Maison Mirabeau

Rosige Aussichten

Ein Sandweg führt von Weinstöcken gesäumt hinauf zu einem apricotfarbenen Chateau aus napoleonischer Zeit. Das satte Schließen der Autotür ist das letzte laute Geräusch, bevor Vogelgezwitscher, Zikaden und das Summen der Hummeln im Lavendel übernehmen. Ein paar Schritte entfernt glitzert ein Pool türkisblau. Es ist die Provence von ihrer schönsten Seite und wohl das, was man unter der Erfüllung eines Traums verstehen darf. Mitten im Naturschutzgebiet, nördlich des Golfs von St. Tropez, liegt die Domaine Mirabeau. Im Haus selbst wartet Co-Gründerin Jeany Cronk. Heute allein, ihr Mann und Geschäftspartner Stephen ist beruflich auf Reisen. Die zierliche Frau mit den großen braunen Augen strahlt Wärme und Freundlichkeit aus. Interessanterweise lässt sich dies auch über das Ambiente des Hauses sagen, dessen Einrichtung sie seit dem Kauf vor zwei Jahren peu à peu zusammentrug, um es für Urlaubsgäste zu öffnen. Creme- und Sandtöne dominieren die Farbpalette von Leinenvorhängen, Kissen und den bauschigen Sofas auf Holzfüßen vor dem Kamin. Die Gründerin weiß:

 Was am Ende wie ein hübsch verpackter Glücksfall wirkt, ist das Ziel eines arbeitsreichen Wegs.

Im Falle der Münchnerin führte der zunächst nach London, wo sie ihren Ehemann Stephen kennenlernte. Gemeinsam wollte man sich mit einem Weingut in der Provence einen Traum erfüllen. Eine Entscheidung, die nun zwölf Jahre zurückliegt, aber besonders seit den vergangenen zwei Jahren auf ein wachsendes Verständnis trifft. Tauschen doch – Mobil-Office sei Dank – immer mehr Städter lärmende Betonwüste gegen ein Refugium in der Natur. Doch hier wird auch der Unterschied klar: Die beiden Auswanderer nahmen ihre Jobs nicht mit, sie fingen ein komplett neues Leben an. In der Nachbarschaft von bekannten Namen wie Domaine Ott, Whispering Angel und Château de Miraval, dem Weingut von Angelina Jolie und Brad Pitt aus glücklichen Zeiten, sollte ein Roséwein einstehen, der sich hinter jenen Vorbildern nicht würde verstecken müssen. Die Provence gilt allgemein als die Geburtsstätte des Rosés. Wer wissen will, wie man ein überzeugendes Produkt keltert, schaut nach Südfrankreich.

 

Umso ehrgeiziger schien das Projekt der Neu-Winzer, wenn man bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich Stephen Cronk Erfahrungen in der Branche mit einem eigenen Weinhandel in London gesammelt hatte. Jeany Cronk hatte im Marketing gearbeitet, bevor sie sich ihrer eigentlichen Leidenschaft, dem Interior Design, widmete. Was erst einmal nicht wie das geeignete Rüstzeug für den Start als Weinmacher wirkt, sollte später für den Aufbau der Marke Mirabeau zu einem weltweit geschätzten Produkt entscheidend werden. Aber der Reihe nach.

Das Paar zog frohen Mutes mit den drei Kindern Josephine, Felix und George nach Cotignac, wo die Einwohnerzahl übersichtlich, doch die hiesige Schule zu den besten der Region zählt, um sich von dort auf die Suche nach einem geeigneten Weingut zu machen. Es vergingen anderthalb Jahre, bis man fündig wurde. Die Wein-Gemeinschaft ist eine eingeschworene, Neulinge werden kritisch beäugt, nicht selten als Spinner abgetan und mit festen Zusagen, die traditionell per Handschlag besiegelt werden, ist man zurückhaltend. Da wundert es auch nicht, dass sich die Familie kurz vor Unterschrift eines Kaufvertrags für ein Objekt wähnte, bis ein Nachbar sein Missfallen äußerte und der Deal platzte.

 

Jeany und Stephen Cronk mit ihren Kindern Josephine, Felix und George

 „Man muss durch gewisse Erfahrungen einfach durch – Rückschläge sind nur Lernübungen“, sagt Jeany Cronk heute. 

Vor zwei Jahren und rund 40 Besichtigungstermine später fand man endlich, einige Kilometer vom Städtchen La Garde-Freinet entfernt, das geeignete Weingut – die Geburtsstätte der Domaine Mirabeau. Inzwischen umfasst das Sortiment neun Roséweine, die sich an verschiedene Anlässe und Preisklassen richten. Größter Abnehmer ist England. Deutschland beginne gerade erst, Rosé für sich zu entdecken. Gründe, die Zurückhaltung über Bord zu werfen, liefert die Maison Mirabeau inzwischen mit mehreren Auszeichnungen.

Head of Security Oscar bewacht die Domaine Mirabeau

Die Cronks hatten früh verstanden, dass sie die eigenen Wissenslücken mit geeignetem Personal würden füllen müssen. Ebenso wichtig sind bis heute, gute Beziehungen zu den Weinbauern der Region, um auch ohne eigenes Weingut arbeiten zu können. Das Team umfasst inzwischen 32 Mitarbeiter – und Jack Russell Oscar – , die sich neben der Produktion, um Vertrieb und Marketing kümmern.

Das Korsett für einen Wein mit der Herkunftsbezeichnung Provence ist eng, für Experimente kaum Platz. Trotzdem geht man auch eigene Wege. Besonders stolz ist Jeany Cronk auf den ersten Jahrgang von „La Reserve“ mit 3000 Flaschen. Er entstand unter dem Ansatz der regenerativen Landwirtschaft. Ein Anbauweise, die sich über die kommenden Jahre auf alle Weine der Maison Mirabeau ausweiten soll. Die Erde zwischen den Reben wird dabei nicht gepflügt, sondern mit einem sogenannten Cover Crop ausgelegt, einer Zwischenfrucht, die den Boden schützt und mit Nährstoffen versorgt. „Es braucht kein Diplom, um verständlich zu machen: Wir müssen die Erde eigentlich mehr in Ruhe lassen“, sagt Jeany Cronk. Auf dem Spaziergang durch die Weinreben sprießen an einigen Stellen sogar Kartoffelpflanzen. Die beeinflussen den Geschmack des Rosés nicht, geben dafür aber weitere Nährstoffe über den Boden an den Wein ab. Verändern tut sich dadurch auch die Optik des Weinbergs, der nun der Bezeichnung Naturprodukt alle Ehre macht. „Man muss sich damit abfinden, dass der Weinberg nicht wie aus dem Ei gepellt aussieht.“ Aber wen stört das schon, wenn sich damit Bestäuber anlocken, die Natur wieder ins Gleichgewicht gebracht und das Ergebnis köstlich schmeckt?

An den Gemüsebeeten vorbei, die unter anderem mit Zucchini, Kräutern und Salat, einen großen Beitrag zum Abendessen leisten werden, lässt sich ein freundliches Grunzen vernehmen. Es gehört einem Schweine-Pärchen nebst quirligem Anhang, dessen Zahl im Gewusel unüberschaubar bleibt. Direkt nebenan warten zwei Alpakas auf ihre nächste Chance, zwischen den Reben grasen zu dürfen. Auch sie sind Teil des naturnahen Konzepts, das aus der Domaine Mirabeau mit der Zeit auch einen doch sehr Instagram-tauglichen Bauernhof machen soll.

Zurück auf der Terrasse des Chateaus geht die Sonne langsam hinter Korkeichen und Pinien unter. Gedankenspiele entstehen: Mit einem Mobile Office hier, müsste die Arbeit doch entspannt von der Hand gehen, oder? Fünf Zimmer mit eigenen Bädern könnten eventuell auch den nahen Freundeskreis für die Idee begeistern. Als Apéro wird ein Riviera Fizz gereicht. Er beinhaltet neben Zitronensaft und Soda den neusten Coup der Cronks: Rosé-Gin.

Passt prima in den Picknick-Korb: die Baby-Gin Edition

Den gibt es, neben der großen Flaschen, auch als 20 cl Baby-Gin Edition, die nach dem Leeren prima als Kerzenständer genutzt werden kann. Alternativ verbreiten sie herrlichen Provence-Duft, ab Herbst haben die Mirabeaus die Zusammenarbeit mit einer Diffusor-Brand geplant. Zwischen Zirpen und Schilpen mischt sich Gläserklingen. Und gerade als Deutschland mit einem Mal sehr fern erscheint, entsteht, worauf die Jeany und Stephen Cronk mit jeder Flasche hingearbeitet haben: Teil eines Moments zu sein, der sich in vollen Zügen genießen lässt.

 

Text
Jennifer Hinz