Menschliche Entwürfe, weltweiter Erfolg: Der Architekt und Designer Matteo Thun wurde diese Woche 70.
Auguri, Matteo!

Espresso ist den Italienern heilig. Ein Energiebooster, in jeder guten Bar in Windeseile zubereitet und noch schneller getrunken: den Henkel der heißen Tasse zwischen drei Finger genommen, zum Mund geführt, ein, zwei Schlucke – mehr als fünf Sekunden dauert das nicht. Die schönste Form für diesen Vorgang hat Matteo Thun gefunden. Für die Kaffeemarke Illy entwarf er eine Tasse mit klarer, leicht gerundeter Form, einem Henkel wie einem Donut und einer Untertasse, von deren leicht hochgebogenem Rand der Zuckerlöffel nicht herunterfällt.

Der Entwurf ist eine Ikone, ein kleines Wunder an Funktionalität und Poesie zugleich. Und: auf stille Art unverwechselbar. Das gilt für alle Arbeiten von Thun, der als Gestalter und Architekt weltweites Renommee hat, sich selbst aber gern zurückhält. Dabei begann der Spross eines Bozener Adelsgeschlechts, der seinen Taufnamen – Matthäus Antonius Maria Graf von Thun und Hohenstein – irgendwann verkürzte, weil der ihm beim Ausfüllen von Formularen zu mühselig machte, seine Laufbahn bei der denkbar lautesten Designbewegung des 20. Jahrhunderts. Thun war in den frühen 80ern Gründungsmitglied der Gruppe Memphis. Deren knallbunte, verspielt provokante Entwürfe erleben gerade ein Revival, aber er selbst steht längst für eine zeitlose Gestaltung, die sich aus dem Respekt vor den Nutzern, der Landschaft, dem Material – vor allem Holz – und dem Knowhow und den Traditionen der Region entwickelt, in der sie entsteht.

DIE ONEGA ESPRESSO CUP VON MATTEO THUN
Thun hat schon nachhaltig gebaut, als viele das Wort noch gar nicht kannten. Sein „Vigilius Mountain Resort“ von 2003 erhielt nicht nur das erste ClimaHotel-Zertifikat überhaupt. So wie es auf dem Vigiljoch in Meran den Konturen der Berge folgt und sich mit seiner langen Fassade aus horizontalen Holzlamellen selbstbewusst in die Umgebung fügt, macht sein Anblick – und noch mehr ein Aufenthalt darin schlicht glücklich. Kein Wunder vielleicht, dass Thun nicht nur weltweit Hotels, sondern inzwischen auch immer öfter Kliniken baut. Es steckt etwas Heilsames in seinen Bauten. Funktional sind sie sowieso. Das Mailänder Büro „Matteo Thun & Partners“, das er zusammen mit Antonio Rodriguez leitet, hat 70 Mitarbeiter und entwirft zu den Häusern die Sanitärobjekte, Leuchten und oft auch Möbel gleich mit. Die Hersteller sind große Marken wie Duravit, Axent oder Zwilling ebenso wie Traditionsmanufakturen wie Riva 1920 und Venini.

Am besten ist es, wenn er selbst seine Entwürfe vorstellt: präzise, humorvoll, charmant. Ein Gentleman-Designer, der stets Augen für seine Umgebung hat. Selbst für die kleinen Gesten wie den schnellen Espresso am Nachmittag. Die Tasse entwarf Matteo Thun vor 30 Jahren. Er selbst wird heute siebzig.
Wir gratulieren herzlich.