Das ständige Zoomen verändert die Sicht auf uns selbst. Wir haben mit Schönheitschirurg Werner Mang über die Folgen gesprochen. Von Angesicht zu Angesicht.
Schön, straffer, Karriere
Sprechstunde bei Professor Mang. Sein Büro in der Bodenseeklinik wirkt wie der Instagram-Feed eines Super-Influencers. An den Wänden hängen Hunderte Fotos, jedes sorgfältig gerahmt. Er, zusammen mit: Hollywoodstars, Schauspielern, Künstlern, Politikern. Auf dem Boden stapeln sich Bücher, die er geschrieben hat. Er kommt direkt von der Visite zum Interview, greift seine Autobiografie (Titel: „Das wird ja immer schöner“), setzt sich hinter seinen Schreibtisch und schreibt eine Widmung: „Carpe diem“.
Herr Professor Mang, welchen Einfluss haben Videocalls auf unser Schönheitsempfinden?
Früher hat man halt einmal morgens in den Spiegel geschaut, seine Haare in Ordnung gebracht, aber nicht so genau nach jeder Falte geguckt. Heute ist es so: Im Videocall kommt alles zum Vorschein. Da sieht man die Tränensäcke und die Falten – und die Leute sagen: ‚Ja, um Gottes willen, wie schau ich denn eigentlich aus?‘ Man sieht sich genauer an, man reflektiert mehr.
Maske auf!
Das Gesicht wird noch mehr zum Karriere-Faktor?
Wirtschaftszeitungen haben ja vor der Krise schon analysiert, dass Männer und Frauen, die ein gepflegtes Aussehen haben, schlank sind, keine Tränensäcke, keine Schlupflider, Haare auf dem Kopf – dass die mehr Aufstiegschancen haben. Das Äußere spielt in der heutigen Zeit eine größere Rolle. Da sehe ich die plastische Chirurgie als ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir sind heute aber auch wesentlich vitaler. Man ist heute mit 60 so fit wie ein Vierzigjähriger, durch gesunde Ernährung, durch Sport. Und wenn die sogenannte Hülle altert, man aber innerlich topfit ist und im Beruf Gas geben will, dann kommen viele eben aus Karrieregründen dazu, sich für eine Schönheits-OP zu entscheiden. Das hat sich gewandelt.
Ein Spiegelbild
Was vertrauen Ihnen die Patienten an?
Die Leute kommen hierher und sagen: Ich muss einfach top ausschauen. Ich möchte die nächsten zehn Jahre beruflich voll dabei sein und darf keine müden Augen haben. Meine Umwelt beobachtet mich genau, ob ich Leistung bringen kann. Also das Aussehen wird auch mit der Leistung verbunden. Früher war das völlig anders. Da konnte man auch mal einen dicken Bauch haben und transpirieren als Vorstandsvorsitzender – heute muss man fit sein.
Und wer wendet sich an Sie?
Wir sehen gewisse Änderungen, was die Patientenstruktur betrifft: Top-Manager und Unternehmer haben die Schauspieler zum Teil abgelöst. Das Alter verschiebt sich. Als ich vor 30 Jahren anfing, lag das Altersspektrum bei 22 bis 60 Jahren, heute liegt es zwischen 16 und über 80 Jahre. Wir haben eine Untersuchung durchgeführt, was die Männer ausmacht – die Eitelkeit der Manager: 1990 waren es nur drei Prozent, die sich für eine plastische Operation unters Messer gelegt haben, heute sind es über 20 Prozent. Und wir haben ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. In Hamburg und Berlin sind die Männer etwas uneitler als in Düsseldorf oder München. Und wir haben in Europa ein Nord-Süd-Gefälle. Also, den Schotten und Iren ist es völlig wurscht, wie sie ausschauen. Je südlicher wir kommen, umso eitler sind die Männer – am eitelsten in Italien und der Türkei.
Die Kundschaft
Und welche Wünsche äußern Managerinnen?
Bei den Top-Managerinnen ist das „Vampir-Lift“ sehr gefragt, eine natürliche Verjüngung. Die Klientel dafür ist zwischen 50 und 55 Jahre alt. Es ist ein biologisches Lifting ohne Schnitte. Der Trend bei den Frauen geht ein bisschen zurück zur Natur, was ich begrüße. Diese aufgespritzten Schlauchboot-Lippen werden nicht mehr gefragt – Gott sei Dank, ich war ja nie der Freund von solchen Horror-Operationen und zu viel Botox. Wenn ich manche Moderatorin sehe: Das sieht sehr unnatürlich und pergamentartig aus. Man sieht dann wirklich älter aus. Man kann ein Gesicht auch totoperieren.
Wie hat sich die OP-Technik verbessert?
Als wir vor 30 Jahren Lid-Operationen gemacht haben, wurden die Augen zugeklebt, da konnte man acht Tage nicht gucken. Heute geht der Patient am nächsten Tag ohne Schwellung nach Hause. Mini-Lift: Ich sage immer, in einer Stunde zehn Jahre jünger. Bei Hängebäckchen: In örtlicher Betäubung drei kleine Schnitte, die man bei guter Heilung nicht sieht – und am nächsten Tag geht es nach Hause. Also, es hat sich sehr viel verändert.
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