Metaverse Fashion Week

Visionär oder nur ein Hype?

In einer virtuellen Stadt, die Paris nachempfunden sein soll, findet aktuell die bisher teuerste digitale Fashion Week statt – mit Marken wie Etro, Dolce & Gabbana, Tommy Hilfiger und Estée Lauder. Als ICON-Avatar haben wir uns die Modenschauen, Ausstellungen und NFT-Präsentationen angesehen. Warum das fortschrittlich, aber leider noch zu holperig ist.

Bereits Mark Zuckerbergs Präsentation seines konzerneigenen Facebook-Metaverse brachte ihm viel Kritik ein. Warum sollte man sich selbst als klobiger Avatar in ein Paralleluniversum begeben, um dort mit echtem Geld Immobilien zu erwerben, auf Konzerte zu gehen oder einzukaufen? Im Decentraland, einem der größten Anbieter solch einer Plattform, können sich momentan alle als Teil dieser digitalen Revolution fühlen. Bis 28. März findet dort das größte Modefestival statt, welches das Internet jemals gesehen hat.

Das Konzept hinter der Metaverse Fashion Week klingt zunächst großartig. Sie ist umsonst, durch das Leben als Avatar in jedem Fall inklusiver als echte Fashion Weeks und bietet jungen Designern und Digital-Only-Modemarken die Möglichkeit, sich neben großen Marken wie DKNY, Dolce & Gabbana oder Etro ebenbürtig präsentieren zu können. Und die Labels? Erhoffen sich davon endlich die junge Zielgruppe erreichen, die man sonst heutzutage nur mühevoll von der Zeitgeistigkeit des eigenen Unternehmens überzeugen kann.

„Eskapismus hat in den Nullerjahren zu Zeiten von „Die Sims“, an welches Spiel das Metaverse in Teilen erinnert, auf jeden Fall mehr Spaß bereitet.“

Die erste Erkenntnis auf dem Weg zur Metaverse Fashion Week ist aber, dass dieses Decentraland alles andere als dezentral zu erreichen ist. Man kann nur über den Desktop, nicht aber übers Handy auf die Plattform zugreifen. Die Datenmenge ist so gewaltig, dass sogar ein gut ausgestattetes MacBook abstürzt und mit dem Laden der Welten so überfordert ist, dass der Avatar nur stockend durch die vermeintlich so fortschrittliche Stadt bewegt werden kann.

Ein NFT-Kleid von Mango, das im Metaverse in einem Museum zu finden ist

Der Trick? Das Gefühl von Exklusivität

Man fragt sich schnell, warum dieser ganze Aufwand? Fakt ist, die Modewelt muss ihren Weg in die digitale Welt ausbauen. Balenciaga zeigte mit großem Erfolg im Jahr 2020 progressiv und pandemiebedingt seine Kollektion komplett digital, Gucci oder Ralph Lauren eröffneten virtuelle Pop-Up-Stores auf anderen Metaverse-Plattformen. Die digitale Fashion Week wirkt wie ein logischer Schritt, nachdem bereits in Computerspielen wie „Fortnite“ limitierte Kollektionen für die Spieler von Balenciaga erhältlich waren und Louis Vuitton sogar ein komplett eigenes Videospiel entworfen hatte. Der Schlüssel für den Erfolg? NFTs.

Sogenannte „Non-Fungible Tokens“ authentifizieren den virtuellen Kauf auf einer Blockchain – oder einfacher erklärt: Mittels einer Technologie kann garantiert werden, dass niemand online das gleiche Design des „Wearables“ besitzt. Damit wird in der Metaverse-Welt eine Exklusivität vermittelt, wie man sie sonst nur von Haute Couture-Mode kennt. Seitdem Bitcoin-Spekulanten in der realen Welt Millionen besitzen können, wird das Narrativ der schlauen, unkomplizierten Investition befeuert. So verstärkt sich auch bei Mode-NFTs die Hoffnung, dass ausgerechnet diese Pixelmode eines Tages viel Geld wert sein könnte.

Ein virtueller Sneaker, den das Label Giuseppe Zanotti aktuell im Decentraland verkauft

Guter Stil bleibt teuer

Diese alte Regel gilt auch im neuen Universum. Denn obwohl die Metaverse Fashion Week sich damit rühmt, für alle und kostenlos verfügbar zu sein und damit die elitären Hierarchien der realen Modewochen durchbrechen zu wollen, geht es auch hier nicht ohne Klassengesellschaft. Wer seinen Avatar nicht mit Raverleggings oder mehlwurm-farbenen Cargohosen einkleiden möchte, der muss bereits bezahlen, bevor er im Metaverse den ersten Schritt getan hat. Umgerechnet sind es zwar nur ein paar Euro für eine besondere Cap oder ein Oberteil, wenn man auf unbekannte Metaverse-Marken setzt, die teuren Outfits können aber 100 Euro oder, je nach Seltenheitswert, sogar 1000 Euro kosten. Zu bezahlen ist in Kryptowährung, dafür muss man sich erst einmal eine sogenannte Wallet anlegen. Als Teil der Front Row darf sich also erst derjenige fühlen, der technisch so versiert ist, um diese digitalen Hürden zu überwinden.

Dieses Kleid von Digital Hippie kann man im Metaverse kaufen, um auf den Marktplatz zu kommen, muss man sich allerdings erst einmal teleportieren lassen. Privates Bild

Dennoch ist das Metaverse eine wertvolle Inspiration

Trotzdem sollte jeder Mode interessierte den Schritt ins Decentraland wagen. Denn anders als die Shopping-Malls, in denen man die „Wearables“ kaufen kann, sind die Modenschauen ein kleiner Lichtblick der Plattform. Denn schlaue Marken fokussieren sich nicht nur auf die Looks der digitalen Avatare, von denen man ausgehen könnte, dass sie wie „Second Life“ oder „Clubhouse“ nur ein kurzzeitiger Hype der Branche sein könnten. Etwa Tommy Hilfiger und auch die italienische Traditionsmarke Etro präsentieren ihre reale Kollektion gleichzeitig in digitaler Form.

„Mir gefällt es, wie wir die Mode auf eine völlig neue Art und Weise zeigen können, mit Sicherheit inklusiver und völlig frei von Regeln! Ich weiß nicht, ob das jahrelang so bleiben wird oder ob es bald zu Ende ist, aber ich glaube, ich liebe diese Freiheit“, so Veronica Etro, Chefdesignerin von des gleichnamigen Familienunternehmens, über ihre „Liquid-Pasley“-Kollektion, die sie am Freitag im Metaverse präsentieren wird. Ein weiteres Highlight dürfte die Laufstegshow der Marke Auro. Boros und Sängerin Grimes sein, die am Sonntag stattfindet und besonders surreale Entwürfe beinhalten soll, wie der Instagram-Account des Labels verspricht. Denn abgesehen von der womöglich lukrativen Investition in ein NFT, könnten digitale Hybridformate der Schlüssel zu neuer Kreativität sein.

Wer von den immer wiederkehrenden Trends der Offline-Laufstegwelt gelangweilt ist, wird hier endlich neue Inspiration finden. Die Metaverse Fashion Week könnte somit auch der realen Modeszene wieder etwas von der experimentellen Herangehensweise einhauchen, die man dort schmerzlich seit dem Verlust von Virgil Abloh oder Thierry Mugler vermisst. Sozusagen dort, wo das Austesten der modischen Grenzen ähnlich ins Stocken geraten ist wie die Ladezeiten im Decentraland.

Text
Gloria von Bronewski
Foto Aufmacher
Dolce & Gabbana