„Wisst ihr“, sagt er am Ende des Interviews, „viele Afrikaner leiden unter einem tief sitzenden Komplex gegenüber Weißen. Sie fühlen eine tief im kollektiven Bewusstsein verankerte Unterlegenheit und glauben, immer beweisen zu müssen, dass sie etwas wert sind.“
Er hält inne, nimmt einen Schluck vom schwarzen Kaffee. Dann: „Die Kunst ist, glaube ich, ein guter Weg der Katharsis. Sie kann helfen, die Menschen in Afrika emotional zu befreien, sich von der Vergangenheit zu lösen und in der Gegenwart für eine bessere Zukunft zu handeln. Denn wer künstlerisch arbeitet, der drückt sich selbst oder ein kollektives Gefühl aus und das kann die Brücke hin zu einem Bewusstsein für das eigene und das afrikanische Selbst sein.“
Wenige Wochen später wird der US-amerikanische Sänger Pharell Williams am Tag nach einer Fashion-Show von Chanel im ehemaligen Justizpalast zu Studenten sagen: „Es berührt mich, als Afro-American ins Land meiner Vorfahren zu kommen, die ich aber nicht als Sklaven, sondern als versklavte Menschen bezeichne.“ Er feiert die Initiative des Modehauses, das seine Schau in ein dreitägiges Kulturfestival gekleidet hat. Überhaupt lässt sich in den vergangenen Jahren beobachten, dass immer mehr – vor allem Afroamerikaner – zurück in die Herkunftsländer ihrer Vorfahren kehren. Blaxit nennt sich die Bewegung und hat mit dem Podcast-Format Blaxit Global ein mittlerweile weltumspannendes Netzwerk, das „es sich zur Aufgabe gemacht hat, Brüder und Schwestern der afrikanischen Diaspora aufzuklären, zu informieren, zu befähigen und zu inspirieren, ein Leben im Ausland zu führen“, so die Gründerin Chrishan Wright, die aktuell noch in New Jersey lebt und ihren Umzug für 2023 geplant hat.
BLAXIT BESCHREIBT DIE AUSWANDERUNG SCHWARZER/AFRIKANISCHER AMERIKANER VORWIEGEND NACH AFRIKA. DIE BEZEICHNUNG DIESER SOZIALEN BEWEGUNG WURDE VON DEM US-AMERIKANISCHEN WISSENSCHAFTLER, JOURNALISTEN UND MENSCHENRECHTSBERATER DR. ULYSSES BURLEY III IN ANLEHNUNG AN DEN BEGRIFF BREXIT GEPRÄGT. TATSÄCHLICH LÄSST SICH IN DER ÖFFENTLICHEN WAHRNEHMUNG EIN ZUNEHMENDES INTERESSE VOR ALLEM SCHWARZER PROMINENTER FÜR DAS SOZIALE UND GESELLSCHAFTLICHE LEBEN IN AFRIKANISCHEN LÄNDER BEOBACHTEN. SO HABEN SICH BEISPIELSWEISE 2021 DER CHEFREDAKTEUR DER BRITISCHEN VOGUE, EDWARD ENNINFUL UND SCHAUSPIELER IDRIS ELBA (BEIDE HABEN GHANAISCHE VORFAHREN) ÖFFENTLICH FÜR DIE RECHTE VON HOMOSEXUELLEN IN GHANA AUSGESPROCHEN. ZU DEN WEITEREN UNTERSTÜTZERN ZÄHLTE AUCH DAS EHEMALIGE SUPERMODEL NAOMI CAMPBELL.
Als wir das Café verlassen und den Platz der Unabhängigkeit auf dem Weg zurück zum Hotel umrunden, zählen wir die Büros aller Big Four, also der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie aller namhaften Versicherungen, Banken und Kreditinstitute. „Schöner Name für diesen Platz“, sagt Anni und dieser Tag in Dakar lässt uns mit gemischten Gefühlen zurück. Die Nacht verbringen wir im Dachzelt auf dem Parkplatz des kleinen Stadthotels Casa Mara, das in den kommenden Tagen unser Zuhause sein wird; der Regen in der Nacht ist so heftig, fällt wie ein dichter Vorhang von oben und reißt Blumenkästen von den umliegenden Balkonen, die krachend auf der Erde zerschellen. Unser Dachzelt hält mit flatternden Seitenwänden bis zum Morgen durch. Doch eine weitere stürmische Regennacht wie diese, wird es vielleicht nicht überleben.