Frisch

Bunt ist die Hoffnung

Der britische Designer Yinka Ilori schafft unübersehbare Werke. Sie wirken anregend und motivierend. Über den Mann mit Strahlkraft. 

Yinka Ilori glaubt an die Liebe. An Teamwork, die Familie, harte Arbeit und an die nachbarschaftliche Gemeinschaft. Das jedenfalls ist die Essenz aus seinem kürzlich gegebenen Interview mit den Londoner Musik- und Mediaproduzenten Emmanuel Lawal und Ashton Gohil von Audiocomingsoon (ACS). Wie sieht die Liebe aus? Nun, man könnte sie sich gut wie die Arbeiten vorstellen, mit denen der 34-Jährige seine Heimatstadt London seit einiger Zeit überzieht:

 Bunt, euphorisch und alles andere überstrahlend.

Es ist Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruht. Jedenfalls, wenn man Instagram als emotionalen Gradmesser zugrunde legt, wo Iloris omnipräsente Werke in der Stadt zu den fast schon obsessiv fotografierten Motiven gehören. Zur Design Week verwandelte er beispielsweise 18 Zebrastreifen in signalbunte Übergänge: „Die Leute stellen sich im laufenden Verkehr mitten auf die Straße, um ein Foto zu machen“, erzählt er über seinen Erfolg mit einer Mischung aus Stolz und Verwunderung.

Zur Einweihung der Straßenbemalung an der Tottenham Court Road schaute sogar Londons Bürgermeister Sadiq Khan vorbei. Zu zweit liefen sie darüber, und man kam nicht umhin, an eine zeitgenössische Variante des legendären Beatles-Plattencovers „Abbey Road“ zu denken: Der Politiker britisch-pakistanischer Abstammung und islamischen Glaubens sowie der Designer und Sohn nigerianischer Einwanderer – beide auf ihre Art Gestalter der Gegenwart. Mehr Symbolkraft geht kaum. Allerdings liegt dieser Art von bewusster oder unbewusster Symbolpolitik bei Ilori ein schon jetzt recht fundamentales Werk zugrunde.

Bunter Zebrastreifen in Tottenham

„Ich bin ziemlich gierig“, sagt er, „ich möchte andauernd kreieren.“

Sein erstes Projekt startete er 2008, als er noch Student für Produkt- und Möbeldesign an der Londoner Metropolitan-Universität war. Inspiriert vom ebenfalls in der britischen Hauptstadt lebenden Südtiroler Designer Martino Gamper, der mit seinem Projekt „100 chairs in 100 days“ weggeworfene Stühle von der Straße aufsammelte, um sie zu hochwertigen Designobjekten umzuarbeiten, machte Ilori sich ebenfalls daran, Stühlen nach seinen Vorstellungen ein Upcycling zu verpassen. Es gipfelte in der Ausstellung „If chairs could talk“ (wenn Stühle sprechen könnten), die 2015 in Designkreisen für Aufmerksamkeit sorgte. Iloris Stühle nehmen sein markantes Gespür für Farbe bereits vorweg, und wenn sie sprechen könnten, würden sie die Geschichte seiner familiären Wurzeln erzählen.

Die verwendeten Stoffe stammten aus Nigeria, Muster und Farbkombinationen orientierten sich ebenfalls an der traditionellen Ästhetik des westafrikanischen Landes. Jeder Stuhl verwies zudem auf eine Parabel. Dass Ilori sich als „Geschichtenerzähler“ versteht, betont er stets aufs Neue. Seine Herkunft ist bis heute maßgeblich für seine Arbeit. Aufgewachsen im nördlichen Stadtteil Islington, ist seine Geschichte die vieler Kinder aus Einwandererfamilien. „Gottesfürchtig und hart arbeitend“ seien die Eltern, erzählt der Sohn. Aufgewachsen sei er auf beengtem Raum, in „einer Etagenbett-Situation“ mit seiner Schwester. Der unbedingte Wille zum Aufstieg in einem System, das Familien wie seine nicht immer mit offenen Armen willkommen heißt, war für seine Eltern das Ziel, das sie für ihre Kinder vor Augen hatten. Ingenieur, Arzt oder Anwalt waren die Berufe, die ihnen dabei vorschwebten. Es sollte anders kommen, aber der Sohn nahm seine künstlerische Karriere mit derselben Disziplin in Angriff, wie andere sich in ein Jurastudium stürzen. Inzwischen sind sein Stil und die Art und Weise, wie er Farben und geometrische Muster zusammenspielen lässt, zum Markenzeichen geworden – unverkennbar und begehrt. Dabei nimmt er alles mit: Kunst im öffentlichen Raum, wie die Wandbemalungen mit hoffnungsvollen Botschaften zu Corona-Hochzeiten („Better days are coming, I promise“/ Bessere Tage werden kommen, ich verspreche es), architektonische Projekte wie die Fassadengestaltung des Dulwich Pavilion im Jahr 2019 oder seit vergangenem Jahr den Launch einer eigenen Homewear-Kollektion mit Kissen, Tassen und demnächst auch Accessoires wie Portemonnaies.

Und immer wieder widmet er sich Projekten, die sich an Jugendliche richten, wie die Gestaltung eines Basketballplatzes an der Canary Wharf oder eines Skaterparks in der Nähe von Lille. Und keine Frage: Der Mann weiß auch, die britische Coolness-Karte zu spielen wie bei der Bühnengestaltung der Brit Awards oder bei der Fashion Week. Kunst im öffentlichen Raum sei ein Gamechanger für viele Jugendliche in weniger privilegierten Bezirken, sagt er. Sie rege an, selbst aktiv zu werden.

Am liebsten würde er auch als Sozialarbeiter arbeiten und junge Künstler für derlei Projekte entdecken und fördern.

Er habe deshalb schon mehrmals bei den örtlichen Behörden angerufen, aber bisher keine Rückmeldung erhalten. Es wird Zeit, dass dort mal jemand den Hörer in die Hand nimmt. Die Welt kann definitiv mehr Optimismus und Farbe vertragen.

Text
Heike Blümner