Die Schumanns Bar in München ist eine Institution, als High-Society-Treff seit Jahrzehnten legendär. Der Eigentümer Charles Schumann wurde nicht nur als Barchef bekannt, er blickt einem bis heute, meist in mystischer Schwarz-Weiß-Fotografie, als Model für Baldessarini oder andere Luxusmarken auf Werbeplakaten entgegen. In den 80er-Jahren erfand er den – bis heute zu jedem Repertoire eines guten Barkeepers – gehörenden Cocktail „Swimming Pool“. Jetzt geht der 80-Jährige neue Wege, die ihn nach Japan führen.
Auf einen Tee mit Charles Schumann
Charles Schumann Interview Japanischer Tee
Er widmet sich nun anderen Getränken, die aber nicht weniger aufwendig oder tiefgründig sind als ein guter Cocktail. Schumann launchte jüngst seine eigene Teekollektion. Diese wird auf organischen Farmen in Yakushima und Kagushima in Japan produziert, über „Schumanns House“ kann man sich die sorgfältigst kuratierten Sorten bestellen. Ohne Schnickschnack, Aromen und selbstverständlich von höchster Qualität. Diese Prämisse erinnert an seine berühmten Drinks, die hält Schumann für gewöhnlich ebenfalls klassisch und mit wenigen Zutaten.
Überhaupt zeichnet ihn seine Ehrlichkeit und sein Sinn für die wirklich wichtigen Dinge im Leben aus. Manchmal sieht man ihn mit der Schürze, die er über den Anzug gebunden hat, im Hofgarten vor seinem Lokal an der besten Adresse in München draußen sitzen und Kartoffeln schneiden. Ein Neuanfang ist das Tee-Business für ihn nicht, viel mehr ergänzen sich die Kunst der japanischen Tradition und die der Cocktails symbiotisch:
„Die Ernsthaftigkeit der Tee-Zubereitung ist ein großartiger Denkanstoß für das Kreieren von Cocktails“, sagt Schumann.
Charles Schumann München
Was fasziniert Sie an Japan? Ich habe gehört, Sie nehmen sogar zweimal wöchentlich Japanisch-Unterricht.
Ich habe eine Verbindung zu Japan, seit ich vor mehr als 30 Jahren für „Comme de Garçon“ und „Yohji Yamamoto“ als Model auf dem Laufsteg in Tokio lief. Die Landschaft Japans und die Sensibilität, mit der man die Natur betrachtet, haben mich sofort fasziniert. Die japanische Lebenseinstellung – der zwischenmenschliche Umgang – ist einzigartig. Als mein Barbuch in japanischer Sprache erschien, war ich sehr stolz. Von diesem Augenblick an war ich Japan noch enger verbunden. Die japanische Ästhetik ist ein viel besprochenes Thema. In Japan ist sie Teil des Alltags, allgegenwärtig, unprätentiös. Es gibt für mich kein Land, das mich mehr und vielschichtiger inspiriert als Japan. Dafür bin ich sehr dankbar. Das Reisen dorthin vermisse ich daher im Moment umso mehr.
Wodurch zeichnet sich guter Tee aus?
Ein hoher Ladenpreis ist keine Qualitätsgarantie. Tee als Getränk und Kulturgut hat eine sehr lange Tradition. In der modernen Welt entwickelt sich Tee ständig weiter. Die Kriterien zur Beurteilung von Tee sind vielseitig. Zu nennen wären unter anderem der Zeitpunkt der Ernte, saisonale Besonderheiten, die Pflück-Methode, die Lage und das Klima des Anbaugebiets. Auch soziale Aspekte spielen heutzutage eine wichtige Rolle in der Teeproduktion. Letztendlich sind für den Genuss des zubereiteten Tees vor allem Geruch, Geschmack und Farbe ausschlaggebend. Ich bevorzuge Tee mit wenig Bitterstoffen, Umami und einem milden, zarten Geschmack. Tee ist ein Lebenselixier – richtig zubereitet steht er für Harmonie und Ruhe. In Japan gibt es eine Redewendung: „hotto shimasu“. Das bedeutet so viel wie, „Aufatmen”, „Erleichtert sein”. Wenn ich Tee trinke, fühle ich mich genau so – erleichtert und frei.
Barkunst Tee Teesorten
Welche Teesorten sind besonders beliebt?
Unsere Gäste und Kunden bevorzugen in aller Regel „Sencha“. Unser Sencha, geerntet auf der Insel Yakushima, erfüllt alle Vorstellungen, die ich an einen grünen Tee stelle. Er ist auch mein Lieblingstee. Vor einiger Zeit war ich in Yakushima. Dort ist es sehr ruhig und grün. Das Klima ist atemberaubend. Es gibt dort Bäume, die mehr als 2000 Jahre alt sind. Wie der Tee aus Yakushima schmeckt? Natürlich großartig!
Haben Sie eine besondere Erinnerung an Japan, die Sie mit uns teilen möchten?
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, als ich zum ersten mal im Süden Japans eine Bio-Tee-Farm besucht habe. Mit den Menschen vor Ort gemeinsam Tee trinken zu dürfen, war ein Erlebnis, das meine komplette Einstellung zu Tee bis heute prägt. In Japan ist Tee ein selbstverständlicher Teil der Gastfreundschaft. Er wird immer und überall gereicht, egal wo man ist. Die Teilnahme an einer traditionellen Tee-Zeremonie in Japan ist eine weitere, sehr schöne Erinnerung für mich. Anwesend waren nur ein japanischer Tea-Master, Maria Cobo – die Mitgründerin von „Schumann‘s House Japan“ – und ich. Wie tiefgründig und ernst die Lehre vom Tee in der japanischen Mentalität verwurzelt ist, durfte ich in der Zeremonie erfahren. Kein Schritt, keine Bewegung oder Geste, die ohne Sinn wäre.