Pionierarbeit

GRÜNE KRAFT VORAUS

Der Boden macht den Unterschied. „Unberührt“ sei er, sagt Lim Soo-Bok, unbeschädigt durch Pestizide oder chemische Dünger, die ihn seiner Nährstoffe berauben und die darin enthaltenen Mikroorganismen zerstören. Auf über 660.000 Quadratmeter Fläche erstreckt sich der Boden, auf dem Lim Soo-Bok im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb Perilla-Pflanzen anbaut. Das in Asien weitverbreitete Gewürzkraut, das in Korea regelmäßig auf dem Esstisch steht, wächst in Form von kleinen runden Büschen auf einem Berg in Hadong am südöstlichen Zipfel von Südkorea. Wie Igel stehen sie da eng beieinander, brüten einen Wirkstoff aus, der Krankheiten heilen und schön machen soll.

Das erzählt zumindest Lim Soo-Bok, ein 75-jähriger Unternehmer aus Busan, der ursprünglich mit der Produktion von Stahlrohren reich geworden ist. Die Farm in Hadong gehört ihm, und sie liefert die wichtigste Zutat für sein neuestes Projekt: Imro, eine kleine, feine Naturkosmetikmarke, die auf die Kraft des Öls setzt, das aus den Samen der Perilla-Pflanze gewonnen wird. Lim selbst schluckt fünf Perilla-Kapseln am Tag (und bringt sie als Begrüßungsgeschenk zum Interview mit) und produziert schon seit Jahren Cremes und Öle für die Hautpflege. Doch erst die Begegnung mit einem deutschen Kosmetik-Experten trieb ihn an, die Linie strategisch weiterzuentwickeln, hin zu einem modernen Beauty-Label, das die Wirkungskraft einer traditionellen asiatischen Superpflanze international etablieren soll.

Lim Soo-Bok

Ralph Gusko

Ralph Gusko reichte ein Besuch auf der Perilla-Farm in Hadong, um sich von Lims Vision überzeugen zu lassen. Gusko war über 30 Jahre für den Beiersdorf-Konzern tätig, davon acht Jahre als Marken- und Forschungsvorstand für Nivea, und er hat über Jahre in asiatischen Ländern gelebt, von Südkorea über Thailand bis China. Er und Lim lernten sich über die deutsche Honorarkonsulin in Südkorea Chin-Sung Dury Chung in Busan kennen. „Ich habe ihn vor Ort in Hadong besucht und war sofort begeistert von seiner Lebensgeschichte, seiner Pioniertätigkeit für organischen Anbau in Korea sowie seine Leidenschaft für das Omega-3 aus der Perilla-Pflanze“, sagt Gusko, der heute als Investor mehrere Start-ups unterstützt. Auch seine Frau, die Ärztin Yong-Seun Chang-Gusko, ist als Beraterin bei der Entwicklung von Imro involviert.

Die Marke sollte nicht als launiges Hobby eines gelangweilten Managers abgetan werden. Südkorea ist einer der am meisten umkämpften Kosmetikmärkte der Welt, die aufwendige koreanische Beauty-Routine, die schon mal sieben verschiedene Produkte umfassen kann, ist inzwischen weltberühmt. Mit dem Fokus auf Bio-Perilla will Lim Soo-Bok jedoch seine eigene Nische finden. Lim gilt als einer der Bio-Pioniere Südkoreas, einer der Ersten, der in seiner Heimat auf die Bedeutung und Vorteile biologischer Landwirtschaft aufmerksam gemacht hat. Seit Jahrzehnten führt er diverse Bio-Höfe, er hat das erste organische Düngemittel seines Landes entwickelt und wurde deswegen von der südkoreanischen Regierung mit mehreren Auszeichnungen geehrt. Dass ihm die Thematik so viel bedeutet, hat mit seiner persönlichen Geschichte zu tun. Lim war als Soldat im Vietnamkrieg im Einsatz und erkrankte 2004 an Lungenkrebs. „Die Krankheit war eine Spätfolge meines Kontakts mit ‚Agent Orange‘“, sagt er. Das Herbizid, das die amerikanischen Streitkräfte während des Krieges über Vietnam und Laos sprühten, hätte ihn fast das Leben gekostet. Dass es nicht so kam, verdankt er seiner Erfahrung nach der Alternativmedizin. Eine erste Operation nach der Diagnose ließ er über sich ergehen, doch der Chemotherapie verweigerte er sich. „Ich hatte während des Krieges im Lazarett gesehen, was die Bestrahlung mit den Soldaten angestellt hat, dass manche sogar daran gestorben sind. Ich wollte das nicht“, sagt er. Im Austausch mit japanischen Alternativmedizinern arbeitete er eine Behandlung aus, die auf einer pflanzenbasierten Ernährung mit biologisch angebauten Lebensmitteln aufbaute sowie die Einnahme von, man ahnt es, Perilla, die in ostasiatischen Ländern seit über 1000 Jahren als Heilpflanze eingesetzt wird und deren Wirkung in Japan offiziell als medizinischer Wirkstoff anerkannt ist.

Auf der Perilla-Farm in Hadong, wo die Samen der Pflanze per Hand geerntet werden

Lim besiegte den Krebs, widmete einen Teil seines Lebens dem Aufbau und der Forschung über Bio-Landwirtschaft und heute wirbt er mit Leidenschaft für die Samen der Perilla-Pflanze. Das tut nun auch Ralph Gusko, der in Imro investiert und mit seiner Frau in den vergangenen zwei Jahren an dem Relaunch gearbeitet hat. „Perilla-Samenkernöl hat mit 65 Prozent einen der höchsten Omega-3-Anteile der botanischen Welt und ist ein hochattraktiver Wirkstoff, der die Hautbarriere repariert und nachhaltig verstärkt“, sagt er. Produkte mit dem Öl wirken wie ein natürlicher Sonnenschutz, sie wirken feuchtigkeitsspendend und antioxidativ. Lim hat zudem mit der Universität von Busan eine patentierte Technologie entwickelt, durch die die Samen kalt gepresst und das Öl viermal gefiltert wird, sodass keinerlei Rückstände oder Unreinheiten zurückbleiben. Das pure Öl bildet die Basis für eine Serie aus fünf Produkten: einem Reinigungsöl, einer Creme, einem Gesichtsöl, einer Seife und einem Gesichtswasser. Im Sommer soll die Serie in einem eigenen Onlineshop lanciert werden, auch im Ausland. Die puristisch anmutenden Produkte werden in einem Bojagi verpackt, einem typisch koreanischen, wiederverwendbaren Geschenktuch, das so seetanggrün ist wie die Hügel von Hadong.

Text
Silvia Ihring
Fotos
Si-Young Song