Auf einer digitalen Messe stellen die drei Uhren-Manufakturen aus der LVMH-Gruppe ihre Neuheiten vor. Neben komplizierteren Werken setzen sie vor allem auf besondere Materialien.
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In der Uhrenbranche sind persönliche Gespräche in Hinterzimmern noch immer sehr beliebt – und so ist den CEOs der LVMH-Gruppe anzumerken, dass sie die Woche, in der sie ihre Neuigkeiten vorstellen, lieber von Angesicht zu Angesicht abgehalten hätten. Voriges Jahr kam man mit Händlern und Journalisten im Bulgari-Resort in Dubai zusammen, eine frische Brise vom Meer sorgte für entspannte Stimmung, und dass in der Nacht der großen Party ein Donnerwetter sondergleichen vom Himmel niederging, konnte die Stimmung nicht trüben.
Aber was hilft es? Die Pandemie hat die Verantwortlichen zum Umdenken gezwungen, und so melden sich Ricardo Guadalupe von Hublot, Jean-Christophe Babin von Bulgari und Julien Tornare von Zenith digital aus Genf. Wirklich jünger ist im vergangenen Jahr keiner geworden, aber jeder von ihnen kann glaubhaft versichern: Wir sind die Herausforderungen angegangen, die das Virus mit sich bringt, und haben trotz zeitweise geschlossener Manufakturen und Boutiquen das Maximum herausgeholt.
Für ihre Präsentationen spielen die drei Verantwortlichen Filme aus ihren Manufakturen ein – als Hauptdarsteller fungieren sie selbst, so viel Ego muss sein. Bei Hublot spaziert Guadalupe durch seine Werkstätten wie durch ein technisches Wunderland, in dem futuristische Apparate und ernste Menschen Materialien und Werke möglich machen, die es vorher noch nie gegeben hat.
Das ist der Kern der Identität dieser Marke, nicht nur die Tradition mehr und mehr aufzupolieren, sondern grundsätzlich neue Herangehensweisen zu erproben. Deshalb ist auch die Präsentation nach dem Innovationsgrad der Modelle gestaffelt: Das Gangreserve-Wunder „Big Bang MP-11“ wird jetzt auch in einer Variante aus der hauseigenen, kratzfesten „Magic Gold“-Legierung angeboten.
Hublots „Big Bang MP-11 Magic Gold“ , 88.300 Euro
Keramik-Kompetenz zeigt man mit drei Ausführungen der „Big Bang Integral“, Hublots 2020 vorgestellter erster Uhr mit Gliederarmband. Die neuen Varianten tragen Gehäuse und Band aus Hightech-Keramik in Dunkelblau, Weiß und einem Grauton. Relativ dezent für Hublot, in dessen Labors auch schon Material in fröhlichem Rot und grellem Blau entwickelt wurden. Aber die seriösen Töne sind der sicherere Weg zum erklärten Ziel, in wenigen Jahren mindestens 20 Prozent der Uhren mit Gliederarmband auszuliefern.
Auch aus Saphirglas kann Hublot Gehäuse bauen, kristallklar oder leuchtend bunt gefärbt. Der neue Orange-Ton ist aber fast Nebensache bei der „Big Bang Tourbillon Automatic“: Weil auch bei den Werksbrücken Saphir zum Einsatz kommt, ist das Kaliber weitgehend transparent und betont dabei seine ungewöhnliche Geometrie mit einem Mikrorotor bei 12 und dem Tourbillon bei 6 Uhr.
Bei Bulgari meldet sich Babin vom Schreibtisch in Rom, um zunächst lauter frohe Botschaften zu verkünden. Es sei ein Rekordjahr für sein Unternehmen gewesen, zumindest, wenn man sich die Marktanteile anschaue. Und so viel ist sicher richtig: Bulgari hat mit Modellen aus Aluminium 2020 am konsequentesten das Ziel verfolgt, junges Publikum für sich zu gewinnen und bekanntes Terrain zu verlassen.
In diesem Jahr allerdings setzt man bei den Herrenuhren auf den gegenwärtigen Stahl-Trend: Den ultraflachen „Octo Finissimo Chronograph GMT“ gab es bislang nur in einer Titan-Version. Weil dessen Farbe, geringes Gewicht und hoher Preis nicht jedermanns Sache sind, kommt jetzt eine Variante mit Stahlgehäuse und -band hinzu.
Das Talking Piece der Manufaktur allerdings wird („frisch aus dem Ofen“) nur kurz ins Bild gehalten und soll erst später ausführlich vorgestellt werden: Die „Octo Roma Carillon Tourbillon“, eine Minutenrepetition, deren Schlagwerk mit drei Hämmern durch das skelettierte Zifferblatt beobachtet werden kann. Auch die „Diva’s Dream Peacock“-Damenuhr mit Marketerie-Zifferblatt aus Pfauenfedern, die die Zeit „mysterieuse“ ohne Zeiger zeigt, ist nur kurz zu sehen – aber lang genug, um zu belegen, dass das Haus neben geometrischer Reduktion nach wie vor auch Opulenz beherrscht.
Nach diesem Schwenk in die Manufaktur chattet der CEO Jean-Christophe Babin dann noch online von Rom aus mit Kris Wu, einem chinesischen Schauspieler und Rapper, der auch einen kanadischen Pass hat. Das ergibt geschäftlich sicher den meisten Sinn, nur ob es jeden Journalisten wirklich interessiert, ob der Mann noch nie in den Werkstätten von Neuchâtel war? Nebensache, denn eine Strategie ist nur gut, wenn man bereit ist, sie auch durchzuziehen.
Zenith-CEO Julien Tornare macht sich selbst auf den Weg durch die historischen Fabrikationsgebäude in Le Locle, die seit 2009 zum Weltkulturerbe gehören, und beschwört dabei das Unternehmens-Credo, möglichst überall der Erste zu sein. Eine Anspielung auf das „El Primero“-Chronographenkaliber des Hauses natürlich, das vor über 50 Jahren Furore machte und nun in einer „ultimativen Evolutionsstufe“ vorgestellt wird, als „EP 3600“.
Eingesetzt wird es zuerst in der neuen, robusten „Chronomaster Sport“. Deren Gestaltung, erläutert Heritage Manager Laurence Bodenmann, zitiert Zenith-Chronographen aus verschiedenen Epochen. Das neue Werk bietet 60 Stunden Gangreserve und einen Sekundenstopp, durch den Glasboden lassen sich die Schaltvorgänge des deutlich vergrößerten Säulenrads und der lateralen Kupplung beobachten.
Die Hauptnachricht aber ist, dass die „Chronomaster Sport“ die auf die Zehntelsekunde genau gemessene Zeit auf einen Blick ablesbar macht. Dafür rotiert der zentrale Stoppzeiger einmal innerhalb von zehn Sekunden über das Blatt und weist dabei auf die 100er-Teilung der Keramiklünette. Totalisatoren bei 3 und 6 Uhr zählen verstrichene Sekunden und Minuten.
Mit einem Durchmesser von 41 Millimetern tauge der neue Chrono für Männer wie für Frauen, betont Tornare – und verspricht, übers Jahr komme da noch mehr. Wer die Manufakturen im LVMH-Verbund kennt, der weiß: Das sind bestimmt keine leeren Worte.