Genderneutrale Kleidung beschäftigt die Designer nun schon seit einigen Jahren, doch kaum jemand hat das Thema mit so viel Eleganz und Glamour umgesetzt wie Anthony Vaccarello für Saint Laurent. Für seine neue Männerkollektion fokussierte sich der Belgier auf eine Silhouette, die auch seine aktuellen Frauenentwürfe dominiert: Lang, schmal, breitschultrig. Letzteres zeichnet vor allem die Mäntel aus, stolze Investment Pieces, die zu zarten Blusen mit kunstvoll verknoteten Krägen sowie überlangen Hosen getragen werden. Die Ausstrahlung: unnahbar und übercool. Looks, in denen Alain Delon ebenso gut aussehen würde wie Grace Jones.

Rick Owens hat schon mehrmals bewiesen, dass auch er etwas von theatralisch anmutenden Schauen-Inszenierungen versteht – ob er diese am Lido von Venedig realisiert oder der Terrasse des Palais de Tokyo in Paris. Gleichzeitig weiß der Designer ebenso gut, um was es eighentlich gehen sollte: Die Kleidungsstücke. Ihnen ließ er diese Saison den Vorrang, ein Defilée aus präzise geformten, unglaublich starken Entwürfen. Zugespitzte Jackenschultern, aufgeplusterte Riesenboleros, zerfranste schmale Denim-Röcke und Kokonartige Mäntel standen für den Fokus aufs Architektonische, aber auch für ein Bewusstsein dafür, welchen Einfluss sie auf ihre Umwelt haben: In einer Pressemitteilung erwähnte das Label mehrere Lieferanten und Produktionspartner, die alle auf ressourcenschonende Art und Weise arbeiten.

Was hat Alexander von Humboldt mit Rave-Kultur zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, aber Dries van Noten sieht Parallelen zwischen den Abenteuern und Natur-Erfahrungen des Geographen und dem Gemeinschaftsgefühl und der Lebenslust der Rave-Community. In Mode übersetzt sieht diese Verbindung so aus: Parks und Baggy-Pants mit Flora-und-Fauna-Motiven, schmale Anzüge mit taillierten Jacken und Longsleeves aus Mesh-Gewebe, lange Mäntel, die beim Reisen ebenso schützen wie in den frühen Morgenstunden nach einer langen Clubnacht.

Was tragen die Menschen? Und zwar nicht Celebrities oder Mode-Insider, sondern ganz normale Menschen, die täglich zur Arbeit gehen und ihren Alltag nachgehen? das sind nicht unbedingt Fragen, mit denen sich High-Fashion-Designer oft zu beschäftigen scheinen. Paul Amith entwirft zwar Luxusmode, aber seine Neugierde und sein Gespür für Mode beschränkt sich nicht nur auf diese Welt, was nicht nur an seiner bodenständigen, offenen Art deutlich wird. Für den Herbst und Winter 2023 setzte er deswegen auf eine lässigere Interpretation Tailoring-Expertise, die auf weite Anzughosen, Daunenjacken, Trenchcoats und karierte Mäntel setzte.

 

Der Männerkörper wird wieder betont, und das schon seit einigen Saisons. Anstatt über Röcke oder bauchfreie Tops, mit denen Labels experimentieren, geht das jedoch auch über klassische Schneiderei. Die schönsten Beispiele kommen von Givenchy: Makellose schwarze Anzüge, die Chefdesigner Matthew Williams in Zusammenarbeit mit dem Couture-Atelier des Hauses gefertigt hat.

Bewegte Zeiten ermuntern oft dazu, zurückzublicken und den Status Quo zu überdenken. Alexandre Matiussi zählt mit seinem Label Ami zwar nicht zu den Mode-Urgesteinen von Paris, aber Ami gibt es nun imerhin seit zwölf Jahren, und es ist erfolgreicher denn je. Trotzdem richtete der Designer den Blick auf seine Anganfszeiten, als er mit legerem Chic, tragbaren Basics und der französischen Lust an Alltagseleganz die Szene betrat. Der Mix überzeigt bis heute – erst recht an Charlotte Rampling, die als Model die Show abschloss.

Der Einfluss der Beatles auf Musikgeschichte und Popkultur lässt sich kaum in Worte fassen. Wie sehr die Band auch die Jugend von Kenzo-Kreativdirektor Nigo geprägt hat, kann der Designer immerhin über seine Entwürfe ausdrücken. Ein Streichquartett spielte anlässlich der Kenzo-Show Klassiker von „Can´t buy me love“ bis „I wanna hold your hand“, während die Models karierte Anzüge, Denim-Ensembles, gemusterten Strick und riesige Lammfelljacken vorführten. Zu Nigos Idolen und favorisierten London-revolutionären gehört übrigens auch die verstorbene Designerin Vivienne Westwood, der er in den Show-Notizen huldigte.

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SILVIA IHRING
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DONNYA TORKAMAN