Die italienische Marke Tod´s wirkt wie ein ewiger Klassiker. Das ist sie auch. Und alles andere als das.
Aufreizend simpel, tutto italiano
Die Mode verändert sich, so hört man überall. Und zwar in rasantem Tempo. Die neuen tastemaker sind oft noch im schulpflichtigen Alter, die Inspirationen kommen aus Möbelhäusern, Problemvierteln und von Produkten, die vor Kurzem noch als Billigmarken verachtet wurden. Das gebiert oft Kollektionen oder Produkte von spektakulärer Scheußlichkeit, man denke nur an die Plateau-Crocs von Vetements, aber erlaubt auch eine neue Freiheit, die noch wer weiß wohin führen kann. Was dabei leicht übersehen wird: Dies ist kein neues Phänomen. Die Mode, darin gleicht sie anderen Kultursparten wie Literatur oder Malerei, war stets einer permanenten Überprüfung unterworfen, bei der alte Regeln neuen Zeiten, Sensibilitäten oder Launen angepasst oder gleich ganz über den Haufen geworfen wurden. Das Ironische daran: Manch einstiger Pionier und Vorreiter ist heute nicht mehr als solcher zu erkennen. Der monumentale Giorgio Armani etwa hat in seinen frühen Jahren der Männerjacke die steife Struktur genommen und damit eine kleine Revolution ausgelöst. Und Diego Della Valle, einer der agilsten und ehrgeizigsten Unternehmer der italienischen Luxusbranche, hat mit der Tod’s-Gruppe ein Imperium geschaffen – und aus einer eigentlich kleinen Idee heraus, die Vorstellung verändert, wozu ein Schuh gut sein muss und wie er auszusehen hat. Daran muss man sich erinnern, denn nun wirkt die Marke wie ein ewiger Klassiker. Das ist sie auch. Und alles andere als das.
Ein Besuch in den Fertigungshallen in Sant’Elpidio a Mare zeigt ein Unternehmen, das sich seiner DNA so sicher ist, dass es souverän damit spielen kann. Anders als in der aufwendig renovierten Repräsentanz in Mailand herrschen hier architektonische Gegenwart und pure Funktion. Gewaltige Lagerregale, Abluftrohre, die ewigen Werkzeuge der Lederverarbeiter und Schuhmacher, die sich bis heute nicht wesentlich verändert haben: Hammer, Nägel, Leisten. Was dagegen absolut heutig wirkt, sind die Produkte, ist die Mode, die hier produziert wird. Es ist die scheinbar hingeworfene italienische Eleganz, die demonstriert wird. In der Herbst/Winter-Kollektion 2018 wurden vor allem militärische Referenzen benutzt: die Bomberjacke, der Trenchcoat, der Springerstiefel. Bei Tod’s sieht das nicht martialisch aus, sondern wird durch den Einsatz von Lammfell und Kalbsleder luxuriös, fließend, lässig. Dazu kommen die Farben: Nude, Eierschale, Dottergelb und ein graues Petrol, das man erst mal hinkriegen muss. Aber Farben sind ohnehin ein Teil der Erfolgsformel.
Blickt man in die Schaufenster eines Tod’s-Flagship-Store, kann man sich kaum noch vorstellen, dass der signature shoe, der Gommino, einst zum Autofahren erfunden wurde. Heute ist er in unzähligen Farben und Variationen lieferbar. Ringförmig arrangiert, kann man mit diesen Schuhen Goethes Farbkreis nachbilden. Und ähnlich universell funktioniert er auch. Durch die feinen Sohlen spürt man fast schmerzhaft genau das Gelände, über das man schreitet – den glatten Boden einer Yacht ebenso wie das spitzkantige Geröll zwischen uralten Olivenbäumen. Man ist der Erde fast so nah wie in einem Barfuß-Schuh, aber sieht nicht nach demonstrativem Naturfreund aus. Sondern, mit ein bisschen gutem Willen, nach Gianni Agnelli, dem ehemaligen Fiat-Chef, der bis heute die Best-Dressed-Listen anführt. Der Gommino und die Produktwelt, die Tod‘s daraus abgeleitet hat, verbinden Freiheit mit Eleganz. Das ist so italienisch und allgemeinverständlich wie ein Teller Spaghetti alla puttanesca:
Aufreizend simpel und bei näherer Betrachtung unverbesserbar.