Slime Time
Traditionelle Männermode war oft von Rigidität und Strenge geprägt. Die starke Schulter, die schmale Taille und Hüfte, die gerade Anzüge der Vierzigerjahre definierten, sollten die als besonders maskulin wahrgenommene Form betonen und verherrlichen. “Wir haben uns gefragt, wie wir das aufbrechen können”, sagte Raf Simons backstage nach der Prada-Männerschau für den nächsten Sommer. Als Startpunkt wählten er und Miuccia Prada das weiße Hemd. Von der Neutralität dieses Klassikers ist in der finalen Kollektion am Ende wenig übriggeblieben, von dessen Konstruktion dafür umso mehr. “Fast jedes Teil ist wie ein Hemd gebaut, ohne Futter”, sagte Simons. Die Idee dahinter: Der Körper rückt in den Vordergrund, die Struktur löst sich auf. Ein Hybrid aus Hemd und Blazer wird in Shorts gesteckt. Hawaii-Prints. Fransen und exotische Blütenapplikationen wuchern auf dünnen Hemden. Die Ärmel sind ein bisschen zu lang, die Hosen unten ein bisschen zu eng. Die Models tragen Brillen und wellenförmige Haarreifen. Die erotische Spannung sei durchaus gewollt, sagten die Designer. “Joseph Beuys hat uns auch inspiriert; der Look des ganz normalen Mannes, mit Hemd, Weste, und Hose”. Während der Show floss von den Decken Schleim, der wie ein transparenter Vorhang auf den Boden herabfiel und zu einer grünen Masse anschwoll. Mit dieser “fluiden Architektur” zollten Prada und Simons anderen Kreativen Respekt, “die das Material neu denken”. Zum Beispiel dem Schweizer H.R. Giger, der die Kreatur aus den “Alien”-Filmen gestaltet hat. Schleim ist nur ein Beispiel dafür, wie fasziniert der Mensch von seltsamen und fremden Dingen sein kann. Irritieren und gleichzeitig verführen – das kann Prada wie immer am besten.