Regen in Los Angeles? Kann schon mal passieren. Trotzdem hatte niemand damit gerechnet, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem Versace seine Fall-Winter-Show 2023 veranstalten wollte, die berühmte kalifornische Sonne von schweren Wolken und Dauerregen verdrängt werden würde. Versace ging kein Risiko ein und disponierte kurzerhand um: Die Show, die auf einer Außenfläche des Pacific Design Centers mit Blick auf die Metropole stattfand, wurde um einen Tag vorverlegt. Leonardo DiCaprio soll es deswegen nicht geschafft haben, zahlreiche andere Celebrities zeigten sich jedoch flexibel: Cher, Elton John, Dua Lipa, Miley Cyrus, Pamela Anderson, Kathy Hilton und ihre Töchter Paris und Nicky, um nur einige zu nennen. Ein langer roter Teppich war ausgerollt, vor der Fotowand brüllten sich die Fotografen den Hals trocken, damit „Demi!“ (Moore) oder Anne!!“ Hathaway in ihre Richtung blicken. Elton John sparte sich den Weg zur Wand und fuhr im Golfwagen vor, was definitiv nicht dafür sorgte, dass er übersehen wurde.
Im Kostüm nach Kalifornien

Für Donatella Versace gelten solche Versammlungen als “Friends and Family”-Treffen, wenige Brands verbindet eine so enge Geschichte mit Hollywood und dem Show-Business der Stadt. „Zu Amerika habe ich ohnehin ein sehr enges Verhältnis, schließlich sind meine Kinder Amerikaner”, sagte die Designerin kürzlich bei einem Interview in Mailand. „Und ich liebe das Meer, die Natur. Los Angeles ist ein Ort, der all das hat. Das entspannt mich, es fühlt sich nach Freiheit an.”
So sollte es der spontanen Planänderung bleiben, alles verlief reibungslos. Der Himmel strahlte zwar nicht in dem Sonnenuntergangs-Gold, das man sich gewünscht hatte, doch die Wolken hielten sich zurück, eine gut gelaunte Miley Cyrus posierte unermüdlich für Selfies und Dua Lipa und Elton John begrüßten sich mit inniger Umarmung. Zum Finale liefen die Models zu Musik von Prince über den langen Laufsteg, mit der glitzernden Stadt im Hintergrund. Prince war zu Lebzeiten ein enger Freund des Hauses. Dass in dem Moment die ersten Gäste anfingen zu tanzen, hätte ihm gefallen.






In modischem Sinne muss Freiheit nicht immer für Yoga-Pants und Turnschuhe stehen, zugegebenermaßen die Uniform, die man in den Straßen der Stadt oft antrifft. Versace orientierte sich für ihre neue Kollektion an einem anderen Impulsgeber der Szene: Die vielen glamourösen Veranstaltungen, für die sich die berühmtesten Menschen der Welt in sorgfältig ausgesuchter und wertvoller Mode kleiden. Zu denen gehören natürlich auch die Oscars, das Versace-Event war quasi der Auftakt. „Die Zeit für Eleganz ist zurückgekehrt, wir brauchen wieder mehr Qualität, mehr Raffinesse”, sagte Donatella. Sie setzte sich mit Entwürfen aus dem Archiv auseinander, hauptsächlich mit Looks aus der Frühlingskollektion 1995. Das zentrale Thema damals – Tailoring – dominierte auch die Präsentation jetzt: Schwarze Kostüme mit Sanduhr-Silhouette und Hosenanzüge. Cocktailkleider fielen mit Keulenärmeln oder akzentuierten Hüften. Denim zeigte sich klassisch, aufgeräumt und in Kombination mit weißen Blusen oder Blazern. Versaces Expertise in Sachen Red Carpet-Dressing kam in wunderschönen Looks aus der Haute Couture-Linie des Labels, Atelier Versace zur Geltung.




















Am nächsten Tag wurde zu einer Ausstellung in einem Anwesen in Bevery Hills geladen, in dem berühmte Atelier Versace-Roben vom roten Teppich gezeigt wurden. Das italienische Modehaus wird oftmals mit einem lauten Stil in Verbindung gebracht. Doch sowohl die Ausstellung als auch die Kollektion demonstrierten einmal mehr das starke Gespür Donatella Versaces für perfekte Schnitte, Eleganz und den großen Auftritt. Sei es ein maßgeschneidertes Haute Couture-Kleid oder von der Stange, also aus der Pret-a-porter. Wobei die gängige Assoziation zu „von der Stange“ so wenig zu diesem Brand passt wie Regen nach Los Angeles.
