Revolutionäres hat das Uhren-Frühjahr nicht hervorgebracht. Aber jede Menge durchdachter Modelle. Hier sind die zwölf wichtigsten.
Einfach eine gute Zeit
Patek Philippe
Kaum eine Uhr steht so für die Tradition und zugleich für die disruptive Kraft der Branche wie die „Nautilus“ von Patek Philippe. In der Geschichte der Gérald-Genta-Kreation bündeln sich viele Aspekte erfolgreicher Feinuhrmacherei. Auch das ein Grund für die weit über die Branche hinausgehende Aufregung um die Einstellung der bekanntesten Stahl-Varianten mit blauem und mit weißem Blatt. Mit der Referenz 5711/1A-014 wurde jetzt ihr Nachfolger vorgestellt: Das grüne Zifferblatt – die Farbe gab es noch bei keiner „Nautilus“ – trägt einen Sonnenschliff, das Kaliber 26-330 S C hat ein verbessertes Aufzugsysstem und einen Sekundenstopp (30.100 Euro).
Rolex
Die Krise hat auf dem Markt für große Hektik 2 gesorgt – und man muss schon Rolex heißen, um sich dieser Betriebsamkeit in alle Richtungen zu entziehen. Das Genfer Haus erzählt die Geschichte seines deutschen Gründers Hans Wilsdorf derzeit neu, der Fokus liegt auf seiner Philanthropie. Auf der Produktseite widmet man sich vor allem der „Explorer“-Kollektion. Der Durchmesser des Modells schrumpfte um drei auf 36 Millimeter, die Uhr ist damit wieder so groß wie das Original von 1953, mit dem Sir Edmund Hillary den Mount Everest bezwang. Das moderne Kaliber 3230 bietet eine Gangreserve von 70 Stunden, höchste Präzision und Robustheit sind bei den Genfern Standard. 10.100 Euro.
Cartier
Im vergangenen Jahr spielte das Thema Umwelt bei den Uhren kaum noch eine Rolle. Jetzt ist es zurück und hat weitere Marken zu neuen Produkten inspiriert. Cartier zeigt mit seiner „Tank Must Solarbeat“, wie Quarzuhren der Manufaktur in Zukunft ausgerüstet sein können: Dass die Uhr mit Sonnenenergie betrieben wird, sieht man ihr nicht an – weil das Licht durch die feine Perforation der römischen Ziffern auf die Fotovoltaikzellen unter dem Zifferblatt gelangt. Das „Alt- strap“-Armband geht mit seinem 40-prozentigen Pflanzenfaseranteil aus Apfelabfällen einen weiteren Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und sorgt bestimmt für den ein oder anderen hübschen Smalltalk. Die Uhr erscheint in zwei Größen für 2470 Euro beziehungsweise 2600 Euro.
Hublot
Fusion bleibt das große Thema von Hublot. Im vergangenen Jahr folgte das Unternehmen mit seiner „Big Bang Integral“ dem Trend zum integrierten Gliederband. Die ersten Modelle wurden aus Titan und Keramik gefertigt. Jetzt kommt für die nächste Generation eine weitere Spezialität zum Einsatz: exakt geschnittener und polierter Saphir, bislang vor allem im Gehäusebau eingesetzt, für den jeweils fünf Teile des ultraharten Werkstoffs angefertigt werden. Die „Big Bang Integral Tourbillon Full Sapphire“ benötigt gleich 25 Teile mehr: Zu den 22 für das Band kommen drei Saphirbrücken im Uhrwerk. Weil sich die Gestalter für ungefärbtes Material entschieden haben, scheint das von nahezu unsichtbaren Brücken umgebene Tourbillon frei zu schweben. 416.000 Euro.
Longines
Die Swatch Group hat sich der „Watches and Wonders“ nicht angeschlossen; viele Marken des Konzerns haben bereits in den vergangenen Wochen ihre Novitäten vorgestellt. Longines beweist dabei wieder einmal den Wert eines sorgfältig geführten Firmenarchivs und sichere Hand bei der Auswahl historischer Modelle, deren Neuauflage in die Zeit passt: Die „Silver Arrow“ erschien zuerst 1956, der Name war wohl eine Referenz an die schnellsten Rennwagen der Zeit, der Rückenboden aber trug die Gravur eines Überschallflugzeugs auf dem Boden. Die zeigt auch der Nachbau, der mit Siliziumspirale im Automatikwerk und 72 Stunden Gangreserve technisch auf dem neuesten Stand ist (1900 Euro).
Bulgari
Das mit dem „Weltrekord“ und dem „Wettkampf um die flachste Uhr“ mag man bei Bulgari gar nicht mehr so gern hören. Klinge es doch so, als dienten die Konstruktionserfolge der Manufaktur nur ihrer Profilierung. Dabei beherrsche man eben Technik wie Ästhetik und die reduzierten Werke gäben den Gestaltern Raum, heißt es bei den Präsentationen der Neuheiten. Mit der „Octo Finissimo Perpetual Calendar“ ist eine ultraflache Komplikation gelungen, die mit zwei retrograden Anzeigen die Geometrie des Gehäuses besonders überzeugend aufnimmt. Das Werk mit dem Ewigen Kalender wird von einem Mikrorotor angetrieben, bietet erstaunliche 60 Stunden Gangreserve und hat eine Bauhöhe von 2,75 Millimetern; das Gehäuse misst nur 5,8 Millimeter. Das ist, unter uns, natürlich Weltrekord. Titangehäuse und Band, 60.000 Euro.
Chanel
Mit der „J12“ verfügt Chanel seit Jahrzehnten über eine Uhr, die dafür sorgt, dass das Modehaus in der Welt der Feinmechanik ernst genommen wird. Der konsequente Zugang über das Thema Keramik war von Beginn an ein wichtiges Distinktionsmerkmal, aber auch die Qualität der Werke hatten die Pariser von Beginn an im Blick. 2019 stellte Chanel auf der Baselworld eine grundlegend überarbeitete Version des Modells vor, die nun optisch noch ziselierter wirkte und mit einem Kenissi-Kaliber ausgerüstet war. Mit der „Electro“ hat der Chefdesigner Arnaud Chastaingt nun eine Capsule-Kollektion auf den Markt gebracht, die den Geist der Technozeit transportiert und Edelsteine zum Leuchten bringt. Bei der „White Electro Dream“ ermöglichen Saphire ein einzigartiges Farbspiel (limitiert auf 55 Stück, 100.000 Euro).
Chopard
Die Möglichkeit zu reisen rücke wieder in greifbare Nähe, findet Chopard und zeigt mit der „L.U.C Time Traveler One Black“ eine Weltzeituhr, die sich, elegant monochrom, auf dem Weg ins Chalet genauso gut macht wie beim Flug zur Vorstandssitzung. Weil ein Zeiger aus der Mitte auf den aktuellen Tag weist, stört kein Datumsfenster die radiale Geometrie und die Übersicht über 24 Zeitzonen. Zum Reise-Thema passt das Gehäusematerial: Keramisiertes Grad-5-Titan kommt vor allem im Automobil- und Flugzeugbau zum Einsatz. Bei sehr hohen Temperaturen oxidiert, ist es extrem belastbar. Die moderne Materialität verbindet Chopard mit klassischem Handwerk: Das Zifferblatt sowie das COSC-zertifizierte Manufakturwerk werden von Hand mit Zierschliffen dekoriert. 250 Exemplare, 15.500 Euro.
Tudor
Tudor hat sich längst von der großen Schwester Rolex emanzipiert, mit eigenen Werken, eigenständiger Gestaltung und einer Experimentierfreude, wie sie sich nur in wenigen Häusern findet. Damit setzt das Haus die großen Trends mit: ob den zur wieder kleineren Sportuhr, zu hochwertigen Textilbändern oder zum Bronzgehäuse. Die „Black Bay Fifty- Eight 925“ bringt nun ein Material zum Einsatz, das sich wohl noch an keiner Taucheruhr fand: Gehäuse, Krone und Lünette sind aus Sterlingsilber. Dessen Glanz kontrastiert nur wenig mit dem Taupe-Ton von Lünetteneinlage und Zifferblatt und macht diese „Black Bay“ zu einem der überzeugendsten Vertreter der neuen „monochromen Uhren“. Tudor sagt, dass die spezielle Silber-Legierung das Gehäuse widerstandsfähig mache – verrät diese aber nicht; da steht man ganz in Rolex-Tradition. Am Leder- oder Textilband, 4010 Euro.
Breitling
Einer der am meisten bestaunten Messestände der Baselworld war jahrelang der von Breitling, schon wegen des riesigen Aquariums an seiner Front. Dann verließ das Unternehmen als eines der ersten den Messezirkus und ging selbst auf Präsentationstour, online wie offline. Das sparte zum einen eine Menge Kosten für die Präsenz vor Ort und die Events, die damit einhergingen – und verschafft der Marke jetzt zum anderen einen spürbaren Vorsprung bei digitalen Formaten.
Nach progressiven Novitäten wie Kunststoffgehäusen und dem ersten Abo-Modell für Uhren hat sich das Haus für seine neuesten Produkte zurückbesonnen: Die „Premier Heritage“-Chronographen zitieren bedeutende historische Zeitmesser von Breitling. Der „Premier B09 Chronograph 40“ erlaubt sich dabei mit seinem pistaziengrünen Blatt einen selbstbewussten Twist (7400 Euro).
Vacheron Constantin
Eine in jeder Hinsicht globale Uhr hat Vacheron Constantin konstruiert: Die „Les Cabinotiers Armillary Tourbillon Perpetual Calendar – Planetaria“ darf ruhig eine so lange Bezeichnung haben, weil sie auch viel zu bestaunen bietet. Zunächst das zweiachsige Tourbillon zum Schwerkraftausgleich, dessen Drehbewegungen auch durch ein Fenster an der Gehäuseflanke beobachtet werden können. Dazu kommen die retrograden Anzeigen des Ewigen Kalenders und die rotierenden Sphären aus Titan. Besetzt mit dem naturgetreuen Relief der Kontinente, zeigen sie die Zonenzeiten auf der Nord wie der Südhalbkugel der Erde. Und unter dem Zeigerspiel lässt sich für beide Weltregionen die Mondphase ablesen. Weil die „Planetaria“ ein Einzelstück ist, mit dem die Ateliers der Manufaktur ihre Leistungsfähigkeit zeigen, ist kein Verkaufspreis festgelegt worden.
IWC Schaffhausen
Die Schaffhauser Manufaktur IWC pflegt und erweitert ihre Kollektionen Jahr für Jahr reihum. Das war schon in Zeiten des Genfer Salons so. Und wenn die Fliegeruhren im Mittelpunkt standen, war der große Messestand der Marke besonders üppig inszeniert: als 40er-Jahre-Hangar zum Beispiel, mit einer historischen Spitfire in der Mitte. In diesem Jahr kann IWC allein mit kluger Gestaltung und überzeugender Technik seiner neuen Fliegeruhren von sich reden machen. Und das gelingt allemal mit der „Big Pilot’s Watch Shock Absorber XPL“, der ersten Uhr mit einem patentierten neuen Stoßdämpfersystem. Das Uhrwerk ist an einer frei tragenden Feder im Ceratanium-Gehäuse aufgehängt, übersteht Beschleunigungen von über 30.000 g. IWC baut 30 Exemplare pro Jahr zum Preis von je 79.800 Euro.