Michael Kliger über Luxus

„Lebensfreude schadet nicht“

Michael Kliger, CEO und Präsident von Mytheresa.com, über den Stand von Luxus.

CEO Michael Kliger mit der koreanischen Influencerin Ireneisgood beim Lunch auf der Corviglia, für die Party trug auch das „Pucci­ Chalet“ ikonische Muster. Links: Bei der Vernissage und Kollektionspräsentation in der Galerie Andrea Caratsch

Ist Sankt Moritz der neue Hotspot für Mode?

Wir haben in Sommer dieses Jahres erlebt, wie ausgedürstet viele unserer Kunden nach Resorts waren. Wir haben Events in Saint­ Tropez, in Sorrent, auf Capri veranstaltet, und überall war alles aus­gebucht. Und als Camille Miceli das Design bei Pucci übernahm, richtete sie ihre Strategie von Anfang an auf Resort­Mode aus. Den Winter wie den Sommer.

Es scheint, dass das Thema Berge, Ski, Winter immer relevanter wird bei den Luxusmarken.

Ja. Es muss ein internes Memo gegeben haben in der Industrie. Mit Mytheresa haben wir schon mehrere Ski-­Capsules gelauncht. Die Brands haben verstanden, dass es zwar immer noch die Sommerfraktion gibt, die in der kalten Jahreszeit auf die Malediven und in die Karibik reist, aber die Resort­-Kultur überträgt sich jetzt auf den Winter.

Im Winter in den Winter zu reisen scheint ja auch ganz sinnhaft.

Ja, die Saisons wieder leben, das Saisonale, raus mit Freunden und Familie – es geht aber nicht um richtig oder falsch, nur um den richtigen oder falschen Zeitpunkt.

Wenn ich jetzt für ein paar Tage nach St. Moritz komme und aus leidiger Erfahrung nur Handgepäck mitnehmen mag, dann ordere ich kurzfristig die passende Garderobe bei Mytheresa? Läuft das so?

Unsere typische Klientel ist ja „professional“, also Angestellte, Company­ Eigentümer, das sind Menschen, die in ihrem Leben Erfolg gehabt haben, und der übersetzt sich auch in Geld. Und das sind schon auch die Leute, die ihrem Personal Shopper bei uns sagen: ‚Das ist mein Plan in den nächsten drei Monaten: Ich bin in Saint Barth, und dann geht die „Award Season“ los, im Februar bin ich bei den Golden Globes und so weiter. Dann wird getaktet und geplant. Aber wenn es hart auf hart kommt, bestellen sie es Donnerstag und tragen es am Samstag.

Ist Pucci die Marke zur Lebensfreude?

Ja. Und Spaß zu vermitteln ist doch super. Es gibt unterschiedliche kulturelle Vorstellungen, aber ich meine, wenn ich mich meines Lebens erfreue, dann schadet oder hilft das niemand anderem. Schaden oder helfen tue ich dann, wenn ich darüber hinaus auch noch etwas tue. Aber nur weil ich protestantisch schwarz im Dunklen sitze, habe ich auch noch niemandem Gutes getan. Es ist eine Einstellungssache.

Wie ist Ihre Luxus-­Prognose für dieses Jahr?

Stereotyp betrachtet, besteht der Luxusmarkt aus zwei Kunden, der eine ist der wahre Luxus­ Kunde, unsere Kernzielgruppe: Der lebt einen Lifestyle mit Reisen, Events, Verpflichtungen und Repräsentation, wir nennen sie die „Luxu­ry ­Wardrobe Builders“, die benötigen Aus­stattungen, deswegen macht auch die Ready­-to­ Wear 50 Prozent unseres Umsatzes aus. Der andere Typ ist der „Aspirational Customer“, der den sozialen Aufstieg, Erfolg, die Freude doku­mentiert und sich mal eine Tasche von Gucci oder sogar Hermès gönnt. Da ist der eine Kauf, nicht Teil eines luxuriösen Lebensstils, aber dieser macht etwa 70 Prozent des Marktes aus.

Wenn die aufstrebenden Kunden jetzt wegen all­ gemeiner Unsicherheit wegbrechen, passiert was?

Na ja, wegbrechen … Leute, die sich einmal eine „Kelly“ oder eine „Birkin Bag“ leisten, leben nicht in Armut. Der Markt wird schwä­ cher werden. Aber alle, die sich eher auf High­ End­Kunden konzentrieren, werden voraus­ sichtlich deutlich stabiler wachsen. Bei uns waren es im letzten Quartal 21 Prozent. Denn eines der wichtigsten Themen momentan ist „Clienteling“, sich wirklich um die Kunden zu kümmern. Einfach nur den Touristen mit Ta­ schen zu bedienen ist nicht nachhaltig. Dieses Event hier, so etwas sorgt für Bindung, zu uns, zu Pucci, zu St. Moritz. Luxus muss ein gutes Gefühl vermitteln.

Interview
Inga Griese