zu verändern.“

Ex-Markenberater und Ozean-Aktivist Cyrill Gutsch im ICON Interview

Illustration von Florentine Joop

Ruhe oder Depression? Auszeit oder Einsamkeit? Wie geht es Ihnen, was sehen Sie hier? Die Frau an den Stufen zur Bucht malte Gerhard Richter 1985 in Venedig. Jenem Ort, der wie keiner von der Schönheit von Vergänglichkeit erzählt. Und der Vergänglichkeit von Schönheit. Was machen wir mit solchen Momenten? Bedauern, dass sie entschwinden? Danken, dass es sie gab? Sie wurzeln lassen im Seelengarten? Mich lullt das Bild friedvoll ein, ich höre, wie das Wasser ganz leise an die Steine schwappt, verweile in der Überlegung einzutauchen. Freue mich auf unbeschwerte Momente. Mensch, werden wir die genießen!

Im Vorwort zum schönen Bildband „Landschaft“ (Hatje Cantz) mit den Arbeiten von Gerhard Richter schreibt die österreichische Kunsthistorikerin Ingried Brugger: „Durchblättert man sein umfangreiches Werk seit den frühen 1960er-Jahren, so entschwindet nach und nach der Faktor Zeit, ja, es entsteht … so etwas wie ein ungewöhnliches Konzentrat von Gleichzeitigkeit.“ Ist das womöglich ein anderes Wort für Patchwork, das uns aktuell wieder in der Mode begegnet, aber auch in den Daseinsfetzen, die es zusammenzuhalten gilt? Den meisten von uns ist zudem der Faktor Zeit womöglich entglitten. Heute ist Sonntag, könnte es auch ein Lockdown-Freitag sein? Der Mai ist gekommen, aber ist er wirklich da? Unsere Wahrnehmung hat etwas von psychedelischen Mustern. Die machten auch Emilio Pucci berühmt, zum Glück in schön bunt. Und so schalten wir jetzt mal um. Ölen die Flügel. Die Bäume schlagen aus, die Träume auch. Ihre Inga Griese

„Man muss als Schauspieler immer bereit sein, sich von einem Regisseur verführen zu lassen – und ehe man sich’s versieht, fährt man eine halbe Stunde mit einer Krone auf dem Kopf nackt mit einem Fahrrad im Kreis und denkt, das sei das Tollste, was man je auf einer Bühne gemacht hat.“

Schauspieler Joachim Meyerhoff im Interview

„Sich andere zum Vorbild nehmen hieße ja, sich Lebenswege abzuschauen. Ich gehe da meinen eigenen Weg. Ich bin auch keiner, der sich nur so zum Austausch unter Männern trifft.“

 Jochen Zeitz im Interview 

LACHEN LOS!

Es wird Zeit, den Seelenfrieden mal nach vorn zu lassen. Womöglich etwas albern zu werden. Echte Männer haben sich noch nie zu ernst genommen. Lachen bringt uns nicht weiter als hadern, aber es fühlt sich besser an. So leicht absurd der Gummi-Kollege da auf dem Foto aussieht, so gute Laune macht er doch. Die Aufnahme stammt von der jüngsten Louis-Vuitton-Präsentation in Tokio, wir haben sie ausgewählt, weil man ziemlich viel Freude hineinlesen kann. Mir gefällt die Vorstellung, sich von einem großen Quatschkopf in den Arm nehmen zu lassen. Mir gefällt aber auch der weiße Anzug sehr gut, die Coolness des Models.

Die Mode verändert sich nach all den Homeoffice-Monaten, die ja auch ohne Virus eine Zukunftsoption sind, und sie hätte es womöglich ohnehin getan, weil es Zeit war, dass auch die Männer sich nicht nur in Codes kleiden. Aber klar ist auch: Die Jogginghose kann jetzt grad mal ausgemustert werden. Kann ganz nach hinten in den Schrank oder zu den Sportsachen. „Los, los!“, ruft der Frühling, der im Zweifelsfall erst im Sommer kommen wird. Gepflegt und stilsicher für sich selbst ruft Mann zurück: „Bin bereit!“ Die Vorfreude ist da, der Friseur auch wieder, niemand muss sich dafür schämen.

Unsere kleinen Enkeltöchter haben am vergangenen, wieder verregneten Wochenende viel Zeit im Badezimmer verbracht. Sommerferien heißt ihr Spiel. Badeanzüge an, Creme auf die Körper, Badekappen auf, Gummiviecher geholt, Brause bei Mama bestellt, das Wasser in der Wanne war der Pool. Wie wäre es? Whisky Sour anrühren, Badehose von Fedeli an, Popover-Shirt überziehen, die Ray Ban aufsetzen, italienische Musik anstellen, träumen. Ihre Inga Griese