Happy!

Who else?

Es war eine der großen Herausforderungen und ein andauerndes Thema: Wer bloß sollte Virgil Abloh als Men’s Designer bei Louis Vuitton folgen? Zu groß war der Schock über den plötzlichen Tod des Designers im November 2021 gewesen, kratertief auch die vielen Fußstapfen, die er hinterließ. Ungewöhnlich lang für die schnelllebige Szene war die würdige Trauerzeit beim weltgrößten Luxusplayer. Aber der langjährige CEO Michael Burke, der im Januar den Führungsstab an Pietro Beccari abgegeben hatte, war eben nicht nur Arbeitgeber und Entdecker von Abloh, sondern auch Mentor, Vaterfigur. Einfach zur Tagesordnung übergehen, das war nicht sein Stil.  Zudem gab es keine Eile, so groß war der Fundus an Ideen und Entwürfen, die der Amerikaner hinterlassen hatte, zu gut auch sein Team in der Umsetzung. Gleichwohl war klar: Zu den Männerschauen im Juni würde ein Nachfolger benannt.

Und nun ging es plötzlich ganz schnell. Typisch für Beccari, der seit 1. Februar Chef im Hause ist und zuvor Dior auf Mega-Erfolgskurs getrimmt hat. In seiner ersten offiziellen Amtshandlung verkündete er die Personalie Pharrell Williams. Tata! Viele Namen wurden gemunkelt in den vergangenen Monaten, der Sänger und Unternehmer war nie dabei und man fragt sich: wieso eigentlich nicht? Die Wahl ist perfekt.

Bei den Schauen im Januar gab der New Yorker Designer Colm Dillane ein Gastspiel in Paris, sein eigenes Label heißt Kid Super und so ähnlich war auch das Setting (groß, ein ganzes Haus voller Kinderzimmer) und Looks ( „Ich will Spaß…“).

 

Louis Vuitton, Paris Fashion Week on January 19, 2023

Doch Pharrell Williams ist ein ganz anderes Kaliber. Man verortete ihn wegen der engen Freundschaft zu dem verstorbenen Karl Lagerfeld eine Weile vor allem bei Chanel, abgesehen von seinen zahlreichen eigenen Projekten. Noch im Dezember erzählte er bei der Métiers d’Art Show von Chanel in Dakar von ihren Gesprächen, auch mal etwas im Senegal zu machen und wie er sich freue, dass Lagerfelds Nachfolgerin, Virginie Viard, den Ball weitergespielt habe. „Denn dann starb mein Bruder Karl, die Pandemie schlug zu. Doch Virginie sagte nicht nur ja dazu, dass dies stattfinden sollte, sie machte es wahr. Sie tauchte tief in die Kultur des Landes ein, traf die Menschen, verstand die große Kultur und Geschichte. Es war eine große Sache für mich, als Afroamerikaner.“ Er war sichtlich bewegt.

Aber auch bei Louis Vuitton ist er längst Freund des Hauses, 2004 und 2008 gab es erfolgreiche Kooperationen. Und so spricht Beccari davon, wie „froh ich bin, Pharrell wieder zu Hause willkommen zu heißen.“ Man spürt förmlich die Erleichterung.

Denn der 45-Jährige ist gewissermaßen ein gestandenes Entertainment-Genie. Als Musiker und Musikproduzent hat er mit allen Stars gearbeitet. Zahllose Grammys und Auszeichnungen gewonnen, steht als Filmemacher auf der A-List, hat in der Songwriter Hall of Fame einen Platz, ist als Philanthrop vorbildlich in Sachen Verständigung zwischen schwarzen und Latino Unternehmern.  Für die Gerechtigkeit und Sache der Schwarzen überhaupt („Ich spreche nicht von Sklaven, sondern von Menschen, die versklavt wurden“ sagte er in Dakar). Er ist unter anderem beteiligt am „The Goodtime Hotel“ in Miami und gründete 2020 „Humanrace“, eine Firma, die Wellbeing Produkte herstellt. Als Virgil Abloh und sein Kumpel Kanye West noch in den Startblöcken standen, hatte Pharrell bereits mit dem japanischen Streetart-Künstler Nigo die Marke mit den herrlich ironischen Namen „Billionaire Boys Club“ und „Ice Cream“ gegründet.

Es wird Leute geben, die sagen, er sei kein Modedesigner. War Abloh, der Architekt und Industriedesigner auch nicht. Eine klassische Ausbildung am Central St. Martins College ist sicher auch nicht die Jobbeschreibung für den Kreativchef bei den Louis-Vuitton-Männern. Es braucht vielmehr einen kreativen Tausendsassa, mit Gespür für Entertainment, Exzentrik und Popkultur. Man muss nicht erst sein Buch „Places and Spaces I‘ve been“ lesen, um zu verstehen, welchen Scoop Louis Vuitton da gelandet hat. Wir bei ICON sind jedenfalls schon mal „Happy“.

Text
Inga Griese