Tief im Westen

MACH ES EINMALIG

Das KaDeWe in Berlin wird umgebaut. Und gehört schon jetzt zu den besten Kaufhäusern der Welt.

Hedwig fliegt nicht über Hogwarts, sie fliegt übers KaDeWe. In der dritten Etage, bei den Spielwaren, gibt es eine kleine Ecke mit original Harry-Potter-Devotionalien. Zauberstäbe, Gryffindor-Tassen und Slytherin-Schals, Dobby als Puppe aus Plüsch. Und eine Grafik, signiert und limitiert auf 200 Stück, die Harrys Eule mit ausgebreiteten Schwingen zeigt und unter ihr das Kaufhaus in glutrotem Licht. Das Bild gibt es nur hier – und es passt. Das KaDeWe verwandelt sich nämlich gerade in ein Luxuskaufhaus der Weltklasse, wie Harrods, Saks oder das Samaritaine, mit anderen Worten: Es wird zum Zauberschloss. Und die Magie hat System.

Das kündigt sich schon draußen an. Weil Tiffany jetzt die Boutique im KaDeWe umgestaltet hat, und weil das eigene Stammhaus an der Fifth Avenue gerade auch renoviert wird, brachte die amerikanische Luxusschmuckmarke gleich die Dekoration für die Weihnachtsfenster mit. „Das ist natürlich ein Statement“, sagt André Maeder, der Chef der KaDeWe-Gruppe, zu der auch das Alsterhaus in Hamburg und der Oberpollinger in München gehören.

Drinnen wird seit mehr als fünf Jahren umgebaut, bei laufendem Betrieb und nach einem Masterplan von Rem Koolhaas’ Büro OMA. Auch werden die Abteilungen neu sortiert und von internationalen Designbüros gestaltet, sowie das eigene Warenangebot kuratiert statt akkumuliert (und durch Marken ergänzt, die hier eigene Stores und Flächen haben). Architektur, Sortiment und Seele sind die Zutaten, die richtig abgewogen werden müssen, um jüngere Kunden anzuziehen ohne ältere zu verschrecken, und um sich als mindestens gleichberechtigtes Pendant zum Onlinehandel zu positionieren. „Als ich hier anfing, hatten wir gut 320 verschiedene Pfeffermühlen“, erzählt André Maeder als Beispiel gern. „Aber was sollten wir damit? Auf Verkaufsplattformen im Internet finden sich 20.000. Wir brauchen nur wenige, aber besondere – eben die richtigen. Heute sind es vielleicht noch 25, aber die sind gezielt gewählt.“ Zwanzig Einkäufer reisen regelmäßig durch die Welt, um ein unverwechselbares Sortiment zusammen zu stellen, das das Kaufhaus zu einem Konzeptstore in XXL macht.

Die neuen Rolltreppen von Rem Koolhaas´Büro OMA

Kuratieren ist das Schlüsselwort des Einzelhandels, Exklusivität essentiell, denn limitierte Editionen, die es nur hier gibt, tragen den Erlebnis-Charakter schon in sich. „Wir haben derzeit gut 300 Pop-ups in unseren drei Häusern, so dass selbst ein Kunde, der mehrmals in der Woche vorbeikommt, immer wieder etwas Neues entdecken kann“. Dabei geht es weniger ums Verkaufen als ums Erleben, „ums Freude haben dürfen“, wie Maeder sagt und damit auch die Demokratisierung von Luxus meint.

Tatsächlich stellen sich kleine Glücksgefühle ein, wenn man die Figuren eines besonders schrillen italienischen Keramiklabels entdeckt – oder in der fünften Etage, in der gerade eröffneten Schreibwarenabteilung, plötzlich vor der Dependance des MoMA Design-Stores steht, einer von vieren weltweit und der einzige in Europa. Und natürlich findet sich bei den Silberwaren auch der neue Barwagen von Robbe & Berking, der fast Einzelstückcharakter hat, so aufwendig ist seine Anfertigung. Es wird ein kleiner „Das gibt’s doch nicht, das haben die hier“-Rausch, und seine Wirkung entsteht auch durch die Architektur.

Mehr Klarheit verordnete OMA dem Kaufhaus, das mit 90.000 Quadratmetern als größtes auf dem europäischen Kontinent gilt. Sie teilten den Bau in vier Quadranten, von denen jeder von einer eigenen und eigens neu entworfenen Rolltreppe erschlossen werden soll. Die erste ist gerade mit einer Modenschau eingeweiht worden. Ihre Arme durchmessen spiralartig aufgefächert ein riesiges trichterartiges Atrium, zu dem in allen Etagen die Verkaufsflächen offen sind. Wer mit ihr fährt, schwebt durch den Raum, entdeckt immer neue Perspektiven und das Haus nicht bloß horizontal, sondern auch vertikal wahr. Auch der Blick auf die Rolltreppe selbst ist dank ihrer hölzernen skulpturalen Wucht ein Ereignis.

Fragt man André Maeder nach dem besten Platz dafür, sagt er: „Es gibt zwei, einen ganz unten und einen ganz oben.“  Oben ist „die Sechste“, die Foodabteilung des KaDeWe, komplett fertig. Mit Austern-, Hummer-, Trüffelbar, mehr Tischen zum Sitzen, dem riesigen Frischfischbereich, dem Klassiker „Fischkutter“ und ein paar Restaurants, die auch spät noch geöffnet haben und über einen Außenaufzug zugänglich sein werden. Die Lüftungsanlage ist neu, die Kälteanlage auch, die drei Fettabscheider sowieso. So bekommt man eine Ahnung davon, dass die Haustechnik die wahre Herausforderung bei dieser Verwandlung ist. Mit Magie ist da nichts zu machen.

Text
Gabriele Thiels
Fotos
Marco Cappelletti/OMA (5)