Männersachen

IN RUHE UND MIT KRAFT

Das Appenzeller Almdorf Meglisalp war schon im Mittelalter aktenkundig, die Moderne hat der Aura nicht zugesetzt. Wir stellten uns zwei Freunde vor, die sich dort wiedertreffen. Und ihre Freude.

Gipfelstürmer sind aus der Mode gekommen. Es war ein schleichender Prozess, aber Männer, die möglichst schnell und partout an die Spitze wollen, gelten heutzutage als irgendwas zwischen eindimensional und rücksichtslos. Der moderne Mann, so schallt es aus sozialen Echokammern, muss gefälligst Facetten haben. Der moderne Mann muss wissen, dass Erfolg nicht in einem „Höher, schneller, weiter“ besteht, den modernen Mann schließlich treibt die Einsicht, dass die Luft ganz oben dünn ist, maximal noch ins Basislager, wo er streng darauf achtet, keinen umweltbelastenden Fußabdruck zu hinterlassen. Rein rhetorisch betrachtet lässt sich mit Män- nern und Bergen nur noch wenig gewinnen. Nun ist das Schöne an der Sache, dass das den Bergen egal ist. Vermutlich sind sie schon ein paar Tausend Jahre zu lang auf der Welt, um sich dafür zu interessieren, welchen Quark Menschen verbreiten. Und weil das so ist, brauchen sich auch Männer, die es ins Gebirge zieht, ihre Gipfel nicht kaputtreden zu lassen. Wenn es überhaupt Sinnbilder für die Ewigkeit gibt, dann sind es das Meer und die Berge. Oft ist zu hören, man müsse sich für das eine oder andere entscheiden. Aber das ist falsch. Ob am Wasser oder in der Höhe – das Leben mit den Elementen hat noch in jeder Generation einen ganz besonderen Menschenschlag hervorgebracht, nämlich einen, der die Härten der Natur stoisch hinzunehmen hat, einen, der weiß, was er aus eigener Kraft schaffen kann und was nicht, kurz: einen Menschenschlag, der niemals dazu neigen wird, sich selbst zu überschätzen.

Caesar trägt eine wattierte Jacke von Moncler X FRGMT. Cap: Dolce & Gabbana, über Mytheresa.com
Caesar (links): Braune Hemdjacke, Wollpullover als Schal getragen: Dries Van Noten. Luc: Jacquard-Wollpullover, darunter Rollkragen-Kaschmirpullover: Tod’s

Das macht jede Reise in Höhen und Täler zu einem wunderbaren Erlebnis. Jedem Besucher, der ihr Dasein respektiert, begegnen die Einheimischen mit einer Gastfreundschaft, die weit über jedes Maß hinausgeht, das Touristen für gewöhnlich erfahren. Aber was für eine Freude erst, die Bergwelt zu erkunden! Das Wandern auf steilen Pfaden voller Wurzelwerk ist die eigentliche Definition des gekonnten Müßiggangs – denn der besteht nicht etwa darin, vor sich hin zu faulenzen und sich durch allerlei Schnickschnack abzulenken, sondern setzt nur voraus, nichts unmittelbar Nützliches beizutragen.

 

Caesar: Hemd mit Zipper: Hermès

Wer frühmorgens die Wanderstiefel schnürt und den Rucksack mit dem Nötigsten packt, der wird an diesem Tag keine Konzernbilanzretten, er wird kein Auto zusammenschrauben und auch kein Brot backen. Er wird versuchen, sich möglichst darauf zu konzentrieren, von Beginn an regelmäßig zu atmen, den Blick zu fokussieren und früh in einen Rhythmus zu kommen, der ihn nicht erschöpft. Seine Strecke bewältigt er dann tatsächlich Schritt für Schritt. Die Pfade sind voll Stellen, bei denen man sich vorher überlegen muss, wie man sie meistert. An besonders guten Tagen verschmilzt der Wanderer auf diese Weise mit dem Weg, ist ganz in der Situation und bei sich selbst zugleich; das ultimative Ziel jeder Meditation ist es, nicht zu denken, und dem kommt man in der Höhe zuweilen sehr nah. Dann sind da noch die Momente des Verweilens. Hinzusehen und zuzuhören belohnt jeden Menschen mit ganz neuen Perspektiven.

Die Weite des Blicks, die Geräuschkulisse aus Wind, Tieren von Rindern bis Vögeln und manchmal eines Bachlaufs, die auf den eigenen Herzschlag trifft – das ergibt eine Musik, die in keinem Konzertsaal der Welt zu hören ist.

Luc (Pullover in Blau-Weiß): Look aus Melange-Pullover, Rollkragenpulli darunter, Hose, Halstuch mit Kapuze und Stiefel: Jil Sander. Caesar: Jacquard-Pullover, geschlitzte Hose: Loewe. Clogs aus Kalbsleder: Salvatore Ferragamo. Socken: Falke
Caesar (links): Braune Hemdjacke, Wollpullover als Schal getragen, Hose: Dries Van Noten. Luc: Jacquard-Wollpullover, darunter Kaschmirrolli und Hose: Tod’s
Luc trägt eine bestickte Lammfelljacke von Celine. Jeanshemd und Hose von A.P.C., darunter einen dünnen Kaschmir-Rolli von Tod’s. Gürtel: Etro
Luc: Karierte Hose, großes Logo-Cape von Louis Vuitton. Unterhemd: Calida. Halskette: Hermès Caesar (rechts): Woll-Latzhose, Weste aus Leder und Wolle: Acne Studios. T-Shirt: Stone Island über Mytheresa.com Kette: A.P.C.
Luc: Zopf-Highneck-Pullover, weite Hose mit Gürtel: Emporio Armani. Chelsea-Boots: Hermès. Daneben: Caesar trägt Hose, Hemd, Schnürboots von Boss. Rollkragenpulli: Brunello Cucinelli. Barett: Dior Men. Socken: Falke
Caesar trägt einen langen Peacoat und Stiefel von Dior Men. Kaschmir-Rolli, Hose, Gürtel: Loro Piana
Luc: Oversize-Mantel, Strickjacke, Bundfaltenhose von Isabel Marant. Darunter ein wattierter Blouson von Herno (über Mytheresa.com). Stiefel: Jil Sander
Luc: Mantel, doppelrei-higes Jacket, Hose, Ankle-Boots: alles von Bottega Veneta

Gut möglich, dass vor allem gestresste Großstädter dazu neigen, die Bergwelt romantisch zu verklären. Sie stehen ja nicht vor der Herausforderung, Tag für Tag mit den Entbehrungen umgehen zu müssen. Aber selbst wenn das so sein sollte, hieße das noch lange nicht, dass Männer am Berg eine absurde Spezies wären, denn wer wandert, tut nichts Schlimmes. Und, na klar, es gibt diese Tage, an denen einen der Ehrgeiz packt, an denen es einen zum Gipfel zieht, an denen man ihn bezwingen will, wie man sein Schicksal bezwingen will, und an denen einen verdammt noch mal nichts weniger interessiert als die Frage, ob das jetzt richtig ist oder falsch, weil einzig und allein zählt, ob man das jetzt draufhat. Darum weiter, immer weiter, und sei die Luft auch noch so dünn. Das Gefühl, es geschafft zu haben, lässt sich nicht beschreiben. Du bist oben, blickst auf die Welt hinunter – und am Abend nach so einer Tour schmeckt übrigens auch das Bier viel besser. Also: Auf zum Gipfelsturm, Männer! Das wird ja wohl zu packen sein.

 

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PHILIP CASSIER
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LUC DEFONT SAVIARD UND CAESAR VAN DEN IDSERT C/O SUCCESS MODELS
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