Sein erstes Jahr bei Schiaparelli hatte sich Daniel Roseberry vermutlich anders vorgestellt. Im Juli 2019 stellte er in Paris seine erste Kollektion für das Haute Couture-Haus vor. Wenige Monate später saß er in seiner Heimatstadt New York fest, das Corona-Virus hatte die Branche (und die Welt) im Griff und Mode – erst recht die atemberaubend teure und unpraktische Couture-Version derjenigen – schien plötzlich wie eine unbedeutende frivole Spielerei.
Luxus & gute Laune

Trotz Lockdown gelang es Roseberry in den vergangenen zwei Jahren, den Menschen zu zeigen, warum Mode in Wahrheit manchmal ein Grund sein kann, weiter zu machen. Hoffnung zu bewahren. Zu staunen über den Zauber, den das richtige Kleid an der richtigen Frau (oder Mann) im richtigen Moment ausüben kann. Solche Zauber-Momente sind Roseberry und Schiaparelli in der jüngsten Vergangenheit oft gelungen: Lady Gaga als Hymnensängerin bei der Amtseinführung von Präsident Joe Biden im Januar 2021, gekleidet in einer Robe mit engem schwarzem Oberteil und ausladendem roten Taftrock, eine goldene Taube leuchtete an ihrer Brust. Bella Hadid bei den Filmfestspielen in Cannes im vergangenen Jahr, gekleidet in einem engen schwarzen Kleid mit offener Brustpartie, die nur von einem goldenen, an eine Lunge erinnernden Collier bedeckt war. Vergangene Woche fluteten Bilder der jüngsten Schiaparelli-Haute-Couture-Show die Instagram-Feeds, auch wegen der Gäste in der ersten Reihe: Emma Watson, Hunter Schaefer, Rita Ora.


Das muss man erst mal schaffen: Als Couturehaus mit traditionsreicher Geschichte, aber ohne Flagship-Stores auf der ganzen Welt, zum Fashion-Phänomen mit popkultureller Relevanz aufzusteigen. Die Jacken und Bustiers mit den konischen Brüsten, die Schuhe mit den goldenen Zehenmotiven, die Taubenmotive und Medaillons, gestaltet wie ein menschliches Herz: das sind provokante It-Pieces wie sie schon die Gründerin Elsa Schiaparelli geliebt hätte, doch vor allem passen sie perfekt in diese Zeit, mit ihrer augenzwinkernden Seltsamkeit, ihrer Opulenz und Wiedererkennbarkeit. Mode muss heute Geschichten erzählen und die von Schiaparelli unterhalten mit viel Humor. Gleichzeitig betonen sie eine uralte Botschaft, die relevanter scheint denn je: Dass Mode berühren und Emotionen wecken muss, dass Handarbeit wertvoll und Aufmerksamkeit und Schutz verdient, dass Schönheit nicht überflüssig, sondern ein essentieller Teil des Lebens ist. Ausgerechnet einem Texaner gelingt es, diese Botschaft für Schiaparelli so präzise und verständlich zu formulieren, dass ein wertvolles aber kleines Pariser Couture-Haus für eine neue Generation Modefans ebenso viele Assoziationen weckt wie Chanel. Elsa Schiaparelli, die mit Coco Chanel ohnehin in einem Konkurrenzkampf stand, hätte das sicher gefallen.







