„Solange er da ist, ist meine Welt in Ordnung“, schwärmt die Bestsellerautorin Meike Winnemuth über das Leben mit ihrem Foxterrier und stellt fest: Jeder, der ihrem Fiete begegnet, fühlt das Gleiche.
Mit Fiete im Foxtrott
Was man unbedingt wissen sollte, bevor man sein Leben mit einem Foxterrier teilt (ich vermeide hier bewusst Vokabeln wie „anschaffen“ und „sich zulegen“): Der gehört einem nie allein. Der wird augenblicklich von aller Welt in einem Anfall akuter Nostalgie adoptiert. Ältere bekommen bei Fietes Anblick ganz weiche Gesichter und seufzen: „Oh, ich hatte so einen als Kind. Auf Rädern.“ Jüngere sagen: „Meine Oma hatte auch einen.“ Bauarbeiter rufen quer über die Straße „Struppi!“, Passanten seufzen: „Guck, ein Steiff-Tier.“ Und alle gehen in die Knie und liebkosen ihre eigene Kindheit, vielleicht aber auch nur jene ferne Zeit, als es nur Hunderassen gab, die man kannte und aussprechen konnte – Pudeldackelschnauzerspitz – und das Leben auch sonst ziemlich übersichtlich war.
Fiete nutzt gnadenlos aus, dass die Leute bei seinem Anblick zu Butter werden, er weiß genau: Frau Mock vom Sanitätshaus gegenüber, Herr Brüggmann, der Marktmeister vom Öko-Wochenmarkt, und die nette Buchhändlerin an der Ecke halten immer Snacks für ihn bereit, er muss sich einfach nur hinsetzen und den Schwanz rotieren lassen. Ich habe längst aufgegeben, in solchen Situationen konsequent sein zu wollen (kein Futter von Fremden!), ich bringe es einfach nicht übers Herz. Welches Recht hätte ich denn auch? Schließlich ist Fiete ja nicht nur mein Hund, sondern auch der von Frau Mock, Herrn Brüggmann und dem Rest der Welt.
Dass es ein Drahthaar-Fox werden sollte, hatte ich mir seit der Lektüre von „Tim und Struppi“ als Kind in den Kopf gesetzt: Als Journalistin wollte ich einen fixen, quicken Reporterhund, einen unerschrockenen Begleiter bei meinen Abenteuern. „Völliger Irrsinn“, sagten alle, die was von Hunden verstehen: „Du bist eine blutige Anfängerin ohne die geringste Hundeerfahrung, und dann gleich so einen smarten Quadratschädel?“ – „Kriege ich hin“, erwiderte ich,
„Wir werden schon sehen, wer am Ende den größeren Dickkopf hat.“
Am Anfang sah es ganz so aus, als ob er es sein würde. Als Welpe war er größenwahnsinnig. Es gibt ein Handyvideo aus seinen Kindertagen, das mich immer noch zum Lachen bringt: Er sitzt rittlings auf einem Monster von Retriever, zehnmal so groß wie er. Nur was hilft Größe schon bei einem Sparringspartner, der zehnmal so viel Chuzpe hat? Schon als ich ihn mit sieben Wochen bei seiner Züchterin Beate Duesmann kennenlernte, fuhr er dieselbe Strategie: knüpfte frech meine Schnürsenkel auf, krabbelte das Hosenbein hoch, rollte sich auf meinem Schoß zusammen. Knock-out in der ersten Runde.
Ich wusste also, was auf mich zukam: harte Arbeit, nicht zuletzt an mir selbst. Vielleicht ist ein Terrier deshalb doch kein so schlechter Anfängerhund: Mit keinem Hund lernt man schneller Konsequenz und klare Kante, Eigenschaften, die mir zuvor nicht unbedingt gegeben waren. Tja – hat mir alles mein Hund beigebracht.
Und dazu noch ein paar andere Dinge: Natur zum Beispiel. Wie schön es im Wald ist, der mir früher immer etwas unheimlich war. Und wie weit man am Meer gehen kann. Fiete war gerade mal drei Monate alt, da war ich mit ihm zum ersten Mal an der Ostsee, an der Hohwachter Bucht. Jetzt wohne ich da den größten Teil des Jahres. Ein bisschen seinetwegen, ein bisschen meinetwegen, aber ohne ihn und mein Bedürfnis, ihn aus dem Hamburger Bahnhofsviertel mit seinen Bierflaschenscherben und Döner-Resten rauszubringen, hätte ich den Schritt nie gemacht.
Und wie lebt es sich nun mit einem Foxterrier? Ich weiß nur, wie es mit diesem Foxterrier ist: entspannt. Innig. Aber wir können uns auch gut in Ruhe lassen. Dazu mag beigetragen haben, dass wir eine Turbo-Bindung entwickelt haben. Als Fiete fünf Monate alt war, gingen wir auf Lesetour, fuhren kreuz und quer durch die Republik. Ich hatte vorher alle meine Hundeexperten gelöchert, ob das Tier möglicherweise irgendeine Störung davontragen könnte, wenn es täglich gegen einen neuen Baum pinkeln müsste. Die einhellige Meinung: Solange du da bist, ist seine Welt in Ordnung.
Was mir vorher keiner gesagt hatte: Solange er da ist, ist meine Welt in Ordnung. Nach einer anstrengenden Lesung nachts ein einsames Einzelzimmer zu beziehen hat schon viele Schreiber in den Alkoholismus getrieben, mich aber in die Knie: Erst mal auf dem Teppich eine Runde mit Fiete spielen, der auf mich gewartet hatte – das erdet in jeder Hinsicht. Ihn mit auf die Bühne zu nehmen, das hatte ich schnell gelassen. Ich weiß jetzt, warum es die alte Schauspielerregel gibt, nie mit Kindern und Hunden aufzutreten: Man hat gegen sie nicht die geringste Chance.
Als Reisebegleiter ist Fiete Weltklasse. Aber vielleicht bin ich ja auch nur seine Begleiterin. In dem entzückend gezeichneten Rassekompendium „Wuff!“ der britischen Illustratorin Fenella Smith wird der Foxterrier sinnierend über einer Landkarte abgebildet, darunter steht: „Aufgrund seiner Unermüdlichkeit, immer alles erkunden zu wollen, der Marco Polo der Hundewelt.“
Genauso ist es. Unter dem Stichwort „Neugier“ könnte im Lexikon ein Foto von Fiete stehen. Er muss ständig alles checken. Terrier sind Einzeljäger, dafür gezüchtet, allein in den Bau zu gehen und dort selbstständige Entscheidungen zu treffen: links, rechts? Oder doch lieber wieder raus? Diese Eigenmächtigkeit muss man mögen, sonst wird man an ihr verzweifeln.
Ich persönlich liebe genau das an Fiete: dass er halt nicht mit gefalteten Pfoten an meinem Knie klebt, sondern gern seiner Wege geht. Und dass er clever ist. Aus Spaß habe ich mal ein Wochenendseminar Tricktraining in einer Filmtierschule belegt. Eine der Aufgaben: Hund steht auf einem Podest, am Rand hängt ein Bindfaden mit einem Leckerli am anderen Ende herunter, das von oben nicht zu erreichen ist. Was nun? Zwei Versuche, und mein Schlauberger hatte den Faden wie eine Angelschnur eingeholt. Ein Genie, ich hab’s ja immer gewusst. Zumindest wenn es um Nahrungsbeschaffung geht.
Und da wären wir wieder am Anfang: bei der Nahrungsbeschaffung durch willige Helfer. Dem Terrier wird ja oft der berühmte will to please abgesprochen. Ach Quatsch, den gibt es unbedingt. Den will to please Fiete. Schon weil er es einem hundertfach zurückzahlt.
Der Text ist aus dem Buch „Vom Glück mit Hunden zu leben“ (Marianne von Waldenfels, Jennifer Dixon und Thoms Niederste-Werbeck; Callwey)