Die großen Namen der Kosmetikbranche blicken nach vorn. Klar ist: Die äußere Schönheit folgt der inneren.
State of Beauty
Anpassen
Christian Courtin-Clarins, Vorsitzender des Aufsichtsrates Clarins:
Luxus besteht für mich darin, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu einem fairen Preis anzubieten. Das ist unsere Philosophie. Seit 1985 engagieren wir uns zudem für Nachhaltigkeit. Dazu gehört es, Pflanzen zu schützen, aber auch dem Menschen Respekt zu zeigen. In Frankreich zu produzieren ist ebenso Teil dieser Strategie. Der Verkauf von Make-up wird unter den Masken sicherlich leiden, aber wir werden eine Innovation beim Augen-Make-up erleben, neue Techniken erfinden, die die Augen betonen. Lange Zeit kauften junge Leute weniger Hautpflege, weil sie dachten, wenn sie viel Make-up benutzen, reicht das. Heute wissen die meisten, dass Make-up nur schön ist, wenn die Haut gepflegt wird. Ich liebe es übrigens, Darwin zu zitieren: Die Spezies, die überleben werden, sind nicht die stärksten oder die intelligentesten. Es sind die, die wissen, wie man sich schnell an eine neue Situation anpasst. Das ist es, was wir tun. Die Natur zu schützen hat dabei Priorität.
Qualität gewinnt
Thomas Pross, General Manager Deutschland Kanebo Cosmetics
Für mich ist Luxus keine Frage des Geldes, sondern der Einstellung. Der „neue“ Luxus kann die Zeit sein, die ich heute mehr habe als früher. Die reinere Luft, die Ruhe. Oder die bessere Zutat beim Kochen, ein neuartiger Gin oder aber eben auch einmal ein It-Piece – ein besonders schönes, qualitatives Kleidungsstück, eine außergewöhnliche Uhr, ein besonderes Auto, ein Produkt in der Kosmetik, für das über ein Jahrzehnt geforscht wurde. Wichtig ist bei New Luxury jedoch die wirkliche, ehrliche, echte Qualität, erzeugt durch die Geschichte hinter dem Produkt, Genauigkeit und Sorgfalt bei der Herstellung – mehr als einfach nur unbedingt nötig. Und zwar so viel mehr, dass es eben Luxus ist … Seit letztem Jahr zählt daher das „Micro Mousse Treatment“ zu einem meiner Lieblingsprodukte – weil es besonders gut Neues (superfeine Micro Bubbles, die leicht in die Haut eindringen) mit Bewährtem (effiziente Pflegewirkstoffe) vereint. Klar hat Corona unsere Branche beeinflusst. Wir treffen jede Menge Sicherheitsvorkehrungen im Einkaufsalltag, und solange das so ist, wird das Einkaufserlebnis in diesen Geschäften nicht wie früher sein. Aber wir stellen schon jetzt fest, dass die Menschen (geduldig) auf den Tag warten, an dem wir sagen können: Wir haben das Virus besiegt. Menschen wollen feiern, leben, sich pflegen und verwöhnen. Und wir freuen uns darauf, wenn das wieder uneingeschränkt möglich ist.
Mehr erleben
Christian Lorenz, Geschäftsführer Beauty Alliance:
Die tradierten Luxusversprechen von Marken sind oft verbunden mit Knappheit, einer hohen Preispositionierung und perfekter Handwerkskunst. Je enger die Distribution ist und eine stringente Markenpolitik betrieben wird, desto eher sind oder waren sie Symbole für „Erfolg und Macht“. Bei New Luxury aber geht es um den Wunsch nach Selbstausdruck, kulturelle Glaubwürdigkeit, in Verbindung mit einer neuen Begehrlichkeit. Die entsteht etwa aus der Streetculture, der Musik- oder Graffitiszene. Marken sind hier Selbstausdruck einer Community, Symbole von Beziehungen und Zugehörigkeit. Auch die Themen Nachhaltigkeit, Gesundheit und die Integration in den normalen Lifestyle spielen vermehrt eine Rolle.
Corona hat die Kosmetikbranche beeinflusst, der Wunsch nach Emotionalisierung und Erleben von Produkten, aber auch der nach Gemeinschaft und Kontakten hat erheblich an Bedeutung gewonnen. Geschäftsformate, die aus Kostengründen diese Emotionalisierung nicht mehr zur Verfügung stellen, verlieren und werden auch nachhaltig den Anschluss verpassen. Zudem sind der lokale Bezug und die authentische, kundenzentrierte Verbindung Grundlage für zukünftigen Erfolg. Natürlich verliert derzeit insbesondere die dekorative Kosmetik erheblich, wenn man gezwungen ist, mit einer Maske einkaufen zu gehen. Mittelfristig ist aber unsere Branche relativ krisenresistent, da die Kunden auf den „kleinen erschwinglichen Luxus“ nicht verzichten wollen.
Lebensfreude
Franziska Knuppe, Model und Markenbotschafterin von Shiseido
Das Shiseido-Produkt, für das ich Markenbotschafterin bin, heißt „Vital Perfection“, für Frauen jenseits von 45 Jahren. Und das passt auch gut zu mir. Mich hält nichts auf dem Sofa, ich bin gern und immer in Bewegung, hab während des Lockdowns halt den Dachboden aufgeräumt. Und ich bin froh, dass sich die Vorstellung von Perfektion ändert. Früher hätte eine Zwanzigjährige für so ein Produkt geworben, und die wäre noch mit Photoshop bearbeitet worden. Ich bin 46 Jahre, und das passt. Reelle Bilder sind viel glaubwürdiger. Andererseits irritiert mich, dass Instagrammodels heute alle gleich und irgendwie unecht aussehen. Der Weg gabelt sich offenbar. Ich hoffe, dass meiner sich mehr durchsetzt.
Mehr riechen
Jean-Claude Ellena, Creative Fragrance Director von Le Couvent:
Das Öffnen der Fenster, das Atmen im Freien, seinen eigenen Duft wahrzunehmen und die Flucht vor muffigen Gerüchen zeigen, dass der durch Covid-19 verursachte Lockdown auch zu einer Einschränkung der Geruchsempfindung geführt hat, und bestätigt damit den Geruch als essenziellen Sinn. Denn ich fühle, ich existiere, ich lebe, und ich begehre. Das Parfüm ist ein Kind der Stadt, es ist ein sozialer Marker und ein individuelles Bedürfnis sowohl von Frauen als auch von Männern. Parfüm ist kein Trendprodukt, es ändert sich nicht mit jeder Jahreszeit, sondern ist ein beständiger Wegbegleiter. Die Herausforderung für die Zukunft wird sein, das Parfüm jederzeit und ohne Risiko verfügbar zu machen.
Heimatverbunden
Michael Schummert, CEO Dr. Babor GmbH & Co. KG:
Sicherheit und Transparenz werden für unsere Branche an Bedeutung gewinnen. Darum bin ich überzeugt, dass Kosmetikmarken made in Germany Fahrt aufnehmen werden. Der Clean Beauty Trend wird sich verstärken. Im „neuen Alltag“ beschäftigen sich Konsumenten mit den Themen Gesundheit und Wellbeing, wollen wissen, woher die Produkte kommen, die ihnen so nah kommen. Und: Sie wollen einen gesund aussehenden Teint, der wie von innen leuchtet. Zur Transparenz gehört auch der Aspekt Nachhaltigkeit. Covid-19 konnte ganze Länder lahmlegen, den Klimawandel aufhalten konnte die Krankheit nicht. In Sachen Nachhaltigkeit muss man als Unternehmen nicht perfekt sein – aber ehrlich. Wir können aber noch nicht alles Plastik vermeiden, können noch nicht energieautark produzieren. Aber wir können uns Ziele setzen. Das tun wir in der Green Agenda, einer Art Nachhaltigkeits-Roadmap für die nächsten fünf Jahre. Unser Claim „ask for more“ trifft nicht nur auf unsere Produkte zu, sondern auch auf unser Engagement. Immerhin sind wir als „Biomedizinische Naturkosmetik Dr. B“ gestartet. Das war 1956. Den Begriff Nachhaltigkeit gab es noch nicht. Doch er ist zukunftsweisender denn je.