Kolumne Florentine Joop

ZOO-OH-LOGISCH

Die Beziehung der Menschentiere zu ihren Mitgeschöpfen hier, on Earth, ist gelinde gesagt kompliziert. Scheinbar sind wir doch eher Zuschauer, denn Members with Miles and More. Noch immer begreifen wir uns nicht als Teilchen. Wir denken, wir sind, was wir essen, was wir tragen und was wir posten – und verwechseln das mit Bewusstsein. Wir sind wahrscheinlich die einzige Spezies hier, die so viel durcheinanderbringt. Verwechseln wir doch mittlerweile ALLES und sehen auch so aus.

Der Bionade trinkende Vielflieger mit Menschenmilchintoleranz und Impfangst geht sowieso schwierig Beziehungen ein. Die babykatzenpelzbommelbesetzte GreenSmoothie-Pürierende mit Latte-Intoleranz pumpt sich, ohne nachzudenken, Kugelfisch-Toxine in die Denkerfalte, aber glaubt ganz fest an Feinstofflichkeit bei Globuli, weil das irgendwie nach Globus klingt, und das hat was mit Wissenschaft zu tun. Ihre Dauerblähungen von rohem Grünkohlstrunk schiebt sie auf irren Stress und Weizenunverträglichkeit und schluckt Lefax. Überhaupt diese böse Pharmaindustrie, ey, wie kann man nur Tiere quälen? Und schwups, kleben sich die Vorstandsgattinnen ihren Nerz zwischen die Eigenhaarwimpern und fragen auch gar nicht, woher das Lammfell in den geilen Boots kommt.

Und dann schreibt die deutsche Fleischindustrie dem Bill Gates mal ’nen tierischen Brief, wo sie ihn so richtig vorführen, weil ER findet, man solle doch bitte langsam mal global das viele Fleischessen seinlassen. „Ha!“, denken sich die Herren der Fleischkette, „so nicht mein Freund. Du mit deinem fucking Privatjet fliegst voll viel, und dann bist du auch noch derbe big im Business mit Kunstfleisch. Denkst du, wir kriegen nicht mit, warum du jetzt plötzlich sagst, dass Fleischessen das Klima zerstört und unser Karma sowieso? Weil du noch reicher werden willst, stimmt’s???“

Mitgeschöpfe sind immer eher fragwürdig. Weltweit ist das, was wir lieben, und das, was wir meinen quälen und verarbeiten zu dürfen, nicht immer dasselbe und nie das Gleiche. Des einen Freund ist des anderen Pelzbesatz oder Pastetenfüllung.

Was uns grade opportun ist zu schützen, welchen Skandal man aufdeckt oder weiterhin abdeckt, ist vom Zeitgeist und Engagement ganz weniger abhängig.

Hat die Kröte gerade Glück, werden Tunnel für ihre Fortpflanzung gegraben, die Sau ist weniger schützenswert und wird sorglos eingepfercht. Der neozoene Fasan wird gezüchtet und ausgesetzt, um Jägern und Jägerinnen den erschießenden Adrenalinkick zu bescheren und ist quasi mehr wert als Kitty, die seelentröstende Katze, die, wenn man sie artgerecht halten möchte, eben Freigänger sein sollte … Und Tofu ist eben nicht jedermanns Ding, so wie Berlin, und Beziehungen. Ist schwierig, seine Einstellungen so spontan zu ändern. Wo man das doch schon seit Jahrzehnten weiß. Ändern ist eh voll Fridays-for-Futuremäßig. Wie mit den Wesen umgehen, die uns so nah sein sollten? Weil wir alle irgendwie lediglich Biosuppeneinlage sind und sowieso alle nur eine kurze Zeit auf dieser Heimatkruste Erde rumkriechen dürfen, bis wir von jüngerem, fehlerfreieren Menschengenmaterial abgelöst werden. Ich versuche gerade Karma-Reinigung und hoffe auf einen Platz weiter oben in der Reinkarnationsstufe. Vielleicht Darmparasit, da kommt man wenigstens rum.

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Florentine Joop
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