Welch Poesie und Schönheit! Der Kontrast hätte kaum größer sein können zwischen dem unglaublichen Trubel vor der grauen Megabox, die Dior für seine Männershow wieder am Place Vendôme errichtet hatte und dem Zauber, als die Show tatsächlich begann. Das Kulturphänomen der asiatischen Fans ist längst auf die Schauen in Europa herübergeschwappt,  das Geschrei, der Jubel, das kleine Glück von hunderten, wenn nicht tausenden von Fans, die geduldig darauf warten, das ihre Celebrities vorfahren. Das ist in Mailand so, das war bei Louis Vuitton so und bei Dior erst recht, denn die Franzosen haben ein gewaltiges Star-Aufgebot und zudem jüngst den BTS Sänger Jimin als neuen „Global Ambassador“ verpflichtet. Und wenn der auftaucht gibt es kein Halten. Auch noch im Showplace, wo der höfliche Musiker in einer Traube von Bodyguards und drängelnden Fotografen zu seinem Platz geführt wird. Was wohl ein Eddie Redmayne oder David Beckham gedacht haben, die relativ unbehelligt auf ihren Plätzen saßen?

Der größte Magier Star des Tages war allerdings Kreativdirektor Kim Jones, die Kollektion, die Inszenierung war so bezaubernd, dass der ganze Trubel schnell vergessen war.

Gwendoline Christie und Robert Pattinson trugen in bester Theaterqualität T.S.Elliotts wunderbares Gedicht „Das wüste Land“ als Rollenspiel vor, ihre Gesichter tauchten dabei als übergroße Hologramme auf den Seitenwänden auf, davor liefen die Models, die ebenfalls immer wieder übergroß eingeblendet wurden. Man hätte stundenlang zuhören und sehen können, beglückenderweise füllt das Meisterstück, das Elliot vor hundert Jahren Ezra Pound gewidmet hatte, mit über 400 Zeilen eine ganze Weile.

Für die Kollektion hatte sich Jones, der Literatursammler, inspirieren lassen von den großen Flüssen in London und Paris, den Wirbeln und Strömungen, aber auch dem Licht, der Leichtigkeit, des Fluiden im Wortsinn. Vielleicht muss man Brite sein wie Jones, um so schöne Männerröcke zu designen. Eine erhabene Leichtigkeit geht mit dieser Kollektion einher und täuscht über die Kompelxität und Präzision hinweg, die ihr zu Grunde liegt. Aber ist nicht das das Wesen von Luxus?

Und es war auch eine Verbeugung vor Yves St. Laurent, der erst 21Jährige die Nachfolge von Monsieur Dior angetreten hatte. Als jüngster Couturier der Geschichte.

Nach Defilée und donnerndem Applaus ging der Trubel backstage weiter. Fotos, Umarmungen mit Kim Jones, auch Kaliber wie Robert Pattinson und Eddy Redmayne mit seiner Frau Hannah warteten, bis sie an der Reihe waren. Die Umarmungen und Freude auf allen Seiten war dann so aber so innig und echt, wie der Zauber bei der Präsentation.

„Der Zyklus eines Modehauses“, hatte Kim Jones gesagt, „ist Erneuerung und Verjüngung, genau wie der Zyklus der Mode selbst. In der Gegenwart und der Zukunft ist immer etwas von der Vergangenheit enthalten.“ Mit dieser Kollektion und Inszenierung wolle er die Verjüngung nach dem Tod von Monsieur Dior durch Saint Laurent, seinem auserwählten Erben, ehren und mit das „Wüste Land“ eine Parallele in der Literat widmen. „Hier trifft“, so Jones, „eine alte Welt auf eine neue, im Wandel und im Fluss.“ Tröstlich, dass die so harmonisch aussehen kann.“

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