Award

„Wenn Italien nicht die Richtung vorgibt, wer sonst?“

In Mailand wurden nach zwei Jahren Pause wieder die „Sustainable Fashion Awards“ vergeben. Die Diskussion um Nachhaltigkeit werde dabei noch ernster geführt, sagte Carlo Capasa, Chef der Camera Moda. Carlo Capasa ist sehr zufrieden. Die italienische Modebranche entwickelt sich prächtig, die Zahlen sind besser als im Jahr 2019. „Wir stehen vor allem für hochwertige Mode, und die erlebt gerade einen Boom“, sagt er. Und doch weiß der Vorsitzende des italienischen Modeverbandes Camera Nazionale della Moda Italiana (CNMI) natürlich, wie schwierig die gesellschaftliche Lage ist – so habe man beispielsweise mit der italienischen Regierung über Möglichkeiten gesprochen, angesichts der Inflation die Gehälter von Angestellten im Niedriglohnbereich der Mode-Industrie zu erhöhen – und zwar steuerfrei. „Es kommt selten vor, dass ein Industriezweig das freiwillig macht“, sagt Capasa. Mode hat eben eine Verantwortung – und Capasa arbeitet seit Jahren hart daran, dass die Branche in seinem Land diese auch ernst nimmt. Dass dabei durchaus Raum für Glamour bleibt, beweisen die „CNMI Sustainable Fashion Awards“, die am Sonntagabend zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder im Teatro Della Scala stattfanden.

Die Prada-Gruppe wurde bei mit dem neuen „Ocean’s Award“ ausgezeichnet. Damit wurde der Einsatz der Mailänder für die „Sea Beyond Projects“ einer Partnerinitiative von Prada und der Unesco gewürdigt. Sea Beyond ist ein groß angelegtes Bildungsprogramm, das bei Kindern und Jugendlichen weltweit das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und insbesondere für die Bewahrung der Meere fördert. Zegna erhielt den „Biodiversity Conservation Award“ für seinen Naturpark im Piemont, die „Oasi Zegna“, dessen Anpflanzungen auf den Unternehmensgründer Ermenegildo Zegna zurückgeht. 1910 hatte er den ersten Baum nahe seiner Wollweberei gepflanzt, 500000 Bäume sind es inzwischen, das seit 1993 unter Naturschutz stehende Ökosystem umfasst 100 Quadratkilometer.

Miuccia Prada
Carlo Capasa, Chef der Camera Moda

Wie ernst Capasa das Engagement meint, zeigten auch die Veränderungen im organisatorischen Bereich. Die CNMI arbeitete erstmalig mit der Ethical Fashion Initiative (EFI) der Vereinten Nationen, sowie mit der Ellen MacArthur Foundation zusammen, die Seglerin Ellen MacArthur, die als Erfinderung der Circular Economie gilt, war zudem auch Vorsitzende der zwölfköpfigen Jury. Erstmals wurde ein Beratungskomitee aus über 25 gemeinnützigen Organisationen für nachhaltige Mode gebildet, das eine aktive Rolle bei der Auswahl der Kandidaten einnahm.

Zudem gab es einen neuen Kriterienkatalog, nach dem die Aktivitäten und ihre Auswirkungen bemessen wurden. Man wollte noch genauer hinschauen, noch besser beurteilen, welche Labels und Designer wirklich einen Unterschied machen. „Wie Nachhaltigkeit definiert wird, wird immer mehr vertieft und verfeinert. Und die Markenfragen uns nach Orientierung und einem Rahmen, der ihnen dabei hilft zu verstehen, was sie ändern sollen. Es ist wie ein Kompass.“ Früher haben man den Marken mit einem Award-Event vor allem zeigen wollen, dass Nachhaltigkeit schick sein kann. „Aber die Diskussion um Nachhaltigkeit ist gereift. Es geht mehr um konkrete Maßnahmen, die wissenschaftlich betrachtet Sinn machen.“ Sein Land sieht Capasa dabei besonders in der Verantwortung. „Italien ist der weltweit größte und wichtigste Produzent von Luxusmode. Wenn wir nicht die Richtung vorgeben, wer sonst?“

Text
Silvia Ihring