Wenn Liebhaber herausfordernder Missionen zusammenfinden, entsteht Abenteuerliches. Wie bei „Trois Parfums Historiques“ für Astier de Villatte. Wir reisten dafür mit dem Star-Parfümeur Dominique Ropion in die Vergangenheit.
Über den sinnen
Dominique Ropion und Melanie dal Canton, sie vetreibt die Düfte exklusiv in ihrem Schönheitssalon MDC Cosmetic in Berlin. Natürlich auch über astierdevillatte.com erhältlich
Foto Alex de Brabant
Sie haben bis heute über 250 Düfte erschaffen, Ihre Kreationen für die großen Modehäuser zählen zu den Ikonen. Sie haben Parfüm-Geschichte geschrieben und tun es noch. Wo lag der Reiz, sich an historische Formeln und Rezepturen zu wagen?
Der Ursprung liegt rund 25 Jahre zurück. Damals lernte ich Annick Le Guérer kennen, eine sehr bekannte Historikerin in Frankreich. Sie arbeitete an einem Buch über historische Düfte und wollte es mit mikroverkapselten Formeln veröffentlichen. Damit man, wenn man vom Duft liest, gleichzeitig über die Seite reiben und ihn riechen kann. Wir begannen mit Kyphi, das als das älteste Parfüm überhaupt gilt.
In dem Büchlein, das die „Trois Parfums Historiques“ begleitet, schreibt Annick Le Guérer, dass es vor rund 4000 Jahren unterschiedliche Kyphis gab, weil die Ägypter es für verschiedenste Rituale und als Heilmittel einsetzten.
Unsere Rezeptur wurde in einem Tempel in Ägypten gefunden und stammt aus der Zeit um 1600 vor Christus. Und das Bezaubernde ist, alle Inhaltsstoffe in diesem Parfüm kennen wir heute noch.
Und verwenden Sie sie auch noch?
Im Prinzip schon. Nur benutzen wir sie in anderer Form, wir bräuchten Mengen, die es nicht gibt. Und wir sind natürlich weit davon entfernt, wie die Ägypter zu arbeiten. Sie mischten die rohen Ursprungsmaterialien, verbanden alles mit Öl und Honig, dazu kam Wein als Lösungsmittel. „Le Dieu bleu“ ist keine Kopie, es ist eine Rekonstruktion, eine Nachempfindung des Original-Kyphi mit Extrakten, Ölen, Absolues und Aromen von 20 Bestandteilen. Unter anderen Ginster, Kardamom, Mastix, Ingwer, Minze, Wacholderbeeren, Safran, Kalmus, Terpentin und Zimt.
Es duftet außerirdisch-übersinnlich, wie nichts, was ich je gerochen habe.
Das Spannendste für mich ist, dass wir uns Parfüms nicht vorstellen können. Wir können uns den Geruch eines Parfüms in unserem Kopf nicht ausmalen. Wir schließen die Augen, stellen uns eine Rose vor, aber wir riechen sie nicht. Wir sehen ein Bild, aber den Duft können wir nicht erdenken.
Das kann niemand? Nicht einmal Sie, als erfahrener Meisterparfümeur?
Nein, ich bin untröstlich, dass ich Sie enttäuschen muss. Das ist neurologisch unmöglich. Der Geruchssinn funktioniert anders als alle anderen Sinne. Natürlich habe ich in meinem Gedächtnis viele Düfte abgespeichert, aber wenn ich die verschiedenen Moleküle, Ingredienzen, Rohmaterialien zusammenmixe, kommt immer wieder etwas Neues, oft Unerwartetes heraus.
Und das Ergebnis hat Sie tatsächlich überrascht?
Ja, sehr – und ich war ebenso angetan. Es hat eine eigene Identität. Wenn Annick das Kyphi trug, das ich für ihr Buch kreiert hatte, sammelte sie stets wundervolle Komplimente – jeder wollte diesen Duft! Vor rund zehn Jahren begannen wir, jemanden zu suchen, der es produzieren wollte. Aber niemand zeigte Interesse, weil es erstens sehr teuer ist und zweitens sehr speziell. Diese Art des Geruchs sind wir nicht gewohnt. Eine Journalistin kannte die Story und brachte uns schließlich zusammen. Und das war vor rund fünf Jahren. Es passte alles zusammen, Ivan Pericoli und Benoît Astier de Villatte sind Künstler, sie denken nicht kommerziell und an Verkaufszahlen, sie sahen sofort, wie gut die Idee zu ihrem Haus passte.
Historische Düfte für Astier de Villatte von altägyptisch und -römisch bis hin zum Parfüm von George Sand
Haben Sie alle drei Parfüms ursprünglich für das Buch komponiert?
Nur „Le Dieu Bleu“ und „Artaban“, inspiriert vom Duft der parthischen Könige aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Es war ein Riesenhit in Rom damals!
Und wie kam es zu „Les Nuits“, das den Lieblingsduft von George Sand nachempfindet?
Annick, die Historikerin, kannte die Familie Sand, die Erben der Schriftstellerin, und bekam eine Flasche mit Parfüm, das George zu tragen pflegte. Aber was da drin war, hatte mit Parfüm nicht mehr viel zu tun, auch die Kappe der Flasche konnte man gar nicht öffnen. Also bat ich den Chemiker, der die Analyse machen sollte, mit einer Nadel durchzustechen und einen Tropfen davon zu analysieren. Und das war so interessant, weil wir Moleküle fanden, die nicht die Originalmaterialien waren, sondern über die Jahre entstanden sein mussten, die Zutaten hatten miteinander reagiert. Und so mussten wir erst einmal prüfen, ob all die Inhaltsstoffe wirklich in der Mitte des 19. Jahrhunderts existiert hatten. Und so war es.
Gab es noch mehr Überraschungen?
Wir fanden zum Beispiel bei der Analyse einen Chypre-Akkord. Eigentlich gilt Chypre als Erfindung von François Coty, 1917. Aber hier hat ihn der Parfümeur von George Sand schon mindestens 50 Jahre vorher verwendet.
Ein echtes Abenteuer, eine Zeitreise?
Es war eine aufregende Reise zu den Wurzeln der Parfümerie, außergewöhnlich, kein alltäglicher Job.
Apropos außergewöhnlich: Würden Sie sagen, in den vergangenen Jahren ist auch die Parfüm-Branche wieder interessanter geworden?
Nicht unbedingt, aber die Düfte großer Firmen sind qualitativ besser geworden. Das Problem jedoch bleibt, dass die Düfte von immer mehr Menschen zur gleichen Zeit geliebt werden sollen.
Stimmt es, dass Sie inzwischen auch mit künstlicher Intelligenz arbeiten?
Ich? Nein, ich verwende ausschließlich natürliche Intelligenz (lacht). KI hilft jedoch, Parfümformeln für Produkte umzurechnen, aber sie kann noch keine neuen Formeln kreieren.
Wie fühlt es sich an, dass flüchtige Duftmoleküle der Vergangenheit eine zeitlose Präsenz haben?
Für mich ist es nicht flüchtig, ich arbeite mit meinen konkreten Materialien wie ein Maler, ein Bildhauer oder Architekt, der ein Monument baut. Oh, das ist etwas zu prätentiös, aber Sie wissen, was ich meine. Für mich sind meine Arbeit und die Ergebnisse komplett gegenständlich. Es ist wie in der Musik – man weiß nicht, wie es gemacht ist, aber man liebt es.