Frühstück bei Tiffany? Jetzt gibt es Abendbrot mit Beyoncé und Jay-Z. Oder: Wie man eine Traditionsmarke wieder aufregend macht.
ALLES BLEIBT ANDERS
Man fragt sich, was das bessere Spektakel ist: Beyoncé und Jay-Z, in einer Limousine, die sich nachts bei Pizza und Champagner durch Manhattan fahren lassen und dabei spektakuläre Schmuckstücke von Tiffany tragen. Oder ein 100 Tonnen-Mobilkran, der einen 60 Tonnen-Mobilkran auf das Dach des Tiffany-Stammhauses in der Fifth Avenue hievt, mit acht Trucks als Gegengewicht. Die Botschaft ist jedenfalls die gleiche: Das Schmuckhaus wird umgebaut. Und zwar richtig.
Nicht nur wird das legendäre Gebäude aus den 1940ern gerade komplett von Rem Koolhaas renoviert und der Geschossaufbau aus den 1980ern durch eine riesige Glasbox ersetzt, die man mit etwas Phantasie als geschliffenen Diamanten deuten kann (deshalb der Mobilkran). Sondern im Januar hat Bernard Arnault mit seinem Luxusgüterkonzern LVHM die amerikanische Marke gekauft, für fast 15 Milliarden Euro und nach zähen Verhandlungen. Sein Sohn Alexandre wurde Vizepräsident für Produkt und Kommunikation und arbeitet seither daran, die Traditionsmarke jünger, cooler, internationaler zu machen, um sie für neue Kunden zu öffnen – ohne die alten zu verlieren. Das läuft nicht ohne Reibung – und gerade deshalb nach Plan.
Beyoncés High Jewelry Verlobungsring, entworfen von Lorraine Schwartz
Tiffany, 1837 gegründet, ist das älteste Schmuckhaus der USA und wurde früh eine starke Marke, vielleicht zu früh. Jahrzehntelang reichten das ikonische Blau der Schachteln und Audrey Hepburns Blick ins Schaufenster als Anreiz aus, um Verlobungsringe, Silberkettchen, Taufgeschenke zu kaufen. Doch je weniger diese Codes bei Jüngeren griffen, umso gediegener erschien das Unternehmen. Tiffany, das war für Mütter, Tanten und Omas.
Im Sommer tauchten an New Yorker Wänden plötzlich Plakate mit sehr jungen, betont ungeschminkten Modells in Tank Top, Jeans – und mit den bekannten Silberkettchen auf. „Not your mother’s Tiffany“ oder „This ain’t no old school“, stellten sie klar. Der Stil, der Tonfall, die Optik – das war ganz anders als das, was man von Tiffany sonst kannte, und natürlich lösten die Bilder im Netz einen kleinen Shitstorm aus. Manche fanden die Coolness anmaßend („I have other stores when I want edgy“), andere hielten am Status quo fest (When I turn to Tiffany’s, I do want grandma Tiffany’s“), die Selbstironie schien niemand zu bemerken, auch nicht, dass die Produkte die alten waren.
Ob die Plakate wegen solcher Reaktionen so schnell wieder verschwanden, oder auch das Teil des Guerilla-Stils war, ist schwer zu entscheiden. In der Rückschau erscheint die Kampagne als gelungener Kick-off. Bei LVHM hat man Erfahrung darin, den Auftritt einer Marke plötzlich und fast schockhaft zu verändern und so dem Kunden ihre Essenz darzulegen. Das haben, wie der Branchendienst Business of Fashion kürzlich aufzählte, schon Marc Jacobs bei Louis Vuitton, Heidi Slimane bei Celine oder Matthew Williams bei Givenchy gezeigt – und Alexandre Arnault selbst bei Rimowa.
Arnault ist Franzose, die verstehen was von Dekonstruktion, und für die Vitalisierung von Tiffany lässt er die Marke zerlegen und neu zusammensetzen. Im August wurde die erste weltweite neue Kampagne lanciert. Sie handelt von der Liebe, „About Love“. Das ist für Schmuckmarken immer ein Thema, zumal für solche, die für ihre Verlobungsringe bekannt sind. Aber hier wurde dafür das erfolgreichste Paar der Musikbranche als Testimonials gewonnen, Beyoncé und Jay-Z. „Sie sind der Inbegriff der modernen Liebesgeschichte“, erklärte Arnault. Jeder für sich ist ein Superstar, beide so cool und stilbildend, dass sie selbst der Generation Z etwas sagen und als Ehepaar und Eltern zugleich auch den traditionellen Tiffany-Kunden zugänglich sind.
Armband aus der „City HardWear“-Kollektion
In den Fotos und Videos der Kampagne, die ihre Beziehung inszeniert, wimmelt es von Anspielungen, Beyoncés Outfit, ärmelloses schwarzes Kleid und lange Handschuhe, der Dutt weisen auf Audrey Hepburn. Auch einige der schönsten Tiffany-Stücke kommen vor, Jay-Z trägt eine Brosche von Schlumberger, Beyoncé sogar den legendären,„Tiffany Diamant“. Selbst das ikonische Blau der Schachteln ist, zur Kunst erhöht, zugegen: als Hintergrund auf dem großformatigen Gemälde „Equals Pi“ von Jean-Michel Basquiat von 1982. Tiffany hatte es eigens aus einer italienischen Privatsammlung erworben, und Alexandre Arnault hat die Farbe als bewusste Bezugnahme auf Tiffany gedeutet. „Wir wissen, dass Basquiat New York liebte, dass er Luxus liebte und Schmuck. Ich vermute, das Bild ist nicht zufällig entstanden. Die Farbe ist so speziell, es muss eine Art Hommage gewesen sein.“ Im Netz gab’s dafür wütende Kommentare und in Vanity Fair eine ausführliche Recherche zur Provenienz des Bildes. Was will Arnault mehr? Tiffany ist wieder Thema.