Festgelegt ist sie wirklich nicht: Schauspielerin Lilly Krug glänzt als fiese Killerin in ihrer ersten Hollywood-Hauptrolle. In unserem Modeshooting macht sie als Flaneurin Paris auf andere Art unsicher.
Lilly in paris
Jetzt geht’s los! Denkt man sofort, wenn man sie in diesem Supermarkt sieht. Zuerst ihre spektakulär langen Beine unter dem kurzen, gelben Regencape. Und dann diese Augen. Sie sprühen vor Lebendigkeit. Kein Wunder, dass der Dotcommillionär Chris (Cameron Monaghan) sofort Feuer und Flamme ist. Was beginnt wie ein Rosamunde-Pilcher-Plot: desillusionierter, geschiedener Mann, der sich in die Natur zurückgezogen hat, trifft eine schöne Unbekannte und verliebt sich zurück ins Leben – endet in einer Tarantino-haften Gewaltorgie, bei der nichts so ist, wie es scheint. Nicht der schmierige Motel-Vermieter Ronald alias John Malkovich und vor allem nicht Sky alias Lilly Krug, zuckersüßer Welpe und sadistisches Killerbiest in einer Person. „Shattered“, so der Name des Thrillers ist nichts für schwache Nerven.

Ein leer stehendes Stadtpalais in der Rue de l’Université. Look aus Cardigan, Minirock in Rosé mit Schleppe, darunter schwarze Hotpants und Slingpumps
von Prada
An diesem ebenso eiskalten Pariser Morgen kramt Lilly Krug keine Bohrmaschine und Chickenwings aus ihrem Rucksack, sondern zum Glück nur eine Birne und ein hart gekochtes Ei zum Frühstück. Von Jetlag keine Spur. Vorgestern noch Los Angeles, gestern München, heute Paris. Man muss wohl 20 Jahre alt sein, um ungeschminkt und morgens um acht Uhr so wach auszusehen wie sie. Vor zwei Jahren erst zeigte ihre Mutter Veronica Ferres ein Foto der damals volljährig gewordenen Lilly das erste Mal voller Stolz auf Instagram.





Im Zeitraffer hat die Tochter aus Ferres’ erster Ehe mit Filmproduzent Martin Krug Karriere gemacht: Zehn Filme hat sie seitdem schon abgedreht. Besonders Hollywood hat Lilly im Blick und umgekehrt. Sie drehte bereits an der Seite von Anthony Hopkins, Casey Affleck oder Michael Shannon. Und jetzt die erste Kino-Hauptrolle mit John Malkovich und dem Regisseur Luis Prieto, nach dessen Netflix-Serie „White Lines“ Lilly geradezu süchtig war. In „Shattered“ knödelt sie akzentfrei auf Amerikanisch los. Eine Synchronstimme braucht sie in den Hollywood-Produktionen nicht. „Ich habe mein internationales Abitur an der Bavarian International School in München gemacht“, sagt sie. „So bin ich mit amerikanischem Englisch aufgewachsen. Das hilft.“


Ihre Rolle heute: Model für ICON. Der imaginäre Plot: eine Tour durch Paris, visuell inspiriert von Wong Kar-Wais Filmdrama „In the Mood for Love“. Sie beginnt in dem verlassenen wie verwunschenen Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert im 7. Arrondissement und führt über die Brücke Alexandre III zu den Neon-Reklamen des Rotlicht-Viertels Pigalle. Alles sehr cineastisch und ganz nach dem Geschmack unserer Protagonistin:
„Ich liebe Filme wie ,Moulin Rouge‘
von Baz Luhrmann oder ,Midnight in Paris‘ von Woody Allen –
sie haben eine wunderbare Tiefe und bewegen etwas im Zuschauer.“



Paris hat für sie eine besondere Bedeutung: „Meine erste Wochenendreise ohne meine Eltern. Ich war 16 und nur mit einer Freundin unterwegs. Wir sind durch die Straßen gelaufen, zu Fuß auf den Eiffelturm rauf, ins Rodin-Museum, haben im ,Moulin Rouge‘ eine Show besucht und in einem japanischen Restaurant Sake getrunken. Dann wurde mir in einem Club mein Handy geklaut, und wir sind mit zwei ortskundigen Jungs los, durch ganz Paris das Handy suchen, bis die Sonne aufging. Und Mama konnte mich nicht mehr erreichen. Drama! Sie hat sich natürlich Sorgen gemacht, bis ich auf die Idee kam, sie vom Handy meiner Freundin zurückzurufen.“ Sie lacht. „Komisch, da ich keine Fotos mehr von dieser Reise habe, weil das Telefon ja weg war, sind die Erinnerungen daran umso intensiver.“
Sie wusste nicht sofort, dass sie Schauspielerin werden möchte. „Ich bin ja quasi am Filmset aufgewachsen und wollte mich erst gar nicht mit meiner Mutter messen oder vergleichen lassen. Phasenweise wollte ich Anwältin oder Sängerin werden“, erzählt sie. „Mit zehn bin ich immer samstags zur Kinderschule Stagecoach in München gegangen, zum Singen und Tanzen auf der Bühne. Eine echte Herausforderung, weil ich damals noch sehr schüchtern war.“ Erst während der Abiturzeit habe sie Theater als eines ihrer Hauptfächer gewählt und Geschmack daran gefunden. „Ich habe meine eigenen Scripts geschrieben, inszeniert und gespielt, aber Mama erst einmal nichts davon erzählt. Nicht mal, als ich mein erstes Stück vor der ganzen Schule aufgeführt habe. Ich wollte die Erfahrung allein für mich sammeln.“
Doch einen Beruf daraus machen? Nein, sie plante erst einmal ein „Gap Year“ zur beruflichen Orientierung, um allein durch die Welt zu reisen, ein IT-Praktikum in New York zu machen, für den Marathon dort zu trainieren und den Kilimandscharo in Afrika zu besteigen. Kurz nach dem Abitur dann besuchte sie ihre Mutter, die gerade den Kurzfilm „Malou“ drehte. „Eine Schauspielerin wurde krank, und der Regisseur bat mich, einzuspringen“, erzählt sie. „Als ich schon in New York war, ging der Film in Amerika völlig ab, war sogar auf der Oscar-Shortlist. Beim ZDF sah man den Film und besetzte mich für eine Rolle in „Gipfelstürmer“. Und dann kam das Angebot für „The Heart of Champions“ in den USA. Arbeit, die sich nicht wie Arbeit anfühlt, das intensive Teamwork bei jedem Film und die kreative Energie am Set – genau das wollte ich!“
Seit 2019 lebt Lilly Krug nun in Los Angeles, wo sie an der University of Southern California Psychologie und Schauspiel studiert. Es fragt sich nur, wie lange sie noch Zeit fürs Studium hat. Der nächste Hollywood-Regisseur will sie bereits kennenlernen. Bevor sie mit ihrer Mutter und Familie in den Urlaub fliegt, muss sie für das Treffen spontan zwei Tage zurück in die USA. Sicher ist: Von Lilly Krug werden wir noch viel sehen.
