Uhrenshooting

Kommen Sie gern näher

Je genauer wir die Dinge betrachten, desto detaillierter werden sie, und es entsteht ein ganz neues Bild. Wir haben bei 15 Uhren die Distanz so weit wie möglich verkürzt – und faszinierende Perspektiven entdeckt. Ausnahmsweise nennen wir auch die Preise.

Wenn es etwas gibt, das Dinge luxuriös macht, dann ist es die Liebe zu den Details, mit der sie gefertigt werden. Der feinste Stoff, das hochwertigste Leder, die edelsten Metalle und Steine – all das hilft nichts, wenn Pfusch die Fertigung ruiniert. Warum soll jemand hohe Summen für etwas ausgeben, das zum Leben nicht unbedingt notwendig ist, wenn dieser Gegenstand dann nicht einmal von dem Willen erzählt, ihn so gut wie möglich zu machen – und er vermutlich schnell kaputtgeht? Diese Frage ist schon in Zeiten ohne Katastrophen kaum zu beantworten. Manch einem ist das Design wichtiger als die Qualität, manch einer tut, was andere tun, manch einer muss sich beweisen, dass er sich leisten kann, was immer er will. Doch in der jetzigen Situation ist so ein Verhalten nur noch der Ausdruck dafür, dass es Zeitgenossen gibt, denen ganz einfach alles egal ist. Und das kommt nirgendwo mehr gut an.

Der Pfeil zeigt die Richtung an – nach oben: Rado „Captain“

Mechanische Uhren sind seit jeher auf die Richtigkeit der kleinsten Details angewiesen: Winzigste Unregelmäßigkeiten im Werk können jede Präzision zerstören – und den Ruf einer Manufaktur gleich mit. Deshalb darf die Branche für sich in Anspruch nehmen, seit ihrem Entstehen besondere Sorgfalt walten zu lassen. Eine Sorgfalt, die umso schwieriger wird, je mehr die Hände an dem Zeitmesser mitwirken. Teile, die aus Maschinen kommen, fast völlig von Robotern zusammensetzen zu lassen ist heutzutage möglich – aber solchen Uhren fehlt es an Leben. Erst wenn Menschen mit größter Disziplin, Mühe und Leidenschaft die Komponenten bearbeiten und in ein optimales Verhältnis setzen, hat der Zeitmesser etwas zu bieten, das über die Anzeige der Uhrzeit auf dem Display des Smartphones hinausgeht. Beim Display weiß niemand, wie es funktioniert, bei der Mechanik war ein Artgenosse am Werk.

Pfau im Fokus: Bulgari „Diva’s Dream“, Roségoldgehäuse mit Brillantbesatz, Zifferblatt aus einer echten Pfauenfeder, 26.800 Euro

Es wäre zwecklos, zu leugnen, dass die Krise die Industrie schwer in Mitleidenschaft gezogen hat. Boutiquen und Ateliers mussten schließen, Neuheiten konnten nur digital präsentiert werden – und es ist nur zu menschlich, sich während einer Pandemie mit Investitionen zurückzuhalten. So weit, so schlecht. Die gute Nachricht lautet allerdings, dass die Produkte, die die Manufakturen verlassen, nicht weniger schön werden, weil ein Virus in der Luft ist. Gerade im Moment der Herausforderung hilft ein persönlicher Begleiter am Arm, zu sich selbst zu finden, sei es als Talisman, sei es als Erinnerung, dass es ihn schon vorher gab und auch hinterher geben wird.

Darüber hinaus hatten die Hersteller schon vor dem Ausbruch begriffen, dass es längst nicht mehr reicht, ein möglichst aufwendiges Produkt zu vermarkten. Zumindest in Europa will ihre Klientel immer mehr über die Bedingungen wissen, unter denen die Uhren zustande kommen, Nachhaltigkeit ist das Wort der Stunde, ob es um Umweltfragen oder Arbeitsbedingungen geht.

Diese Krone ist die Krönung: Chronoswiss „Flying Grand Regulator Open Gear“, Edelstahlgehäuse mit Kohlenstoffbeschichtung, Krokodilleder-Band, 10.000 Euro
Im mechanischen Maschinenraum: Zenith „Defy El Primero 21 Blue“. Titangehäuse, Manufaktur-Chronograph mit Schnellschwing-Mechanik, 12.100 Euro
Exzellenz ohne Effekthascherei: Jaeger-LeCoultre „Master Ultra Thin Tourbillon“. Rotgoldgehäuse, Tourbillon zum Schwerkraftausgleich, 70.000 Euro
Das Werk hat es in sich: Tutima „Patria Admiral Blue“. Edelstahlgehäuse, Glashütter Manufaktur-Kaliber mit 20 Steinen und Streifenschliff, 5900 Euro
Extrem viel Mechanik auf extrem kleinem Raum: Audemars Piguet „Royal Oak Tourbillon extraflach“, Roségoldgehäuse, Saphirglasboden, um 177.000 Euro
Robuster Begleiter für Gebirge oder Meer: Chopard „Alpine Eagle Large“, Stahlgehäuse mit Rotgoldlünette, wasserdicht bis 100 Meter, 19600 €uro
Das schöne Gesicht der aufgeräumten Geometrie: Longines „Heritage Classic“, Stahlgehäuse, Zeiger aus gebläutem Stahl, 2000 €uro
Wirkt wie eine Science-Fiction-Raumstation: Richard Mille „RM 033 Caliber Extra Flat Automatic“. Weißgoldgehäuse, Diamantbesatz, 180.000 Euro
Ich seh´den Sternenhimmel: Union Glashütte „1893 Johannes Dürrstein Edition Mondphase“, Edelstahlgehäuse, emailliertes Zifferblatt, 2750 €uro
Die Zeit – ein ganz schönes Labyrinth: Hublot „Big Bang Unico Sang Bleu II Titanium Blue 45 mm“. Titangehäuse, Kautschukband, 24.800 €uro

Chopards Fairmined Gold ist dafür genauso ein Ausdruck wie das „Perpetual-Planet“-Projekt von Rolex oder die besondere Aufmerksamkeit, die Unternehmen wie Bucherer oder Audemars Piguet der Reparatur und Pflege gebrauchter Uhren widmen. Alle Firmen sind bescheiden genug, nicht zu glauben, dadurch die Welt zu retten, aber alle – das darf man sagen – leisten mit ihrer Arbeit einen kleinen Beitrag. Für Kunden mit einem größeren Budget bieten Manufakturen wie Glashütte Original die Möglichkeit, zumindest Teile der Uhr nach ihren Vorstellungen gestalten zu lassen. Das macht das Ergebnis natürlich umso individueller. Und die Hingabe, mit der diese Branche an jedem Detail arbeitet, wird auf jedem unserer Fotos ersichtlich. Deshalb können wir getrost sein: Die Faszination für mechanische Uhren wird nie sterben.

Harmonische Linien, geriffelte Lünette: Rolex „Oyster Perpetual Day-Date 40“, Weißgoldgehäuse, ausgeschriebener Wochentag, 36.700 Euro

Die Ästhetik des Dreidimensionalen: Patek Philippe „Nautilus“, Referenz 5711/1A. Edelstahl, Saphirglasboden, 27.550 Euro

 

 

Foto
Christian Hagemann
Styling
Studio.Stadelmann
Text
Philip Cassier