Es wird weich:
Die Traditionsmarke Zegna trifft auf die Neo-Hippies von The Elder Statesman.
PIEMONT, KALIFORNIEN
Es wird weich:
Die Traditionsmarke Zegna trifft auf die Neo-Hippies von The Elder Statesman.
Bunte, lockere Wickelmäntel, Shorts und knopflose Kurzjacken, die an Badebekleidung erinnern. Loafer aus Kaschmir – wie eine feine Variation von Pantoffel. Locker fallende Anzüge, irgendwo zwischen Pyjama, Baseball-Trikot und Sträflingskluft, genauso straßen- wie bürotauglich. Dazu Materialien, so leicht und weich wie Schäfchenwolken auf blauem Himmel. Das ist das Resultat, wenn die italienische Männermarke Zegna und die Kalifornier von The Elder Statesman gemeinsam eine Kaschmir-Kollektion entwerfen. Präsentiert wurde an Schaufensterpuppen in einem knallgelb gestalteten Raum eines Pariser Stadtpalais.
Personell verkörpert sich die Fusion ebenfalls anschaulich: Alessandro Sartori, Kreativdirektor bei Zegna, in Schwarz mit einem gelben Kaschmir-Overshirt und einem geknoteten Pullover über den Schultern trifft auf Greg Chait, Gründer von The Elder Statesman, in einem fliederfarbenen, weiten und doch präzise geschneiderten Cord-Anzug aus dieser Kollektion. Der Anzug ist aus einem Kaschmir-Baumwoll-Gemisch, das an eingetragenen Cordsamt erinnert.
Der Faden dieser Geschichte hat zwei Enden: Das eine führt nach Trivero, wo Ermenegildo Zegna vor 114 Jahren den 6000-Einwohner-Ort im Piemont zum Sitz eines der heutigen Weltmarktführer für Luxus-Männermode macht. Die mit Alpenwasser gewaschene Wolle sorgte für eine so hervorragend weiche Stoffqualität, dass der Name bald zum Inbegriff feinster Tuchqualität „Made in Italy“ wurde. Auch andere Marken griffen bald darauf zurück. „Für mich ist Zegna wie ein Intel-Chip für die Modeindustrie: Durch ihr vertikal integriertes Stoffgeschäft sind die Fasern von Zegna in der gesamten Branche wie auch in ihren eigenen Designs zu finden“, beschreibt der Kalifornier Chait seinen ersten Besuch in Trivero aus der Silicon-Valley-Perspektive und nennt sich selbst einen Kaschmir-Nerd. „Zegna ist ein Vorreiter in Umweltschutz, humanen Arbeitsbedingungen und nachhaltiger Textilproduktion. Und genau darum wird es dem anspruchsvollen Modekonsumenten in Zukunft gehen.“
Das andere Ende führt nach Los Angeles ins Jahr 2007. Greg Chait arbeitete dort als Talentmanager bei einer Modelagentur, als er eines Tages ein Geschenk von Tom Ford erhielt, damals noch Gucci-Designer. „Eine Kaschmirdecke, so weich und elegant, so etwas hatte ich noch nie in der Hand“, erzählt er. Fasziniert von der Materie, begann er, mit einem Weber an der nördlichen Pazifikküste zusammenzuarbeiten, um ein paar gemusterte Decken für seine Surferhütte in Malibu herzustellen, wo sich VIPs in kostspieligem Understatement üben. Als seine Mode-Stammboutique, Maxfield, in West Hollywood, von seinem neuen Hobby Wind bekam, bat der Inhaber, er solle doch mal ein paar Decken vorbeibringen. Es war die Geburtsstunde von The Elder Statesman, heute eines der erfolgreichsten US-Lifestyle-Labels rund um Kaschmir und „Handmade in California“. Ein Neo-Hippie-Style mit Batik- und Ethno-Motiven oder spirituellen Symbolen wie Yin und Yang, Pilzen und Sternenexplosionen. Chait beschäftigt heute ein Team von mehr als 50 Kunsthandwerkern, die im Hauptquartier nahe dem Art District von Los Angeles alle Produkte unter einem Dach herstellen: von der Strickerei bis zur Garnfärberei. „Eine Old-School-Manufaktur, wie sie das moderne L.A. noch nicht gesehen hat“, schwärmt Sartori, dem ein Freund die Adresse empfahl. „Ich bin besessen von der Stadt, seit ich sie das erste Mal besuchte.“
Das war 1999, als das erste „Standard Hotel“ am Sunset Boulevard eröffnete. Sartori wollte eigentlich mit dem Auto durch Kalifornien cruisen, das Hotel sollte nur die Anfangsetappe sein. Er blieb drei Wochen. Und kommt seitdem immer wieder.
Kaschmir multikulturell: Amerikanischer Westküsten-Spirit verwebt sich farbenfroh mit italienischer Eleganz
„Die Stadt inspiriert mich als Designer einfach: Die Menschen haben einen sportlichen und gleichzeitig raffinierten Style, der sich an immer neuen Orten manifestiert. Heute gehe ich nach Pacific Palisades, um zu sehen, wo der Hammer hängt. Dort habe ich letztens einen Mann gesehen, der, sehr cool, eine Kaschmirdecke als Mantel trug. Einfach fantastisch!“
Und so verschmelzen in dieser Kollektion die Enden zu einer generations- und geschlechtsübergreifenden Mode. Zegnas italienische Schneiderkultur und der Hippie-Vibe von The Elder Statesman, die dank der Oversize-Schnitte zu allen Körperformen passt. Looks, die sich Sartori heute, in der Post-Covid-Ära, sowohl im Office wie im Homeoffice, in Mailand wie in Los Angeles oder Berlin vorstellen kann. „Ohne die Pandemie hätte unsere Kollektion sicher anders ausgesehen“, sagt er. „Die Krise hat unseren Umgang mit Mode genauso verändert wie unseren Kleidungsstil.“
Die betont lässigen, logofreien Stücke, denen man auf den flüchtigen Blick den hohen Preis nicht ansieht, passen auch bestens zum neuesten Trend in den USA. Der geflügelte Begriff „stealth wealth“, zu Deutsch so etwas wie „unsichtbarer Reichtum“, ist gerade im postpandemischen Kalifornien das Gebot der Stunde. Es ist zwar kein Geheimnis, dass die ohnehin schon wohlhabenden Tech-Millionäre durch die Covid-Krise noch reicher wurden, doch weht ihnen heute ein ungemütlicherer, gesellschaftlicher Gegenwind ins Gesicht. Man verzichtet nun besser auf allzu offensichtliche Statussymbole und bedeckt sich lieber mit einer schlichten Kaschmir-Baseballkappe.
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