Feenflügel, die Geschichte des kleinen Prinzen übersetzt in kastige Patchwork-Looks und prunkvolle Abendroben, inspiriert von Kaiserin Sisi – Was hier der gemeinsame Nenner ist? New York! Obwohl die Stadt in jeglicher Hinsicht ein buntes Ensemble an Facetten und Formen ist, manifestiert sich die Vielseitigkeit am eindrucksvollsten während der Fashion Week. Wir fassen zusammen.
“Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.”
Spätestens in dem Moment, in dem eine Stimme aus dem Soundtrack diese Worte vorlas, wusste jeder, worum es ging. Thom Browne erzählte mit seiner Modenschau die Geschichte des “Kleinen Prinzen” von Antoine de Saint-Exupéry nach: Eine Geschichte über Liebe und was das Leben wirklich lebenswert macht. In einer künstlichen Wüste, inklusive abgestürztem Flugzeug und Planeten, die in der Luft schwebten, traf ein Model mit stacheligen blonden Haaren auf den abgestürzten Piloten: Zwei Reisende auf der Suche. Jedes der anschließend auf den Laufsteg tretenden Models repräsentierte andere Charaktere aus der Novelle und war gekleidet in komplex konstruierten und dekonstruierten Looks, eklektische Mosaike aus Bouclé, Tailoring, und aufgestickte Sternmotive. Thom Browne ist nun Vorsitzender des Council of Fashion Designers of America, dies war seine erste New Yorker Schau seit vielen Jahren. Mit seiner Marke hat Browne in den vergangenen Jahren den Weg nach Europa unternommen, doch dass sein Herz in New York Zuhause ist bewies er am Ende der halbstündigen Show: Zum Finale trat er mit einer herzförmigen Pralinenschachtel auf den Laufsteg und übergab sie seinem Partner, dem Kurator Andrew Bolton.
Für seine jüngste Show wählte Coach-Chefdesigner Stuart Vevers einen intimeren Rahmen in den mit Holz vertäfelten Räumen der Park Avenue Armory. Serviert wurden kleine Äpfel aus weißer Schokolade, ein Hinweis auf das Thema der Kollektion: New York und wie es Menschen dazu ermuntert, zu sich selbst zu stehen und sich auszudrücken. Coach hilft dabei mit geradlinigen Lederensembles aus Jacken und tiefsitzenden Röcken, Shorts oder Trenchcoats sowie durchlöcherten Strickkleidern und Denim- und Shearling-Teilen.
Der Besuch einer Carolina Herrera-Show gleicht oft einer Kurzreise in die Vergangenheit: Man sitzt im prunkvollen Ballsaal des Plaza-Hotels, die Gäste tragen lauten Schmuck und hochgeföhnte Frisuren, und irgendwann schweben schmale Frauen in fröhlichen ausladenden Kleidern über den Laufsteg. Dass es für diese Art Mode genug Kundinnen gibt, zeigt ein Blick ins Schauenpublikum. Und eigentlich muss man Chefdesigner Wes Gordon dankbar sein: Nur wenige Designer erlauben es ihren Entwürfen heute, einfach nur schön zu sein. Gordons Vision von Schönheit ist diese Saison von der österreichischen Kaiserin Sisi inspiriert: Weit ausgestellte und mit Tüll ausstaffierte Röcke, Tops mit U-Boot-Ausschnitten und an royale Juwelen erinnernde Applikationen wirken nicht nur adelig, sondern erstaunlich modern.
“Meine Mutter hat früher nie schwarz getragen. Außer zu Beerdigungen”, sagte Michael Kors während einer Pressekonferenz einen Tag vor seiner Schau. Mütter wissen bekanntlich, was gut ist. In Kors´ Fall geht es um die Farbe Braun, die in seiner neuen Kollektion eine zentrale Rolle spielt. Inspiriert ist diese von den engagierten Frauen der 70er-Jahre, Ikonen wie Gloria Steinem, Jane Fonda, Ali McGraw oder Aretha Franklin – Frauen mit Talenten und Visionen, die gleichzeitig “Spaß and Mode hatten”, wie Kors erklärte. Kors Kollektionen werden immer besser, weil er es versteht, einen geradlinigen Großstadtchic mit dem Komfortgedanken zu verbinden. Das sieht diese Saison so aus: Abendkleider mit Tanktopschnitten, ultraweiches Chiffon-Jersey, viel Kaschmir und Stiefel mit moderat hohem Absatz. Und wenn man schon Yoga Pants trägt, sagt Kors, dann doch bitte mit einem besonderen Mantel obendrüber. Sein Vorschlag für den kommenden Herbst: Ein üppiger Mantel aus Shearling-Patchwork in cremeweiß.
20 Jahre Proenza Schouler – das bedeutet 20 Jahre, in denen zwei Männer den Look der modernen, kunstinteressierten und stets beschäftigten New Yorkerin geprägt haben. Den Anlass feierten Lazaro Hernandez und Jack McCollough mit einer Show, die von der Indie-Ikone Chloé Sevigny eröffnet wurde. Star-Autorin Ottessa Moshfegh wiederum hatte einen Text geschrieben, der als Teil des Soundtracks vorgelesen wurde.
Gabriela Hearst stattet viele schicke Frauen aus. Unter ihren Schauengästen war die eleganteste die Schauspielerin Lauren Hutton: Mit Trench, Fischerhut und einem über die Schultern geschlungenen Pullover saß Hutton in der ersten Reihe und sprang begeistert klatschend auf, als die Models zum Finale auf den Laufsteg traten. Hearst wird vor allem für ihre Kleider geliebt, aber sie versteht auch etwas von Tailoring, schlichten Hemden und perfekt geschnittenen Blazern. Von jener Sorte gibt es viele in der neuen Kollektion, ebenso wie Kleider mit Color-Blocking-Prints – inspiriert von der Designerin Eileen Gray – , die man einfach so überstreifen kann wie ein T-Shirt. Oder ziemlich weit ausgestellte Schlaghosen, an die man sich nun unbedingt wieder herantrauen sollte. Auch als Nicht-Hollywoodstar.
Wenn sich Feen zum Dinner treffen, funkelt sogar das Obstarrangement in silbernem Glitzerstaub. Dieses Bild evozierte zumindest die Rodarte-Show, für die das Label eine silbern glitzernde Tafel gedeckt hatte. Die Feen wiederum tauchten als Motive auf einigen der Kleider auf – Zeichnungen der Mutter der beiden Designerinnen Laura und Kate Mulleavy. Ihr Sinn für Romantik, das Übersinnliche und Emotionale wurde auch in düsteren schwarzen Roben deutlich, in viktorianisch anmutenden Blusen und Pelerinen und Feenflügeln, die einige Looks als zauberhaftes Accessoire ergänzten.
“Frauen interessieren sich nicht für Regeln”, sagt Tory Burch. Sie muss es wissen: Als Unternehmerin hat sie schon einige Regeln gebrochen und es auf diese Weise an die Spitze geschafft. Berühmt wurde sie mit einem sehr femininen Look, doch mehr und mehr interessiert sie sich dafür, wie sie diesen neu denken und interpretieren sollte. Kostüme, Anzüge, Abendkleider: In ihrer neuen Kollektion verformt und verändert Burch diese Klassiker der Damengarderobe. Ärmel werden etwas aufgebläht, Krägen versetzt, Röcke sitzen leicht schief und Kleider wirken, als würden sie falsch herum getragen. Das sieht interessant, eigensinnig und ziemlich gut aus. Tory Burch wirkt oft wie der Inbegriff des perfekten New Yorker Uptown-Girls, dabei hat sie längst bewiesen, wie viel mehr in ihr steckt.
Von den vielen noch relativ jungen New Yorker Labels hat keines ein so erfolgreiches Business aufgebaut wie Khaite. Das ist nicht besonders überraschend: Cate Holsteins Fokus auf überluxuriöse Materialien und tragbare Einzelteile mit überraschenden Details spricht genau die Kundin an, die einem Phänomen wie “Old Céline” immer noch hinterherweint. Ab sofort hat diese in New York einen neuen Zufluchtsort: Khaite eröffnet in Soho seine allererste Boutique, in der auch die Show stattfand.
Veronica Beard
Arbeiten, Freunde treffen, unterwegs sein: Die Mode von Veronica Beard kommt dann am besten zur Geltung, wenn sie auf eine Weise inszeniert wird, die das normale Leben widerspiegelt. Für die neueste Show organisierte das Label einen Cocktail in der ehemaligen Chelsea-Filiale des Luxuskaufhauses Barney’s. Die Gäste quatschten und tranken, während der Laufsteg mitten durch die Menschenmenge verlief. Auf eben diesem performte Suki Waterhouse ein Minikonzert, bevor eine Kollektion aus tragbaren, von preppy College-Looks inspirierten Pieces vorgeführt wurde.
Alphatauri
Wenn zu den Models zwei berühmte Formel-1-Rennfahrer gehören, weiß man, dass es sich hier nicht um ein gewöhnliche Modemarke handelt. Auf der New York Fashion Week präsentierte AlphaTauri, die Marke, die zu Red Bull gehört, seine neue Herbst-/Winterkollektion 2023. Auf der Bühne im „Appel Room“ des Lincoln Center und gekleidet in der neuen Kollektion standen auch Yuki Tsunoda und Nyck de Vries, die Fahrer der Scuderia Alpha Tauri. Mit dem Event feierte die Marke auch den Eintritt auf den US-Markt, mit dem das Unternehmen die internationale Expansion vorantreiben will.