Der Essensenthusiast
Paik Jong-won ist ein Allroundtalent. Seine Begeisterung für die koreanische Küche vermittelt er in allen erdenklichen Formaten. Alles aus Liebe zum Essen, nicht zum Kochen.
Der Essensenthusiast
Paik Jong-won ist ein Allroundtalent. Seine Begeisterung für die koreanische Küche vermittelt er in allen erdenklichen Formaten. Alles aus Liebe zum Essen, nicht zum Kochen.
Er stammt aus der gesellschaftlichen Oberschicht und ist einer der kulinarischen Superstars Koreas. Überraschender Weise sieht man ihm beides nicht an. Und das ist durchaus ein Kompliment. Sein Büro: Bescheiden und unauffällig. Sein Look: schwarze Jeans, weißes T-Shirt. Für Jeong-Won Paik ist alles Nebensache – außer das genussvolle Essen. In Korea hat er drum herum ein Imperium aufgebaut, mit Restaurants, Fernseh- und YouTube-Formaten, Kochbüchern und Cafés. Auch im Gespräch wird deutlich, dass der Mann auf einer Mission ist.
Herr Paik, Sie möchten nicht als Chefkoch bezeichnet werden. Warum?
Weil es respektlos gegenüber allen gelernten Köchen wäre. Natürlich könnte man mich als Chefkoch bezeichne, weil ich Fernsehsendungen und Unternehmen leite, die mit Kochen zu tun haben. Allerdings ist das Kochen für mich eher ein Mittel, um meine Ziele zu erreichen.
Sie haben auch mehrere Kochbücher veröffentlicht, und Sie lehren uns auf YouTube und anderen Programmen über das Essen.
Der Titel Kochlehrer gefällt mit, weil ich gerne gut esse und das vermittle. Auch Essensenthusiast oder Essensabenteurer gefällt mir. Der Grund, warum ich in die Franchise-Branche eingestiegen bin, ist meine Liebe zum Essen, nicht zum Kochen.
Wie weit geht diese Liebe?
Ich habe angefangen zu kochen, um meinen Durst nach Essen zu stillen. Meine Leidenschaft für Essen ist so stark, dass wenn ich im Fernsehen köstliche Speisen sehe oder mich an etwas erinnere, dass ich irgendwo probiert habe, ich es sofort selbst zubereiten muss.
Seit wann haben Sie Ihr besonderes Interesse an Lebensmitteln entdeckt, und wie hat es sich entwickelt?
Das habe ich schon in der ersten Klasse der Grundschule gemerkt. Meine Familie, insbesondere mein Vater, hatte großen Einfluss auf meine Liebe zum Essen. Er war ebenfalls ein Essensliebhaber. Er hat immer Ausflüge für die Familie organisiert, um die lokale Küche kennenzulernen. Wenn wir an den Strand gefahren sind, sind wir nie geschwommen. Stattdessen kauften wir frische Meeresfrüchte auf dem Markt und setzten uns gemeinsam an einen Tisch. Als ich jung war, dachte ich, das sei ein normaler Familienausflug. Ich brauchte einige Zeit, um herauszufinden, dass das nicht normal war.
„Wir Koreaner träumen alle davon, die koreanische Küche in der Welt bekannter zu machen.“
Gingen Sie als Kind auch in Restaurants?
Vor ein paar Jahrzehnten gab es an der Küste noch nicht so viele Restaurants wie heute. Normalerweise war es unsere Mutter, die immer für uns kochte. Deshalb hatten wir auf Reisen jede Menge Küchenutensilien dabei. Auch, wenn wir in die Berge gereist sind, sind wir nie gewandert. Wir haben uns die Berge eine Weile angeschaut und dann das beste Essen in der Nähe der Berge gegessen.
Was stand dann auf dem Tisch?
Alle erdenklichen Gerichte. Mein Vater war ziemlich pingelig, was die Zusammenstellung der Menüs anging. Wie ein Maler, der die Komposition innerhalb eines Rahmens betrachtet, hatte er eine bestimmte Vorstellung im Kopf, wenn er den Tisch betrachtete. Bei den meisten koreanischen Familien gibt es nicht gleichzeitig Jjigae (traditioneller koreanischer Eintopf) und eine andere Suppe. In unserer Familie gab es jedoch immer eine Suppe und zwei Varianten von Eintopf zu jeder Mahlzeit. Natürlich gab es auch gekochten Fisch und viele andere Beilagen. Das hat meine Sichtweise auf das Essen stark beeinflusst, wobei ich gelernt habe, dass es nicht nur gut schmecken sollte, sondern dass es auch auf den Rahmen des Menüs ankommt. Heute, wenn ich unterwegs bin, habe ich die Rolle meines Vaters übernommen. Ich sage Sachen wie: ‚Weil es heute regnet, sollten wir dies oder das essen‘. Schon früh wusste ich, dass der Wert von Lebensmitteln immer mit etwas anderem zusammenhängt – einer Situation, dem Wetter, der geografischen Umgebung oder der Stimmung des Tages. Das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin: jemand, der sich intensiv mit Lebensmitteln beschäftigt.
Ich finde es interessant, dass in Korea jeder Anlass mit Essen verbunden ist. Das Wetter ist nur ein Aspekt. Sogar bei der Entlassung aus dem Gefängnis muss es Tofu geben.
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass unsere Kultur die Familie in den Vordergrund stellt. Jeder, der Wert auf Familie und Regionalität legt, entwickelt eine eigene Esskultur. China und die Türkei zum Beispiel sind dafür bekannt, dass sie Familie und Freunde sehr schätzen. Frankreich und Italien sind in Europa ähnlich. In diesen Ländern wird großer Wert auf Familientreffen gelegt, und wenn sie zusammenkommen, ist das Essen in der Regel das einfachste und angenehmste Thema, über das man reden kann.
Wenn jemand Korea zum ersten Mal besucht, welches Gericht würden Sie ihm gerne vorstellen?
Bevor ich Ausländern vorschlage, ein bestimmtes Menü zu probieren, würde ich sie bitten, traditionelle fermentierte Soßen zu probieren, darunter Sojabohnenpaste, rote Paprikapaste, Sojasoße und eine Kombination mit Knoblauch. Und Öl spielt in der koreanischen Küche eine große Rolle. Während es in Europa Olivenöl gibt, haben wir in Korea Perillaöl aus den Samen der Schwarznessel und Sesamöl.
Es gibt ein Sprichwort: ‚Butter in Frankreich und Sesamöl in Korea.‘ Beides gibt einen Kick, der alles köstlich macht.
Sesamöl in Sojasoße, Sesamöl in roter Paprikapaste, Sesamöl in Sojabohnenpaste. Es passt gut zu jeder Art von fermentierter Paste.
Was ist Ihr koreanisches Lieblingsessen?
Das ist eine schwierige Frage. Das ist wie: ‚Magst du deine Mutter oder deinen Vater lieber?‘ Ich mag die meisten Lebensmittel, aber wenn es um die Zutaten geht, esse ich lieber Fleisch. Deshalb hat das deutsche Essen meinen Geschmack so gut getroffen. Die Deutschen essen sehr viel Fleisch, genau wie ich es mag.
Sie sagen: ‚Beim Frühstück denke ich an das Mittagessen. Während des Mittagessens denke ich an das Abendessen.‘ Warum denkt man bei einem Essen bereits an das nächste?
Am glücklichsten bin ich, wenn ich etwas essen kann, das ich im Voraus geplant habe. Wenn ich schon beim Frühstück entscheide, was ich zum Mittag- und Abendessen koche, bringt das Freude und Zufriedenheit zugleich. Es fühlt sich an wie ein Lottogewinn.
Sie haben einen Abschluss an einer der besten Universitäten in Korea gemacht. Hat Ihre Familie nicht versucht, Sie davon abzuhalten, nach Ihrem Abschluss ins Franchise-Geschäft einzusteigen?
Sie waren strikt dagegen. Unsere Familie betreibt seit der Generation meiner Großeltern eine Schulstiftung. Ich war immer ein guter Schüler, der von den Lehrern bevorzugt wurde, und habe an der Universität Sozialwesen studiert, um das Familienunternehmen zu übernehmen. Ich diente sogar als Offizier beim Militär. Meine Familie dachte also, dass der Erbe bald bereit sein würde, aber plötzlich gab der bekannt, dass er ein Restaurant eröffnet hatte. Das muss sich für meine Großeltern wie eine Katastrophe angehört haben.
Wie kam es dazu?
Ich glaube, dass es auf irgendeine Weise vorbestimmt war. Alles begann, als ich beim Militär war und zum Offizier ausgebildet wurde. Offiziere mussten ihre Verpflegung und deren Zubereitung von ihrem Gehalt bezahlen. Aber die Person, die das Restaurant der Führungskräfte betrieb, war keine Fachkraft. Vielmehr wurde er aufgrund der Position, die er vom Militär erhalten hatte, dazu gezwungen zu kochen. Deshalb habe ich mich bei jedem Essen geärgert: Warum kochen sie jeden Tag genau dasselbe mit all diesen Zutaten? Selbst am Morgen, wenn nur wenige Leute da waren, gab es nur Eiersuppe. Aber ich mag Spiegeleier. Ich mag fettiges Essen. Jedenfalls beschwerte ich mich während der Dienstbesprechungen immer wieder bei dem Mann, der für das Frühstück zuständig war und das hat ihn wirklich verärgert. Er war Soldat, aber es war ihm peinlich, zu kochen. Das Konzept, dass Männer kochen, hat sich in unserem Land erst kürzlich geändert. So stritten wir uns und kamen zu einem Kompromiss: Wir tauschten unsere Positionen. Eigentlich war das nicht erlaubt, aber der Kommandeur unserer Einheit gab uns heimlich die Erlaubnis. So fing ich an, das Restaurant der Einheit zu leiten, und es machte mir großen Spaß. Bevor ich die Stelle wechselte, hatte ich das Gefühl, jede Sekunde aushalten zu müssen, denn ich hatte noch ein Jahr Dienstzeit vor mir, aber nachdem ich das Restaurant leitete, verlor ich jegliches Zeitgefühl. Seitdem habe ich nie wieder einen Tag freigenommen.
Was gab es bei Ihnen?
Nun, ich hatte 300 Personen zum Frühstück, Mittag- und Abendessen zu bekochen. Beim Militär kochen sie normalerweise alles in einem Topf, egal was. Das änderte ich zuerst. Ich fand heraus, wer von meinen Kameraden schon in einem Restaurant gearbeitet hatte. Diese Männer habe ich zusammengebracht und ihnen dann eine Hausaufgabe gegeben. ‚Rufen Sie den Koch an, bei dem Sie vorher gearbeitet haben, und fragen Sie nach seinen Rezepten. Wenn ihr das gut hinbekommt, gebe ich euch einen Extraurlaub.‘ Da waren sie sehr motiviert. Und so schickten uns die Köche ihre Rezepte mit all den versteckten Tricks und Kniffen.
Ihre Verpflegung muss sehr beliebt gewesen sein.
Stellen Sie sich vor, Sie essen jeden Tag eine Suppe mit gekochtem Fleisch, und plötzlich haben Sie die Möglichkeit, eine Vielzahl von Gerichten aus verschiedenen Küchen zu genießen. Ich wurde sehr dafür gelobt, dass ich die Freude am Essen ins Leben zurückgebracht habe und natürlich war ich beliebt. Einige hochrangige Beamte beschimpften mich weiterhin, ich habe meine Würde weggeworfen. Ironischerweise genossen sie das Essen sehr. Also fragte ich sie: ‚Soll ich aufhören?‘ Und da hieß es plötzlich: ‚Nein, nicht‘.
Wie spiegelt sich der Enthusiasmus der Anfangszeit in Ihrer heutigen Arbeit?
Es hat sich nichts verändert. Ich fühle immer noch dasselbe. Und ich bekomme das Gefühl gespiegelt. Leute kommen vorbei und sagen: ‚Dank Dir isst meine Mutter gerne’, oder ‚dank dir konnten wir Essen aus Übersee probieren’. Einen YouTube-Kanal zu betreiben, ist finanziell wenig lohnenswert, aber die Kommentare der Leute geben mir Kraft, weiterzumachen. Am Anfang ging es darum, in ‚Mein kleines Fernsehen‘ Spaß zu haben, oder in ‚Hauskoch Meister Paik‘ hilfreiche Tipps für Rezepte zu geben. Die Zutaten aus der Sendung waren in den Supermärkten ausverkauft. Danach startete ich eine Sendung, die sich auf die Vorstellung von Restaurants spezialisierte.
War das „Baek Jong-wons Alley Restaurant“?
Mit „Baek Jong-won‘s Alley Restaurant“ wollte ich die Leute auf Restaurants abseits der großen Städte aufmerksam machen. Aber das ultimative Ziel war, dass die Verbraucher lernen, sich den Restaurantbesitzern gegenüber anständig zu verhalten. Sie sollen begreifen, wie schwer es ist, ein Restaurant zu führen.
Wir waren heute Morgen in Paiks Café am Bahnhof Sinsa und haben dort gefrühstückt. Der Brotpreis in Korea ist der teuerste der Welt. Genf steht an zweiter Stelle und koreanisches Brot ist doppelt so teuer wie das Genfer. In ihrem Café war das Brot und der Kaffee günstiger. Gut schmeckte er auch.
Wenn man Brot zu einem so niedrigeren Preis verkauft, kann man mehr Umsatz machen. Aber in Korea ist Brot kein Grundnahrungsmittel, also muss es teurer sein als in europäischen Ländern.
Auch die Zutaten dafür sind in Korea teurer.
Das ist richtig. Es wäre schön, wenn sich das ändert. Wenn man vier Euro für Reis und Eintopf bezahlt, sollte man für drei Euro auch eine Tasse Kaffee und ein einfaches Brot bekommt.
Was müssen wir in Deutschland über Soju und Makgeolli wissen?
Der ursprüngliche koreanische Soju war ganz anders als der Soju, den wir heute trinken. Der wird mit Wasser verdünnt und mit Süßungsmitteln versetzt. Das entspricht nicht der traditionellen Art der Soju-Herstellung, hat sich aber leider auf dem Markt durchgesetzt. Aber das eigentliche traditionelle Getränk ist Makgeolli, der traditionell in kleinen Mengen in Privathaushalten hergestellt wurde. Glücklicherweise wird die traditionelle Trinkkultur aber inzwischen wieder gepflegt. Bei der Herstellung von Reiswein wird er zunächst in einem großen Gefäß gedämpft, und man muss die Flüssigkeit langsam mit Hefe umrühren, nach einem Tag erneut umrühren und am nächsten Tag wieder umrühren. Es ist eine sich wiederholende Arbeit, die tägliche Anstrengung erfordert. Es dauert 15 bis 30 Tage, bis er fertig ist.
Welches Potential sehen Sie in diesem Getränk?
Ich habe einen italienischen Koch aus unserer Sendung gebeten, Makgeolli mit italienischer Bierhefe zu machen, wenn er wieder nach Italien fährt. Er hat es ausprobiert, und sein Makgeolli ist hervorragend geworden. Wir Koreaner träumen alle davon, die koreanische Küche in der Welt bekannter zu machen.
Ich denke, der Verbreitungsprozess hat bereits begonnen. Bei Ihren Sendungen werden einem auch immer Zutaten angezeigt, die man anderswo auf der Welt kaufen kann.
Einer der Gründe, warum ich so hart an YouTube arbeite, ist, dass ich möchte, dass sowohl Ausländer als auch Koreaner, die im Ausland leben, koreanische Essenskultur auch außerhalb Koreas verfolgen können.
Sie haben viele Länder auf der ganzen Welt besucht und verschiedene Esskulturen kennen gelernt. Welches Essen aus welchem Land ist Ihnen am besten in Erinnerung geblieben?
Ich bin ein großer Fan der türkischen Küche, ich war sogar in den Flitterwochen in der Türkei. Ich habe meine Frau überredet und geriet in Schwierigkeiten, weil ich nur Streetfood essen wollte. Am letzten Tag gingen wir schließlich in ein schickes Restaurant mit luxuriöser Atmosphäre.
Sind Ihre Kinder auch so vom Essen besessen?
Sie sind sehr wählerisch. Wir müssen für alle drei verschiedene Gerichte zum Frühstück zubereiten. Eines mag Omurice, ein anderes mag Suppe. Und der Andere isst zum Frühstück gerne Toast. Selbst beim Toast mag der eine Schinken und Käse, der andere mag ihn ohne Käse.
Wie sehen Sie die Zukunft des Tourismus in Korea?
Ich denke, dass die koreanische Restaurantbranche weiter entwickelt werden muss, denn letztendlich wird der Tourismus der entscheidende Wendepunkt für Korea sein. Wir haben viele touristische Attraktionen und vier verschiedene Jahreszeiten. Es gibt den Strand und die Berge. Ich fände es auch schön, wenn die traditionellen Frühstücksrestaurants wiederbelebt würden. Menschen, die mit Leidenschaft in dieses Geschäft eingestiegen sind, werden das tun. Deshalb sollten Leute, die ihren Beruf lieben, ein kleines Restaurant gründen und es selbst betreiben. Dann kommen die Gäste von allein.
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