Fashion x His Royal Highness

Hier wirkt Prinz Charles

Wir reden über seine Hoffnungen für die jungen Leute, die Textilwirtschaft dieser Region, Handwerk, darüber, dass die Nachhaltigkeit neue Chancen birgt. Es liegt ihm sehr am Herzen.

Es nieselt. Was sonst? Dies ist Schottland, südlich von Glasgow, und die Landstraßen, Ortschaften, Steinmäuerchen, die Kühe, die wellige, weite Gegend sehen so aus wie in der schwelgerischen Erinnerung. Man muss das wohl mögen, aber wenn man es mag, dann breitet sich tiefer Frieden aus. Erst recht bei Sonne, die sich ein paar Stunden später dem Klischee nicht mehr unterwirft. Die Fahrt mündet quasi in einem Happy End. Nämlich vor Dumfries House, einem alten Herrenhaus in einem gepflegten Park. Britischer Luxus, also Naturraum, nicht Versailles. Sichtachsen in die Ländlichkeit. Ein Weg findet sich zurecht im Labyrinth. Und wieder heraus. Man darf das ruhig im übertragenen Sinn sehen: Denn hier wirkt Prinz Charles. Dumfries House ist sein Projekt. Es gibt der vergessenen Region Arbeit, Perspektive und Traditionsstolz. Charles hat die Anlage renoviert, setzt der Tristesse des Wandels Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten entgegen. Und jene Heimatliebe, die nichts mit dem Brexitgeschrei zu tun hat. Bindung zur schönen Scholle, zur Natur, zu dem, was Menschen zusammenhält.

Sein innerer Kompass führt Prinz Charles schon ewig zielsicher durch Zeitgeist-Wege. Seine Reden zu Architektur und Umwelt hatten vor Jahrzehnten Gültigkeit und haben es bis heute. Er tut, was er weiß. Und dann betritt er den „Tapestry Room“, ein Gläschen Whisky in der Hand, die anpacken kann, der Ring mit dem „Ich dien“-Wappen. Die alten Tasselloafer auf Turboglanz poliert, helle Hose, rosa Hemd, Krawatte, Fischgrätsakko mit Überkaro, ruhiges Tempo – so kommt er auf unser Grüppchen zu und ist gleich im Gespräch. An diesem Tag  haben der „Prince‘s Foundation“ und der „German Fashion Council“ junge Designer aus beiden Ländern zu einer Changemaker-Konferenz in Dumfries House zusammen gebracht.

Der German Fashion Council (FCG) hatte gemeinsam mit „The Prince’s Foundation“ zum NachhaltigkeitsWorkshop ins schottische Dumfries House geladen. Der Hausherr Prinz Charles plauderte mit FCG-CEO Scott Lipinski, Christiane Arp („Vogue“), Sponsorin Nadja Swarovski, Inga Griese und Birgit Bertold-Kremser (Swarovski)

His Royal Highness fragt, hört zu mit diesem gütigen, interessierten, lustigen Blick, plappert nicht, sondern nutzt die kurze Zeit für uns. Wir reden über seine Hoffnungen für die jungen Leute, die Textilwirtschaft dieser Region, Handwerk, darüber, dass die Nachhaltigkeit neue Chancen birgt. Es liegt ihm sehr am Herzen. Er sei wohl gerade in Mode, sagt er noch und schmunzelt. Hebt den Arm an und zeigt auf den Aufschlag am Jackett im gleichen Stoff, eine Art Ärmelschoner. Doch Charles ist nicht in Mode, sondern beständig. Sein Dumfries House ist ein öffentlicher Ort. Man kann ihn nur empfehlen.

Dass das alles nicht nur Höflichkeiten sind, hat der Prince of Wales gerade deutlich gemacht: Er ist Schirmherr des Modeprojektes „The Modern Artisan“, das in Kooperation mit dem Onlinemodehändler Yoox-Net-a-Porter (YNAP) entstanden ist. Das erste Ergebnis dieses Pilotprojektes, das der Beginn einer langfristigen Partnerschaft zwischen den Absendern sein soll, ist eine Kapselkollektion. Sechs Mode- und Strickwarendesignstudenten des Politecnico, der renommierten Mailänder Universität, haben sie entworfen. Gefertigt werden die Kleidungsstücke in Großbritannien per Hand, in Dumfries House unter der Mentorenschaft des Prinzen – von vier studentischen Quereinsteigern, die vorher unter anderem Stahlarbeiter oder Tänzerin waren. Die Frauen- und Männerkollektion umfasst je ein Dutzend Teile in einer Gesamtauflage von 500 Stück und wird auf den Onlineplattformen von YNAP angeboten. Alle Erlöse daraus sollen Charles’ Stiftung zufließen.

Auch die Zusammenarbeit mit dem German Fashion Council ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Auch wenn die Changemaker-Konferenz in diesem Covid-Jahr nur digital stattfinden kann. Wie ernst es dem britischen Thronfolger mit der Unterstützung nachhaltiger Modeprojekte und länderübergreifender Freundschaft ist zeigt schon, dass er ein Grußwort geschickt hat. Halb deutsch, halb englisch. Und, ganz ungewöhnlich: Es darf ruhig veröffentlicht werden. Für die Sache. Wie hatte er am vergangenen Sonntag bei seiner Rede zum Volkstrauertag im Reichstag gesagt: „Wir bleiben immer Freunde und Partner.“

Text
Inga Griese