Gucci im Wunderland

Was zunächst vermuten lässt, man wäre durch eine Taschenuhr gestolpert und auf der Teeparty des verrückten Hutmachers gelandet, ist in Wirklichkeit die neue Décor Kollektion von Gucci. Inspiriert von Romantik und Skurrilität kreierte man Stücke, die an die Natur angelehnt sind und sie gleichzeitig als Bühne benutzen. Neben Duftkerzen aus Metall oder Keramik und Besteck mit Tiertotems gehören sogar Tapeten und Sessel mit neugestalteten Retro-Blumenprints zur Kollektion. Auch die Kampagne inszenierte Kreativchef Alessandro Michele an der Schwelle zwischen Natur und Künstlichkeit: Im Formschnittgarten treffen zum Sofa gestutzte Hecken auf Gucci Seidenkissen und riesengroße Teekannen erzeugen Wunderland-Stimmung. Traumhaft, Alice – ähm Alessandro! 

Foto Michael Muller für ICON

„We got to terminate pollution because pollution kills 7 million people a year. That’s the message we have to drive home!“

Happy 75th Birthday

Arnold Schwarzenegger!

Exhibition Space des Loewe Craft Prize
Die Gewinnerin Dahye Jeong
Ihr preisgekürtes Werk
Das Schmuck-Werk der Deutschen Julia Obermaier
Julia Obermaier

Erster Platz 

„Die Essenz von Loewe ist Handwerk“, sagt Jonathan Anderson, Kreativdirektor des Labels. Doch Handwerk kann viele verschiedene Formen jenseits der Herstellung von Mode und Accessoires annehmen. Eben das erkennt das Label mit dem Loewe Craft Prize an, mit dem seit 2016 junge talentierte Nachwuchskünstler mit Handwerksfähigkeiten in unterschiedlichen Disziplinen ausgezeichnet werden. In diesem Jahr wurde der Preis in Seoul verliehen, die Gewinnerin: Dahye Jeong, deren Werk „A Time of Sincerity“ aus einem Korb besteht, den die Künstlerin mit einer Jahrhunderte alten koreanischen Hutmacher-Technik aus Rosshaar gefertigt hat. Die Jury, zu der unter Anderen auch die Designerin Patricia Urquiola gehörte, hob zudem die Leistung der Deutschen Julia Obermaier hervor, die sich es mit einem Schmuckentwurf ins Finale geschafft hatte. Silvia Ihring

Flower Power 

Irgendwo ist das Gras immer grüner, und wer es ganz genau wissen will, sollte einen Blick auf die Arbeiten von Designerin Paula Ulargui Escalona werfen: Mit Gräsern und Vegetation erweckt sie Mode buchstäblich zum Leben – etwa die, aus der LOEWE Spring/Summer 23 Kollektion. Unter dem Motto Natur trifft Technologie werden die reduziert-minimalistischen Designs des spanischen Labels von den Pflanzen Escalonas überwuchert. Unter anderem wurden Sneaker mit Gras durchsetzt, das am Schuh quicklebendig weiterwuchs. In einer Symbiose aus Kunst, Design und Forschung entwickelte sie dafür ein nachhaltiges Gewebe, das allein aus lebenden Pflanzen besteht. Dazu kommt eine Technik, Pflanzen auf textilem Gewebe wachsen zu lassen. Wie das möglich ist? „Mit extremer Geduld und den richtigen Wassermengen!“ 

Immer der Nase nach

Was den Augen verborgen bleibt, entgeht der Nase nicht. Eng verwoben mit Erinnerungen sind es Düfte, die Reisen an vergangene oder weit entfernte Orte ermöglichen. Bei Balenciaga wählte man eine Duftkerze in einer kleinen, runden Silberdose als Transportkapsel in die eigene Vergangenheit. Für das Couture Comeback des Labels im vergangenen Jahr ließ Creative Director Demna Moleküle aus den Wänden des ehemaligen Balenciaga Couture Stores extrahieren und mit persönlichen Stücken von Cristóbal Balenciaga in einem Duft zusammenbringen. Die Komposition aus unter anderem Tabakrauch, altem Papier, Leder, Wolle und dem geölten Metall der Nähmaschinen kehrt nun – zur Wiedereröffnung des alten Couture Stores – in Form dieser Kerzen zurück. Gemeinsam mit Porzellanfiguren zu den Looks aus Demnas erster Couture Show und weiteren Accessoires ist sie im Pariser Couture Store erhältlich. 

 

Mehr

MAISON VALENTINO

THE PRINCESS DIARIES

ANNE HATHAWAY @ VALENTINO

VALENTINO HAUTE COUTURE FW 22/23 

Modischer Liebesbrief

Bühne frei – Nachdem Jean Paul Gaultier vor zwei Jahren seine letzte eigene Haute Couture Show präsentierte, überlässt er seither seinen Designer-Kollegen die Bühne. In dieser Saison erschuf Oliver Rousteing, Creative Director von Balmain, eine Hommage an die Design-Geschichte Gaultiers: In Anlehnung an seinen Anspruch, Geschlechtsrollen zu überwinden wird die Show – für Haute Couture ungewöhnlich – von Männern eröffnet. Inspiriert von der Tattoo-Kollektion von 1994 tragen sie bunt gemusterte Gewänder mit Denim-Elementen, auffälligem Schmuck und Piercings. Es folgen plastische, den Körper nachahmende oder freizügige Mieder und Korsetts, die an die Looks von Gaultier für Madonna erinnern. Sogar die Flakons der Gaultier-Düfte tauchen als High Heel Absatz wieder auf. Auf Instagram schwärmt Rousteing weiter: „Du warst schon immer eine Inspiration für mich. Mir die Schlüssel für ein paar Monate zu geben, um zu zeigen, was ich kann, war einfach ein Segen in meinem Leben. Danke für dein Vertrauen, deinen Respekt und deine Vision.“

„Aus Hart wird weich. Radikal wird tragbar.“

 – Viktor & Rolf 

Kreative Befreiung

Obwohl die Fantasie zu den Grundfähigkeiten des Menschen gehört, ist sie kaum messbar. Die kreativen Ideen von Maison Margielas Creative Director John Galliano lassen ihre Ausmaße allerdings gut erahnen. In einer vom Theater inspirierten Live-Aufführung zeigt er nicht nur seine Artisanal 2022 Couture Kreationen, sondern demonstriert mit der, an Romeo und Julia erinnernden, tragischen Liebesgeschichte „Cinema Inferno“ ebenso den patriarchalen Machtmissbrauch. Mit vorhandenen Kleiderordnungen wird gebrochen: Gold glitzernde Mäntel werden mit rauen Cowboystiefeln und -Hüten kombiniert und aufwendige Tüll-Designs spielen mit der Ästhetik von Transparenz und Verhüllen. Kleider, die an Sandstürme erinnern und mit echtem Sand besprüht sind, machen Teile der Geschichte haptisch erfahrbar und durch die digitale Übertragung wird das Bühnenspektakel zum multimedialen Modefilm – Kreative Höchstleistung!

Harte Schale, weicher Kern 

Dass die übersteigerte Wahrnehmung des typisch Männlichen toxisch ist, hat man bei Viktor & Rolf erkannt. Mit der Haute Couture Kollektion erfolgt nun der Befreiungsschlag: Radikal maskulin geschneiderte Looks eröffnen die Show. Hemden, Jackets und Mäntel mit überdimensional ausgestellten Krägen erscheinen, als würden sie schwebend die Schultern und Gesichter der Models umgeben. Die Metamorphose startet, als das niederländische Designer-Duo selbst die Bühne betritt, um ein Model von der skulpturalen Aluminiumkonstruktion im Kragen zu befreien. Durch integrierte Kordelzüge verändern sie noch auf der Bühne die gesamte Silhouette des Looks und leiten den zweiten Teil der Show ein, das Nachher: Die üppig, aufgebauschten Rüschen wirken kaum weniger radikal, und doch fast zärtlich und feminin: „Aus Hart wird weich. Radikal wird tragbar.“

ÜBERRASCHUNG!

Dua Lipa, Naomi Campbell, Nicole Kidman und Kim Kardashian: Bei Balenciaga geht es nicht nur um die hohe Schneiderkunst der Haute Couture, sondern offensichtlich auch um die höchste VIP-Klasse der Models. Denn Kreativdirektor Demna Gvasalia hat stets ein Gesamtkunstwerk im Kopf. Diese bekannten Namen stehen im Kontrast zu der erneuten Gesichtslosigkeit auf dem Balenciaga-Laufsteg. Bei seiner Fashion-Show in der New Yorker Börse wurden dafür noch Ganzkörperanzüge getragen. In Paris ist nun ein Helm für die Hälfte der Models obligatorisch. Dazu übergroße Denimanzüge, hautenge schwarze Anzüge, Fellmäntel mit avantgardistischen Krägen. Als die Roben und Männernanzüge zum Ende der Show eleganter werden, werden die Masken gelüftet. Denn Gvasalia provoziert die bisherigen Reglements der Branche. Auch, weil seine ausladende Röcken kaum durch die schmalen Gänge und Türen des Laufsteg-Sets passen und für ungewöhnliche Momente in der sonst so minutiös geplanten Haute Couture-Welt sorgen. Zum anderen, weil Balenciaga einen Couture-Shop eröffnen wird, in dem die Roben erstmals direkt zu kaufen sein werden.

GLITTER-GEWITTER

Um diese gewisse Raffinesse und Verführung einzufangen, die er heute vermisst, hat sich Giorgio Armani für seine Haute Couture-Kollektion von den Nachtclubs der 1920er- und 30er Jahre inspirieren lassen. „Petillant“ – zu Deutsch funkelnd – war der Name, den Giorgio Armani für seine Armani Privé-Stücke fand. In einer Kulisse, die an einen Cabaret-Club mit Bänken und kleinen Tischlampen erinnerte, hat er die glamouröse, kurze Zeit zwischen den Kriegen ins Heute übersetzt, und zeigte schwarz-weißen Trompe-l’oeil-Muster mit Perlen bis hin zu mitternachtsblauen, blumenbesprenkelten Pailletten. Dazu halbdurchsichtige Perlenpullover, getragen zu makellos geschnittenen, weitbeinigen Herrenhosen. Am Ende gab es Standing Ovations für Armani, die man sonst bei der gediegenen Haute Couture-Atmosphäre vermisst.

Traumhaft surreal

Sie hat es wieder getan. Kreativdirektorin Virginie Viard arbeitete erneut mit dem Künstler Xavier Veilhan zusammen, um die Szenerie für die Haute Couture Show von Chanel zu erschaffen, welche die Grenzen zwischen Realität und virtuellen Welten verschwimmen lässt. Um zum Laufsteg zu gelangen, wurden die Gäste durch einen Labyrinthweg vorbei an illusorischen Mobile geführt. Auf dem Laufsteg zelebrierte Viard einen Cowboy-Vibe – passend zur Pferderennbahn, auf die sie geladen hatte – mit einer Kombination aus dem legendären Chanel-Boucléstoff, wadenlangen Röcken, geblümten Chiffonkleidern.

In eine andere Welt transportierte auch der zugehörige Film zur Show, dessen Regie ebenfalls Veilhan verantwortete. Überlebensgroße Figuren eines Hais, eines Welpen und eines Oldtimers wechseln sich ab. Musiker Sebastian Tellier klimpert auf einer riesigen Gitarre, mit dabei sind Model Vivienne Rohner und Charlotte Casiraghi, die Botschafterinnen des Hauses. Ein wenig Chanel für alle, die von zu Hause in die traumhafte Haute Couture-Welt eintauchen möchten.