Das „Hostel de La Gavina“ an der Costa Brava bewahrt die Grandezza unter der Sonne. Ein Ort der Inspiration. Und der Erinnerung.
Neuer Glamour, alte Schule
Ich erinnere noch meine Fassungslosigkeit, als ich vor sechs Jahren das erste Mal die Lobby des „Hostal de La Gavina“ in S’Agaró an der Costa Brava betrat. „Dass es so etwas noch gibt!“, war mein erster Gedanke. Im zweiten Lockdown musste ich wieder an das Hotel denken, in dem ich noch nie gewohnt hatte, aber das mir so vertraut vorkam. Aber dazu später mehr.
Nach 13 Monaten modischer Beschränkung durch fehlende Anlässe konnte ich mir jedenfalls keinen besseren Ort vorstellen, um jenen Stil zu feiern, der als Sehnsuchtsversprechen gerade in den Boutiquen und Flagshipstores hängt und so bunte, gute Laune verbreitet wie schon lange nicht mehr. Diese Mode ist wie gemacht für einen glamourösen Sommerurlaub in einem Grandhotel am Mittelmeer. Einfach mal die ganze alte Grandezza wieder aufleben lassen, die uns in den alten Fotografien von Slim Aarons fasziniert.
Fotos: Sergi Pons
Styling: Clark Parkin
Model: Bárbara Sánchez c/o Blow Models
Haare + Make-up: Emiliano Riccardi c/o Ana Prado
Assistenz: Adria Botella, Jordi Cortez
Location: Hostal de La Gavina
Und ist ein Ort, der es geradezu gebietet, sich mindestens dreimal am Tag umzuziehen, nicht Verlockung genug, mit einem ganzen Schrankkoffer voller Pucci-Kaftane und luftiger Abendkleider einzuchecken? Auf der Halbinsel von S’Agaró, mit seinem sich immer noch bescheiden „Hostal“ nennenden Luxusresort, umgeben von alten Pinien und den Prachtvillen aus den 30er-Jahren, würde man jedenfalls niemals overdressed wirken.
Die Costa Brava hatte ich eigentlich unter ihrer unrühmlichen Touristenhochburg am südlichsten Ende in Lloret delMar abgespeichert. Wie dumm von mir! Dass die Küste sich ab S’Agaró über Begur bis Cadaqués einerseits noch wild und ungezähmt, also „brava“ präsentiert, aber auch so elegant, war eine Entdeckung, die ich den hervorragenden Restaurants verdanke, die es hier zu besuchen gibt. Nachdem ich vor sechs Jahren für eine Reportage zwölf Michelin-Sterne in fünf Tagen abgeklappert hatte, mit einem legendären Lunch im „Celler de Can Roca“ in Girona als Höhepunkt, ging ich noch auf Erkundungstour nach S’Agaró, das ich aus einem Fotoalbum meiner Eltern kannte.
Ein halbes Jahr vor ihrer Hochzeit hatten sie hier im September 1958 logiert. Neben vielen Fotos am Strand und auf der Terrasse des Hotels klebten der alte Prospekt des „Hostal de La Gavina“ und sogar die Menükarte noch im Album. Unter den Schlagwörtern „Vornehm“ und „Gemütlich“ waren Bilder einer Wohnhalle im spanischen Stil mit großem Kamin und Gobelins an den Wänden abgebildet. Meine Eltern saßen dort in Abendgarderobe auf den Sofas. Szenen einer vergangenen Zeit.
Private Fotos aus dem Familienalbum von Clark Parkin
Dass so ein Ort den Renovierungswahn der 70er- und 80er-Jahre niemals überleben würde, war für mich gesetzt. Denn sonst wäre das Hotel doch so bekannt wie die anderen legendären Luxusherbergen in Positano, an der Amalfiküste oder Porto Ercole? Umso größer war mein Entzücken. „Uns war es immer wichtig, diesen Esprit von ‚La Gavina‘ zu bewahren“, bestätigen zwei der drei Enkelinnen von Josep Ensesa beim Gespräch während unseres Shootings für ICON.
Ihr Großvater war der Gründer und Projektentwickler, der die Halbinsel und das Hotel zu einem der glamourösesten Orte des Mittelmeers machte. 1932 wurde das „La Gavina“ mit elf Zimmern eröffnet, spätestens seit den 50er-Jahren war es ein „Hotspot“. Ava Gardner, Elizabeth Taylor, Sean Connery kehrten hier ein. Orson Welles war mit der Familie befreundet, und Julia Ensesa Viñas erinnert sich gern an die Besuche von Herbert von Karajan. Concierge Pedro arbeitet seit über 40 Jahren hier, auf einem der Schwarz-Weiß-Fotos auf dem Weg zur Frühstücksterrasse sieht man ihn in den Siebzigern hinter einem noch sehr jugendlichen Jack Nicholson. Heute kommen Lady Gaga oder Sängerin Björk.
„In unserer Kindheit war das Hotel im Sommer ein großer Abenteuerspielplatz“, erzählt Virginia Ensesa Viñas, die aber auch betont, wie aufwendig es ist, nötige Modernisierungen durchzuführen, ohne gleichzeitig das Flair des Ortes zu zerstören. Denn natürlich braucht ein Luxushotel dieser Klasse heute ultimativen Komfort oder ein Spa. Zum Schluss blättern wir gemeinsam durch das alte Fotoalbum meiner Eltern. „Dreißig Gramm Malossol-Kaviar für 150 Peseten?“, entfährt es Julia Ensesa Viñas. „Das wäre heute knapp ein Euro.“ Okay, manches kann man leider nicht bewahren. Auf der Konsole hinter dem Sofa vor dem Kamin steht aber dafür heute noch die gleiche Lampe wie auf dem Foto mit meinem Vater von 1958. Nur der Schirm wurde jüngst erneuert. Das nächste Mal packe ich ganz sicher mein Dinnerjacket ein – und setze mich auf das Sofa.