Wie feiert man den hundertsten Geburtstag einer Ikone? Mit einer Sonderedition ist es ja nicht getan, wenn man Chanel heißt. Und so ist es ein Geburtstagsfest über alle Etagen im großen Haus.
„Ich nehme die Fünf“,
sagte Coco
Die Zukunft begann im Sommer 1920, als Coco Chanel Ernest Beaux kennenlernte. Den „Parfümeur der Zaren“, ihr russischer Liebhaber Dmitri Pawlowitsch hatte den Kontakt hergestellt. Beaux war 1881 in Moskau als Sohn eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, hatte bei Alphonse Rallet, dem führenden Hersteller von Parfüms im Land früh Karriere gemacht, 1917 musste er vor der Revolution fliehen. 1919 landete er in Südfrankreich, traf ehemalige Rallet-Kollegen, die ein neues Unternehmen aufgebaut hatten, dort stieg er im Labor ein und tüftelte an einer Duftnote mit neuen chemischen Verbindungen, Aldehyden. Er präsentierte Coco Chanel zwei Serien, Nummer 1 bis 5 und Nummer 20 bis 24. Sie wählte fünf. Ihre Glückszahl. Am 5.5. wolle sie ihre Mode-Kollektion vorstellen. Ihre verstorbene, schmerzlich vermisste große Liebe Boy Capel hatte ihr vom mystischen fünften Element in der Alchemie erzählt, und ihr Sternzeichen Löwe steht an fünfter Stelle im Tierkreis. Ganz falsch war der Glaube an den Aberglauben wohl nicht: 1921 kam das Parfüm „Chanel N°5“ auf den Markt, das erste erfolgreiche Couture-Parfüm und es legte den (finanziellen) Grundstein für ein weltweites Imperium, eine legendäre Geschichte, einen andauernden Mega-Erfolg als ewiger Bestseller.
DER LOOK
Dieses Ensemble aus Tweedjacke und Lederhose entwarf Virginie Viard für die Cruise-Kollektion 2021/22. „Eine Einladung zum Reisen“, wie das Modehaus schrieb, auch wenn viel Publikum nicht erlaubt war im Mai in der Provence. Dort, im Kalksteinbruch Carrières de Lumières in Les Baux-de-Provence hatte Jean Cocteau 1950 den Klassiker „Orpheus“ gedreht, die Kostüme hatte seine gute Freundin Chanel entworfen. Von ihr stammt das Zitat: „Mode existiert nicht nur in Kleidern. Sie ist in der Luft, weitergetragen vom Wind, man spürt sie, atmet sie, … sie ist Aura.“
DER RING
So nachhaltig Coco Chanel mit ihrem Look die Kleidungsgewohnheiten veränderte, so veränderte sie auch die Codes der Haute Joaillerie, als sie 1932 eine Kollektion aus Platin und Diamanten kreierte. Diese „Bijoux de Diamants“ standen für eine völlig andere Art und Weise, Schmuck zu tragen, leger, als Stilelement, nicht als demonstrative Kostbarkeit. Patrice Leguéreau, Kreativchef des Schmuckateliers, hat die „Collection N°5“ entworfen, das erste Haute-Joaillerie-Ensemble, das einem Parfüm gewidmet ist. Der absolute Kracher unter den bemerkenswerten 123 Schmuckstücken ist das „Collier 55.55“, benannt nach dem Diamanten in Flakonform mit einem Gewicht von 55.55 Karat. Dieser Ring aus 18 Karat Weißgold mit Diamanten zeichnet die Konturen der Lieblingszahl 5 nach, man könnte auch sagen des Glücks.
DER LIDSCHATTEN
Die Weihnachts-Kollektionen des „Make-up Creation Studios“ sind immer kleine Kunstwerke. Im Jubiläumsjahr nun wird auch hier die Prominenz von Chanel No. 5 zelebriert, Gold, wie die Farbe des Parfüms, zur Farbe der Saison. Das Herzstück ist die Lidschattenpalette mit den ins Duftfarbene Puder geprägten Symbolen. „Les 4 Ombres“ ist seit jeher der Name dieses Produkt, die ikonische Fünf gibt sich zufrieden mit dem Platz in Gold und Schwarz. „Jeder der vier Lidschatten kann für sich allein stehen oder zu einem verblendeten Look beitragen“, heißt es in der Beschreibung. Aber will man da wirklich mit dem Pinsel ran?
DIE TASCHE
Der Flakon. Hier als Täschchen (Plexi, Leder, Metall, SS 2022 Kollektion). Modern und ewig zugleich. Inspiriert von Picasso und Kubismus, ein Art-déco-Symbol, schlicht-minimalistisch. Die Form ist eine Reverenz der Gestalterin an der Place Vendôme, wo Mademoiselle nahe ihrer Boutique und der Wohnung stets in einer Suite im „Ritz“ die Nächte verbrachte. Der ursprüngliche Flakon, ein bisschen weicher in der Silhouette und mit rundem Stöpsel, war von der Glasmanufaktur Brosse nach einem Fläschchen aus dem Reise-Necessaire von Chanels Liebstem, Boy Capels, gefertigt worden. Doch der kantige Flakon mit dem achteckigen Stöpsel setzte sich durch.
DAS BUCH
Der Satz von Marilyn Monroe, zum Schlafen trage sie nichts weiter, als ein paar Tropfen „Chanel N°5“, war keine Marketing-Idee, auch wenn es wohl kaum bessere Werbung gab. Es wird geschätzt, dass alle 30 Sekunden auf der Welt ein Flakon verkauft wird. Noch immer. Bei Prestel ist nun eine zweibändige Prachtausgabe in einer Kassette erschienen, die an die Flakonverpackung erinnert. Chanel öffnete für dieses Projekt und die Schriftstellerin Pauline Dreyfus erstmals die Archive, auf 426 Seiten und mit 750 Abbildungen erschließt sich die Geschichte des ikonischen Parfüms. Die großen Werbekampagnen erzählen zugleich die Geschichte von Zeitgeist, aber auch unvergänglicher Prominenz.