Wann, wenn nicht jetzt? Als ich über ein Shooting in Venedig nachdachte, fiel mir zum Beispiel Bianca Arrivabene ein. Eine tolle Frau, wir waren uns vor Jahren in Venedig begegnet und blieben in Kontakt. Jetzt weiß ich, dass sie auch eine sehr hilfreiche Produktionsfirma führt. Im Juli war ich einer Einladung von Zegna in deren Headquarter nach Treviso gefolgt, dort lernte ich zufällig Alberto Cavalli kennen, Direktor der Michelangelo Foundation. Er gab mir den Tipp, unbedingt im Palazzo Grimani zu fotografieren, weil es dort eine einmalige Ausstellung gebe, und stellte auch gleich den Kontakt her … Die Schichten des Lebens entstehen eben nicht im digitalen Raum. An einem Wochenende Anfang August reiste dann ein kleines Team in die Lagunenstadt, im Gepäck Freude und die schönsten Stücke der neuen Saison. Was sonst? In dieser Stadt. Zu dieser Zeit. Denn in Venedig gibt der Zauber niemals auf. Reisen wir doch ein Stück zusammen.
VENEDIG WIE NIE
CONSERVATORIO BENEDETTO MARCELLO
Der 1614 erbaute Palazzo Pisano ist seit 1876 die Heimat der venezianischen Musikhochschule Conservatorio Benedetto Marcello . 1882 dirigierte Richard Wagner dort ein Konzert zu Ehren seiner Frau Cosima. In dem Raum, der als Umkleide diente, standen auch zwei Flügel, Styling-Assistent Jakob Schaefer überraschte uns mit einem kleinen Konzert. Und bei den Aufnahmen für das Motiv im Säulengang, der die Gebäudeteile verbindet, erklang aus einem der vielen Fenster die Stimme eines Countertenors. Augenblick, verweile doch.
PALAZZO GRIMANI A SANTA MARIA FORMOSA
Der im Kern mittelalterliche, im 16. Jahrhundert erweiterte Palazzo Grimani a Santa Maria Formosa ist schon in seiner Architektur und Geschichte einmalig in Venedig. Einst im Besitz einer der einflussreichsten Familien der Stadt, die Dogen, Kardinale und Patriarchen stellte, gehört er inzwischen zu den staatlichen Museen. Bei seinem Tod 1593 hatte Giovanni Grimani, Patriarch von Aquileia, die kolossale Sammlung griechischer und römischer Skulpturen der Republik Venedig vermacht, fortan wurde sie im archäologischen Museum der Biblioteca Marciana verwahrt und gezeigt. Mehr als 400 Jahre lang, bis notwendige Renovierungsarbeiten für eine einmalige Gelegenheit sorgten: Statt die Skulpturen einfach zwischenzulagern, kehrten sie tatsächlich zurück in die „Tribuna“, den Raum voller Nischen und mit Himmelskuppel, der im Palazzo Grimani einst eigens für sie gebaut worden war. Eine organisatorische Meisterleitung, ein historischer Augenblick. Noch bis Mai 2021 ist die Ausstellung „Domus Grimani 1594–2019“ zu besichtigen, manche Stimmen plädieren dafür, dass die Skulpturen darüber hinaus bleiben sollten. Sicherer aber ist es, rechtzeitig hinzufahren. Mit Zeit im Gepäck, das Haus hat auch sonst viel zu erzählen. Den gleichnamigen Katalog zur Ausstellung gibt es auch online. Wir danken sehr für die Gelegenheit, hier zu fotografieren.
HOTEL AMAN VENICE
Es ist eines der bedeutendsten Häuser der Stadt, der prächtige Palazzo Papadopoli am Canal Grande wurde um 1580 erbaut, hat gleich zwei Gärten als Ausdruck von großem Wohlstand, ist noch immer voller Fresken unter anderem von Giovanni Battista Tiepolo. 1922 erwarb die Familie Arrivabene Valenti Gonzaga den Palast, den sie noch teilweise bewohnt. Seit 2013 beherbergt er das super exklusive Hotel Aman Venice mit seinen nur 24 Räumen und Suiten auf fünf Etagen. Unbedingt erlebenswert.
HOTEL GABRIELLI
Fünf flotte Minuten braucht man zu Fuß vom familiengeführten Hotel Gabrielli in einem Palazzo aus dem 14. Jahrhundert, „frontrow“ an der Lagune. Ein weitläufiger, zauberhafter Ort, wahrscheinlich schrieb hier nicht nur Franz Kafka 1913 auf dem Hotel-Briefpapier einen Liebesbrief an seine Verlobte. Wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten nach der großen Flut bleibt das Haus bis Frühjahr 2022 geschlossen.
CAMPO SANTA MARIA FORMOSA
Am frühen Morgen vor dem Palazzo Trevisan Esco Malipiero auf dem großen Campo Santa Maria Formosa, der Gemüsehändler baut seinen Stand auf, an den Cafétischen haben erste Gäste Platz genommen, Gitter fahren hoch. Später, gegen Mittag, wird hier eine Ahnung von Trubel herrschen.
ATELIER NICOLAO
Es allein wäre eine lange Reise wert: das Atelier Nicolao im Sestiere Cannaregio. Stefano war Schauspieler, hat Kunst und Architektur studiert und mit ein paar Gleichgesinnten Ende der 70er-Jahre den berühmten Karneval wiedererweckt. Und genauso ist auch sein Geschäft. Ein überquellender Fundus an Kostümen, Masken, Farben, Fantasie – und historischer Kenntnis. O sole mio!
Immer weiter!
Footage Bruno Axhausen