Gucci in Seoul

gucci’s K-STYLE

Der Gyeongbokgung Palast in Seoul ist beeindruckend schön, weitläufig, prächtig und liegt an diesem Abend in einem dämmrig blau-goldenen Licht, das der ganzen Szenerie noch zusätzlichen Zauber verleiht. 1395 errichtet, ist er der erste Palast der Joseon Dynastie, die bis zum Ende des Königreichs 1910 herrschte. Mehrfach zerstört, aufgebaut, abgerissen, seit 1990 wieder rekonstruiert, erzählt er von der bewegten Historie und Kulturgeschichte Koreas. Der Name des so friedvollen historischen Areals mitten in der wortwörtlich aufstrebenden Stadt heißt so viel wie „Palast der strahlenden Glückseligkeit“ und gestrahlt wurde ordentlich an diesem lauen Mai-Abend, an dem Gucci hier zur Cruise-Show lud. Schon das an sich eine Sensation, möglich wurde es, weil die Italiener im vergangenen Jahr einen Drei-Jahres-Vertrag mit dem koreanischen Amt für das Kulturerbe geschlossen hat und sich zur finanziellen Unterstützung der Renovierungsarbeiten verpflichteten.

 

Marco Bizzarri, CEO und Präsident von Gucci, formulierte es ganz romantisch: „Florenz und Seoul, Italien und Korea, so geografisch so weit entfernt, aber so nah beieinander, wenn es um kreative Wunder geht.“ Deswegen sei man da, um die Vergangenheit als Inspiration für die Zukunft zu zelebrieren. Und nebenbei den 25. Jahrestag seit Eröffnung der ersten Boutique hier zu feiern. Und sicher auch, weil Korea zum Schlüsselland für die Luxusindustrie geworden ist.

So oder so, die 600 Gäste, vor allem aus dem asiatischen Raum, unglaublich viele Celebrities und KOLs (Key Opinion Leaders), wie Influencer hier heißen, genossen vor allem den räumlichen Kontext. An drei Seiten des großen Platzes vor dem prächtigen „Geunjeongjeon“, der der königlichen Repräsentation und für diplomatische Empfängen diente, waren Sitzbänke aufgebaut, die kleinen Plättchen auf dem Zeitzeugen-Steinpflaster entpuppten sich mit Showbeginn als digitales Lichtermeer, das den Sternenhimmel echote, lange Spiegelwände unterhalb des Platzes doppelten den Blick. Die Luft war lau, der Himmel hatte Flitter aufgelegt.

 

Die Kollektion dann erzählte vom Übergang, auch das macht sehr viel Sinn in Seoul. Der neue Designer Sabato de Sarno hat vergangene Woche offiziell seinen Dienst angetreten, im September wird er seine erste Kollektion präsentieren, derzeit ist nach dem Abgang von Alessandro Michele noch das Team in Charge. Und das hatte offenbar Lust auf Meer. Und Spaß. Was ja für eine Cruise Collection viel Sinn macht. Coole Neopren-Shorts, Kleider, Jacken, Schuhe, auch mal oben Wetsuit, ab Hüfte unten fließendes Organza, Surfbrett unterm Arm als Accessoires, Skateboards als Umhängetaschen, Perlmutt-schillernde Handtaschen, ein überdimensionaler Pudding als Muster auf wehenden Kleidern, alles in völligem Kontrast zum Setting, aber es funktionierte. Womöglich weil bei aller höfischen Strenge in diesem Palast Wissenschaft, Literatur und Kunst immer geschätzt wurden. Auch das eigene koreanische Alphabet entwickelte der Linguist König Taejo hier. An diesem Abend brauchte es allerdings nicht viele Buchstaben. WOW reichte.

Text
Inga Griese