das kann der Kreativdirektor von Gucci so gut: Mode und Modenschauen erschaffen, in denen Fantasiegestalten, Mystik, Legenden und Philosophie eine Kollektion mit einer märchenhaften Energie aufladen.
In der Gucci-Galaxie
Als der Mond hoch über dem Castel del Monte stand und die Models zum Finale über den Laufsteg gingen, erstrahlte ein Sternenhimmel auf den Mauern des Schlosses. Wie Spinnweben breitete sich die in Konstellationen versammelten Planeten über das Sandsteingemäuer aus, dazwischen standen ihre lateinischen Namen wie „fornax“ oder „reticulum“. Natürlich steckte hinter den Lichteffekten Technik und Showdesign, und doch fühlte sich das Ganze ein wenig nach Magie an, wie sie nur Alessandro Michele beherrscht.
Eben das kann der Kreativdirektor von Gucci so gut: Mode und Modenschauen erschaffen, in denen Fantasiegestalten, Mystik, Legenden und Philosophie eine Kollektion mit einer märchenhaften Energie aufladen. Das gelang ihm auch in Apulien, wo das Haus zu seiner neuesten Cruise-Show einlud. Der Titel: „Cosmogonie“, ein Wort, das im weitesten Sinne die Studien zu den Ursprüngen des Kosmus oder Universums beschreibt. Dass an eben jenem Abend eine Mondfinsternis angesagt war, habe man nicht gewusst, betonte Michele. Er mag die Sterne nicht deuten können, aber beschäftigen, tun sie ihn doch. In einer für ihn typisch kurvenreichen gedanklichen Reise führten ihn die Auseinandersetzung mit den befreundeten Philosophen Hannah Arendt und Walther Benjamin zu Benjamins Sammlung von Zitaten, Büchern und Texten, über die Idee von versteckten Zusammenhängen zwischen jenen losen Zitaten und Textfragmenten hin zum Konzept einer Konstellation und ihrer Bedeutung von Gegenwart und Zukunft.
Das mag zunächst rätselhaft klingen und vor Rätsel stehen Historiker bis heute, wenn es um das Castel del Monte geht. Erbaut um 1240 von König Friedrich II, steht bis heute nicht ganz fest, welchen Zweck genau der Bau erfüllen sollte und was es mit seiner speziellen Form auf sich hat. Umberto Eco inspirierte das Bauwerk zur von mysteriösen Morden heimgesuchten Bibliothek in seinem Roman „Der Name der Rose“. Michele inspirierte es zu einer Kollektion, die in gewohnter Gucci-Manier ihre eigene Form einer Konstellation darstellte: Ein eklektischer Mix aus Trenchcoats und Bondage-Stiefeln, Op-Art-Mustern und Lingerie, 70ies-Glitzer-Glamour und viktorianisch anmutenden Halskrausen. Diese Entwürfe werden eine ganze Reihe moderner Märchenfiguren glücklich machen, wie die Mitglieder der italienischen Band Måneskin, die zu den Show-Gästen gehörte und auf der After-Show-Party auftrat.
Wenn es um Mode, Geschichte und Philosophie geht, sieht Michele Verbindungen und Parallelen, die anderen verborgen bleiben. Und das ist seine ganz eigene Art der Zauberei.