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FORM FOLLOWS FELL

Hunde sind geborene Teambuilder, Stimmungsaufheller und sorgen für jene Dosis Zerstreuung, die Kreativität erst möglich macht. Kein Wunder, dass so viele Designer einen (oder mehr) haben. Wir stellen fünf Powerpaare vor.

Ottone mit RODOLFO DORDONI

Ottone ist ein ungarischer Drahthaar-Vizsla und mein fünfter Hund. Ich war in den vergangenen Jahrzehnten nie ohne einen. Während der Pandemie habe ich ihn aus Ungarn geholt: Jetzt begleitet er mich täglich ins Büro und sorgt bei allen im Team für gute Laune. Er ist, wie die meisten Drahthaar-Vizlas, ein anhänglicher, gelehriger und selbstbewusster Hund, schauen Sie nur das Foto von uns beiden auf dem Sofa (übrigens das Modell „Freeman“ für Minotti) im Büro: Er setzt sich souverän in Szene.

Manchmal lenkt er uns natürlich von der Arbeit ab, und gerade jetzt haben wir besonders viel zu tun. Im Juni findet in Mailand der Salone del Mobile statt, ich beende und verfeinere gerade einige Projekte, die dort präsentiert werden. Dazu gehören neue Möbel für Minotti, Cassina und Molteni, außerdem haben wir einen Heizkörper für Antrax entworfen, Outdoor-Produkte für Roda und Kettal, Teppiche für Amini und ein neues „Item“ für Effe, einer bekannten italienischen Marke für Saunen und Spa-Ausstattung. Und natürlich arbeiten wir auch schon an Projekten für 2023.

Ottone ist immer um mich herum, ich kraule ihn oft, denn der physische Kontakt ist wichtig, und wahrscheinlich beeinflusst mich das unbewusst bei der Arbeit. Glücklich macht er mich auf jeden Fall. Wer von uns beiden den stärkeren Willen hat? Er. Definitiv.

Rodolfo Dordoni ist mit seinen zeitlos eleganten Entwürfen der stille Star der Mailänder Designszene, arbeitet mit allen großen Marken zusammen und ist seit fast 25 Jahren Art Director von Minotti

goku und noha mit robert palomba
und ludovica serafini

Für die Atmosphäre in unserem Mailänder Studio sind zwei Faktoren grundlegend: Viel Grün – überall stehen Kübel mit sehr hohen exotischen Pflanzen. Und die Anwesenheit von Hunden. Durch die Kombination aus beidem herrscht so etwas wie eine konstante Wiederanpassung in den Räumen, wirklich außergewöhnlich. Wir haben viele Hunde im Büro, die reinrassigen unter ihnen sind Whippets, eine Windhundrasse, die wir besonders lieben. Und dann ist da Noha, eine schwarze Mischlingshündin, die sogar ihren eigenen Hashtag hat – #batnoha –, weil sie so viel Ähnlichkeit mit einer Fledermaus hat. Noha ist acht, sie gehört Ludovica, Roberto hat einen Whippet, Goku, der drei ist.

Wir haben schon immer Hunde besessen. Unsere ersten Kindheitserinnerungen sind mit ihnen verbunden, und als wir heirateten, haben wir uns sofort einen gemeinsamen Hund zugelegt: Rufus, ein Rauhaardackel, der 19 Jahre alt wurde, ein bemerkenswertes Tier. Unsere Liebe zu den Whippet-Windhunden geht auf ein Fotoshooting für die Firma Kos zurück (heute Zucchetti.Kos), für die wir einige Badewannen entworfen hatten. Für die Bilder sollten zahlreiche Whippets neben den Wannen laufen oder sitzen. Darunter war ein Welpe, fünf Monate alt, wir haben ihn aufgenommen, und die Liebe zu dieser Rasse war geboren. Die Begegnung mit einem Hund kommt immer aus einem zufälligen Moment heraus. Die mit Noha passierte, als Ludovica in der Nähe unseres Hauses im Salento joggte und plötzlich etwas am Bein spürte. Ein Welpe mit grimmigen goldenen Augen – ein kleiner Streuner auf Suche nach Wasser. Von diesem Moment an waren wir unzertrennlich.

Noha hat einen spektakulären Charakter, eine Kombination aus Intelligenz und Sensibilität, und sie ist ein wenig rebellisch. Weil sie vor unserer Begegnung eine Nomadin war, gibt es bei ihr immer noch viele Bewegungen und Reflexe eines Straßenhundes, die dem Überleben dienen. Sie ist auch die Anführerin aller Hunde im Büro, und sie versucht auch, die Anführerin unseres Teams zu sein. Sie rennt zur Tür, um morgens jeden Mitarbeiter zu begrüßen, und im Laufe des Tages geht sie von einem Stuhl zum anderen. Goku, unser Whippet, ist ein Hund mit einer verrückten Intelligenz, er beobachtet dich bei jeder Bewegung und lernt so, Türen oder Klappen zu öffnen. Sollte eine Tür mal verschlossen sein, versteht er den Mechanismus. Die Hunde haben eine konstante positive Wirkung im Büro. Wir sind sicherlich glücklichere Menschen durch sie, und die starke gegenseitige Empathie erkennen auch Leute, die von außen kommen. Und wie die Natur überhaupt, inspirieren sie uns ständig. Für einen Freund haben wir kürzlich das Interior seines Hauses gestaltet. Er ist durch uns zum Whippet-Liebhaber geworden und besitzt selbst einen. Also haben wir ihm eine Tapete entworfen („La Gabbia“ für Wall&decò). Das Motiv ist ein Käfig mit so großen Maschen, dass die Tiere hinein- und hinausgehen können – darunter ist auch sein Whippet und eine Fledermaus (natürlich ein kleiner Hinweis auf unsere Noha).

Palomba Serafini aus Mailand sind international bekannt als Experten für pure Formen und sinnliche Oberflächen. Im Juni stellen sie u. a. neue Produkte für Poltrona Frau, Versace Home Collection, Ideal Standard und die Outdoormarke Talenti vor.

CHARLiE UND JACOPO FOGGINI

Charlie wurde mit seinen Geschwistern in einem Jutesack in einer Mülltonne in Palermo ausgesetzt. Ein Freund von mir sah auf Facebook eine Adoptionsanzeige für ihn und schickte sie mir. Seitdem sind wir unzertrennlich. Ich denke oft, dass Charlie der Lehrer meines Lebens ist, wir sind Gefährten, Kumpel und an diesem Tag vor sechs Jahren hatten wir beide das Glück, uns zu finden. Er könnte eine Mischung aus Border Collie und Terrier sein, aber ich glaube, seine Rasse ist „Fantasy“.

Er ist sieben Jahre alt, was etwa 44 Menschenjahren entspricht. Er ist also im besten Alter: immer noch kräftig und neugierig, aber er genießt es auch, einfach nur einen Film zu sehen und zu Hause zu entspannen. Er ist mein spiritueller Führer, ich schwöre, dass ich manchmal spüre, wie er mir mit seinen Augen sagt, was ich tun soll, und versucht, mich durch das Leben, Entscheidungen und Beziehungen zu führen. Ich liebe auch, wie leicht er Kontakt mit Menschen aufnimmt, sich nicht wirklich für andere Hunde interessiert. Er denkt, er ist ein Mensch!

Ich würde ihn gern fragen, was er an mir mag. Wie sehr ich ihn in mein Leben einbeziehe, vielleicht? Er hat große Angst, allein zu Hause zu sein, und weil mein Haus und mein Studio in Mailand nicht weit voneinander entfernt sind, gehen wir zu Fuß ins Büro, das liebt er sehr. Er hat seine kleinen Gewohnheiten, und das Büro ist Teil seiner Routine. Er grüßt jeden Mitarbeiter, sitzt bei Besprechungen mit im Büro, geht aber auch gern nach unten, in die Werkstatt, um nach dem Produktionsteam zu sehen.

Er ist ein liebenswerter Hund, lässt sich gern streicheln und bekommt von jedem Aufmerksamkeit. Ich merke, dass die Leute entspannter sind, wenn er in der Nähe ist. Wir arbeiten an mehreren Projekten gleichzeitig – im Moment unter anderem an einer wichtigen Installation für das Magazin Interni zur Mailänder Möbelmesse, haben knappe Fristen, und manche Jobs können stressig sein, aber ich glaube, Charlie verbessert das Arbeitsumfeld, indem er einfach da ist und Gespräche, spielerische Momente und Kreativität auslöst.

Mir selbst hilft er, mich zu entspannen und meine Gedanken zu verlagern, wenn ich zu viel über die Arbeit nachdenke. Diese Klarheit ist für mich sehr wichtig. Kreativität kommt in Wellen; ich glaube, Charlie hilft mir, durch den Wahnsinn zu surfen, den diese Welt hervorbringt.

Seine Verspieltheit wiederum inspiriert mich. Er sitzt im Labor, wenn ich abends experimentiere, und kaut auf einem Stück Polycarbonat herum. Unsere gemeinsamen Abenteuer, die Liebe, die wir beide für das Meer empfinden, unsere Spaziergänge in der Natur – all diese Dinge inspirieren mich.

Jacopo Foggini entwirft spektakuläre Installationen und Möbel aus extrudiertem Polycarbonat. Das verwendete er auch für seine Outdoor-Kollektion „A’mare“ für Edra, die, transparent und türkisblau leuchtend, das Highlight beim Salone 2021 war.

RACINE UND GESA HANSEN

Vor Kurzem ist mir aufgefallen, dass Racines Fell die gleiche Farbe hat wie das Eichenholz der Möbel, die ich entwerfe. Reiner Zufall, dass auch das passt! Racine (französisch für „Wurzel“) ist ein Nova Scotia Duck Tolling Retriever, eineinhalb Jahre alt und mein erster eigener Hund. Als unsere Familie von Paris aufs Land gezogen ist, habe ich mich endlich entschieden, einen zu haben, wohl wissend, dass ich die Einzige sein würde, die sich um ihn kümmert. Aber bei meinem Job als Interior-Designerin kann ich sie überall mit hinnehmen.

Ich habe lange nach einer Rasse gesucht, die zu uns passt. Ich wollte einen relativ ruhigen, aber trotzdem wachsamen Hund, der einfach zu erziehen ist. Ich schätze ihre Unabhängigkeit und Unaufdringlichkeit, sie sicher meine stundenlangen Spaziergänge und dass ich sie überall mit hinnehme. Im Büro liegt sie unter meinen Füßen, seitdem sind die nie kalt. Sie schläft die ganze Zeit im Büro, sieht dabei noch niedlicher aus als sonst – und beruhigt mich sehr. Alle anderen im Büro offenbar auch, denn wenn sie nicht da ist, wird es sofort bemerkt. Auf Baustellen macht sie Bauherren und Bauarbeiter glücklich, weil sie vor jeder neuen Person einen Freudentanz veranstaltet. Und sie motiviert mich, zwischendurch im Wald spazieren zu gehen, was meiner Inspiration guttut. Sie kann mich mit ihrem Blick zwar zu einem weiteren Rundgang nötigen, aber den stärkeren Willen von uns beiden habe ich: Nichts ist schlimmer als ein unerzogener Hund.

Die Deutsch-Dänin Gesa Hansen entwirft Möbel und Interiors und lebt nahe Paris. Ihr Buch „Coming Home to Nature – the French Art of Countryfication“ erscheint am 26. April bei Flammarion

TONI UND MATTEO THUN

Toni heißt eigentlich Antonietta, sie ist ein Jack Russell Parson, elf Jahre alt und liebt Wiesen, Wälder und die Berge: ein absoluter Naturhund (glücklicherweise ohne Jagdinstinkt).

Aber mit ihren fünf Kilo ist Toni auch die treueste Flugbegleiterin. Bei Terminen ist sie natürlich nicht dabei, beim Wildbad Kreuth etwa, wo wir das Sanatorium in ein zeitgemäßes Retreat umbauen, oder bei der Modernisierung der Alpenklinik in Bayern. Doch ins Büro nehme ich sie manchmal schon mit. Da begrüßt sie immer das ganze Studio und wartet dann manierlich auf Goodies und Streicheleinheiten.

Das ist bemerkenswert, denn Jack Russell Parsons sind Terrier und als solche nicht nur sehr selbstbewusst und schnell, sondern immer aktiv. Aber ich denke, das sind wir beide beziehungsweise unsere ganze Familie. Und wir wissen beide, was wir wollen! Ich bin als Kind in Bozen mit Hunden aufgewachsen, und vor Toni gab es schon Jackie, auch ein Jack Russell Parson. Sie kam aus Bayern, Toni stammt aus Wiesbaden. Ich hatte einen Termin in der Stadt und wusste von diesem Wurf. So bin ich nach dem Meeting dort hingefahren, und sofort war mir klar, dass sie die Richtige für unsere Familie ist. Außerdem hat ihr Fell auf dem Bauch einen Fleck wie ein Herz – das finde ich als Designer natürlich inspirierend.

Matteo Thun ist als Architekt und Designer weltbekannt und ein Pionier nachhaltigen Bauens. Er arbeitet vor allem an großen Hotel- und Healthcare-Projekten.

Fotos
Francis Delacroix; Nathalie Mohadjer; privat(4)