Die dänische Hauptstadt ist eine der schönsten Metropolen der Welt – und ein Hotspot für Gestalter. Diese sechs sind besonders wichtig. Wir sagen, warum. Und sie, was sie an Kopenhagen lieben. Und was nicht.
Kopenhagens coolste Kreative

DAVID THULSTRUP

Das Interior für eines der berühmtesten Restaurants der Welt zu gestalten, für eines, das für Nachhaltigkeit, Kreativität und Regionalität steht, also jenes Restaurant, das wirklich alle Trends der zeitgenössischen Design- und Esskultur auf neue Höhen getrieben hat – diese Aufgabe wurde dem Architekten David Thulstrup übertragen. Eine Ehre und ein hoher Anspruch, den er mit größtmöglichem Understatement nachkam. Den Komplex aus insgesamt elf Gebäuden richtete er so zurückhaltend ein, dass sich alles selbstverständlich anfühlt, von den Möbeln bis hin zu einem Terrazzoboden aus großen Flusssteinen. Ach ja, das Restaurant heißt „Noma“. Es wurde fünfmal als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet und ist nur eines von vielen Projekten David Thulstrups.
Was ist der ruhigste Ort in Kopenhagen?
Mein Lieblingsort in Kopenhagen, weil er so ruhig ist, ist das Thorvaldsen Museum, das 1848 von Michael Gottlieb Bindesbøll gebaut wurde. Es hat Kopenhagens ruhigsten Innenhof und Bertel Thorvaldsens Skulpturen sind immer schön zu erkunden.
Welches Material ist typisch für Kopenhagen?
Ich habe hier so viele Projekte realisiert und dabei immer ganz genau die Fassaden an den unterschiedlichen Orten analysiert. Das typisch Regionale inspiriert mich, es wichtig, um Verbindungen herzustellen. Für alte und neue Fassaden wird viel Granit verwendet. Roter Back- und Kreidestein finden sich in fast allen alten Fassaden und Innenräumen der Stadt.
Welche Farben?
Rot, Ocker und Grau.
Wäre Ihr Studio nicht in Kopenhagen, wo wäre es dann?
Ich mag London sehr gerne. So viel Geschichte überall, dazu das pulsierende Stadtleben und der Trubel auf den Straßen: Das finde ich sehr charmant. Ich habe viel Freude am Besuch der großen Auktionshäuser und an neuen Restaurants. Es ist eine aufregende Stadt.






CECILIE MANZ

Skandinavien und Japan sind irgendwie in einander verliebt“, hat Cecilie Manz einmal gesagt und damit die Liebe zum Detail, die Wertschätzung traditionellen Handwerks und den Drang zur Einfachheit gemeint. Sie sind in beiden Kulturen verwurzelt. Zugleich hat sie damit ihren eigenen Stil beschrieben, der auch zum Designtrend Japandi beigetragen hat – eine Mischung aus Japanisch und Skandinavisch. Seit sie 1998 ihr Studio in der Kopenhagener Innenstadt eröffnete, hat sie eine bemerkenswerte Bandbreite von Produkten entworfen. Doch egal ob Möbel, Bluetooth-Lautsprecher oder Textilien – aus der Hand von Cecilie Manz wirkt alles so sanft und hell wie ein Sommertag am Ostseestrand.
Wo ist der ruhigste Ort in Kopenhagen?
Es gibt viele Orte der Ruhe, zum Beispiel verwunschene Hinterhöfe, die sich regelrecht ländlich anfühlen und hier und da noch Orte, die nicht gentrifiziert wurden. Für mich ist mein Studio der ruhigste Ort in Kopenhagen – und das mit voller Absicht. Gleichzeitig ist es der geschäftigste Ort. Die Balance ist mir wichtig.
Wäre Ihr Studio nicht in Kopenhagen, wo wäre es dann?
Wahrscheinlich am Ende der Welt, in der Nähe des Meeres. Wahrscheinlich mit sehr viel Platz, einem riesigen Atelier und Gummistiefeln als Arbeitsoutfit.
Gibt es etwas, das Sie an Kopenhagen nie verstanden haben?
Die Ausgestaltung der Inneren Hafenbrücke, die das Zentrum mit dem Stadtteil Christianshafen verbindet und für Fußgänger und Radfahrer ist. Man muss in der Fahrt eine 90-Grad-Drehung machen, das ist für alle gefährlich, weil sie so stark genutzt wird. Jemand vergaß scheinbar, dass Architektur bleibt und großen Einfluss auf das Leben von Menschen hat. Ich liebe es, dass die Stadtteile verbunden sind, fluche aber jedes Mal, wenn ich die Brücke passiere.





NORM ARCHITECTS

Sanfter Minimalismus – da klingen schon die Worte nahbar, sinnlich und klar. Genau deshalb haben sich Norm Architects diese Begriffe als Überschrift gesetzt für ihr breit gefächertes Tun. Die Kreativen rund um Kasper Rønn Von Lotzbeck und Jonas Bjerre-Poulsen sind als Designer tätig, als Stylisten, Buchgestalter, Fotografen – das Programm reicht von Einfamilienhäusern über Sneakers bis zu einem Lampenschirm aus Travertin. Gesucht und meist auch gefunden wird eine Gestaltung, die nicht nur den Test der Zeit besteht, sondern auch einen menschlichen Bezug über Haptik, Farben und Proportionen herstellt – erdacht und entworfen in einer der ältesten Straßen Kopenhagens, der Købmagergade, deutsch Kaufmannsstraße.
Welches ist der ruhigste Ort in Kopenhagen?
Die natürlichen Heiligtümer der Stadt, die Parks, Höfe, Stadtplätze und Hafenanlagen. Sie sind nicht nur Treffpunkte, Markt- und Schauplätze zahlreicher Veranstaltungen, sondern auch Orte, an denen man sich entspannen und das Zusammenspiel von Natur und Stadtleben erleben kann.
Welche Art von Material ist typisch für Kopenhagen?
Die älteren Teile – von denen wir uns auch für unser neuestes Projekt, eine Fliesenkollektion für die italienischen Decoratori Bassanesi, inspirieren ließen – sind voller strukturierter Oberflächen, bei denen man die echte Handwerkskunst, die in den Bauprozess eingeflossen ist, sehen und spüren kann. Die Mischung aus Gips, massivem Stein und Holzarbeiten macht den Reichtum der Stadt aus und sorgt für eine sich im Laufe des Tages ständig verändernde Szene.
Welches ist das nervigste Klischee über die Stadt?
Vielleicht, dass sie ein Paradies für Radfahrer ist? Die Radwege können während der Rushhour sehr überfüllt sein – aber wir lieben es, dass alles mit dem Rad zu erreichen ist!





METTE & ROLF HAY

Hay, sprich: „hej“, ist zugleich ein Grußwort, eine Marke und der Name zweier Unternehmer. Es war im Jahr 2002, als Rolf und Mette Hay zwischen Ikea und teuren Edelmarken eine weit klaffende Lücke im Einrichtungs- und Designmarkt ausmachten. Mit ihrem Unternehmen füllten sie diese mit gut gestalteten Möbeln und Objekten, zunächst in Dänemark, später weltweit. „Wir haben hochwertiges Design aus der Feder der etabliertesten Köpfe der Branche endlich auch einem breiten Publikum zugänglich gemacht“, sagen sie. Um das gestalterische wie auch das preisliche Niveau halten zu können, fordern sie von den Designern ein starkes Verständnis für industrielle Produktion. Ihr Katalog umfasst inzwischen Hunderte von Objekten und liest sich wie ein Lexikon zeitgenössischen Designs, mit Namen wie Naoto Fukasawa, GamFratesi, Muller Van Severen oder den Brüdern Bouroullec. Mittlerweile unterhält Hay 25 eigene Geschäfte und kooperiert auf dem amerikanischen Markt mit dem Hersteller Herman Miller.
Welche Jahreszeit ist die beste in Kopenhagen?
Mette und Rolf: Frühling und Sommer, wenn das Licht zurückkommt. Aber auch der Herbst kann schön sein, nur nicht an Regentagen. Wenn uns Leute im Frühling und Sommer bei Hay besuchen, wollen sie gleich hierherziehen. Wir raten ihnen dann, nochmal im Januar zu kommen.
Der schönste Ort in der Stadt?
Mette: Es ist fast unmöglich, nur einen Ort zu nennen – wir haben das Glück, in einer unglaublich schönen Stadt zu wohnen. Manch ein Besucher scherzte schon, dass hier selbst die Filialen von „7 Eleven“ schön seien. Das Wasser ist nie weit weg, das Gleiche gilt für die Natur. Und: Man kann die Stadt in wenigen Tagen erkunden. Einige Orte, die ich wunderbar finde, und die vielleicht nicht in jedem Stadtführer zu finden sind: Die Grundvigtskirke im Stadtteil Bispebjerg aus den 1920er-Jahren, die architektonisch sehr beeindruckend ist und neben der im Frühjahr die Kirschbäume blühen. Außerdem liebe ich die Bauten entlang der Kanäle, die man bei einer klassischen Bootsrundfahrt ansehen kann. Und der Garten rund um das „Statens Museum for Kunst“ ist wirklich schön.
In einem Satz: Was macht die Stadt so lebenswert?
Rolf: Die Qualität des Essens, der Kultur und Kunst! Kopenhagen ist so eine überschaubare Stadt, aber man kann hier hervorragend leben, auch als Familie mit Kindern. Und, klar: dass man überall Fahrrad fahren kann.





BJARKE INGELS

Mit klassisch skandinavischer Tradition hat Bjarke Ingels eher wenig zu tun. Der Mann denkt nach vorne, und er denkt groß, daher auch der Name seines Büros BIG – als Abkürzung für Bjarke Ingels Group. Gegründet hat er das Studio 2006, im Alter von 32 Jahren. Von da ab ging es raketenartig aufwärts, bis hin zum Entwurf der Google-Zentrale im Silicon Valley. Der Erfolg von BIG beruht zum Teil auf ebenso großen wie bildhaften Entwürfen: Das Lego Haus in Billund sieht aus wie aus Legosteinen errichtet, das Dänische Maritime Museum in Helsingør hat die Form eines Schiffs, das Museum des Uhrenherstellers Audemars Piquet ist spiralförmig wie die Feder einer mechanischen Uhr. Mit den Bildern, das ist die Kunst, liefert BIG jedoch auch Funktionalität und, fast noch wichtiger: Spaß. Emblematisch verdichtet ist dieser Ansatz in der Müllverbrennungsanlage Amager Bakke, von deren Dach herunter eine Skipiste mit Kunstschnee führt – das Kopenhagener Kraftwerk wurde schnell zum hippen Treffpunkt und zur Touristenattraktion. Der Begriff „nachhaltiger Hedonismus“, der dafür geprägt wurde, wird auf alle Zeit mit dem Namen BIG verbunden sein.






REFORM

Die Grundidee von Reform ist so einfach wie schlagend: Um mit beschränktem Budget trotzdem eine großartige Küche zu bekommen, nehme man die Korpusse von Ikea und setze eine hochwertige, gut gestaltete und besondere Front davor. Das war das Modell „Basis“. Es ist inspiriert von den skandinavischen Architektenküchen der 1960er-Jahre und ein kleiner Geniestreich des demokratischen Designs. Von hier ausgehend entwickelten die Gründer Jeppe Christensen und Michael Andersen weitere Modelle, unter anderem zusammen mit dem Stararchitekten Jean Nouvel. Inzwischen sind die Küchen auch online zu bestellen, inklusive Video-Beratung.
Was mögen Sie besonders an Kopenhagen?
Jeppe Christensen (rechts):
Dass die Stadt so dicht bebaut ist. Man kann alles in einem Umkreis von zehn Kilometern erreichen. Ich liebe auch das überragende gastronomische Angebot. New York ist die einzige Stadt, in der ich es bisher noch besser fand.
Michael Andersen (links):
Das autofreie Leben. Alles ist in der Nähe, also ist das Fahrrad die einzige vernünftige Art des Transports. Ich liebe es – kein Stau, kein Parkplatzproblem und sogar die Autofahrer respektieren die Fahrradfahrer.
Ein besonderer Ort in der Stadt, den Sie bereit sind zu teilen?
Jeppe Christensen:
Der Nordhavn (Østerbro) ist für mich ein magischer Ort. Um dorthin zu gelangen, muss man durch Straßen gehen oder radeln, die von Containern und alten Industriegebäuden umgeben sind. Es ist wie ein Abenteuer. Wenn man endlich angekommen ist, befindet man sich in einem kleinen Hafen mit handwerklichen Fischerhäusern. Ich springe dort gerne mal ins Meer.
Michael Andersen:
Wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe, mache ich das in Carlsbergs Have. Der Gründer von Carlsberg hat den Garten angelegt, und aus irgendeinem Grund besuchen ihn nicht viele Menschen – er ist wunderschön und ruhig.
Welches Klischee über Kopenhagen würden Sie gern widerlegen?
Jeppe Christensen:
Wir sollen das glücklichste Land der Welt sein. Da bin ich mir nicht so sicher. Die Leute hier sehen so ernst aus.
Michael Andersen:
Dass Fahrräder unverschlossen stehengelassen werden können. Tun Sie das nicht, es wird gestohlen!
Was nervt besonders in der Stadt?
Jeppe Christensen:
Das alle das Gleiche tragen – auch wenn es gut aussieht.
Michael Andersen:
Die hohen Kosten. Zurück aus Berlin, bin ich überrascht, dass man beim Bäcker fast zehn Euro für ein Brot oder sechs Euro für einen Kaffee bezahlen muss.






ÜBRIGENS: Vom 7.bis 9. Juni findet in Kopenhagen die Interiormesse „3 Days of Design“ statt. Die City ist dann ein einziger großer Showroom und die Atmosphäre so cool, entspannt, inspirierend. Kopenhagen at it’s best.