Kühle Silhouetten, flamboyante Farben: Shang Xia legt einen gelungenen Start in Paris hin. Für seine Debüt-Kollektion setzt der 34-jährige Kreativdirektor Yang Li auf puristische, Linien und knallige Neontöne, kontrastiert mit neutralem Grau, Schwarz oder Weiß. Die weichfließenden Oversize-Hosen, Mäntel, Blazer und Jacken sind im besten Sinne androgyn und reihen sich somit nahtlos ein in den zurzeit heißesten Modetrend: Die „genderless fashion“.
Premiere in der Pole-Position
Darunter ziemlich hitverdächtige Hingucker: Ein doppelreihiger Oversize-Mantel aus Ponyfell, das in Silber laminiert wurde. Diese Technik wurde speziell für Shang Xia entwickelt und verleiht dem Material einen neuartigen Metallic-Effekt. Oder die knallgelbe Bolero-Daunenjacke aus Techno-Popeline mit echter Federwattierung, die so kurz im Rücken ist, dass sie gerade mal die Schulterblätter verdeckt.
Auf dem offiziellen Modekalender von Paris ist Shang Xia ein Newcomer, in seiner Heimat China bereits eine bekannte Größe. Nach dieser Kollektion müssen nun auch die Europäer lernen, „Schangscha“ auszusprechen. Vor elf Jahren wurde das Haus als Joint Venture von Hermès und der chinesischen Designerin Jiang Qiong Er in Shanghai gegründet. Der Name bedeutet in der chinesischen Philosophie „Oben/unten“, beschreibt den Energiefluss zwischen Gestern und Morgen, zwischen Frau und Mann und ist Programm:
Ziel der Gründer war es, Jahrtausende alte chinesische Handwerkstechniken in einem zeitgenössischen Design wiederzubeleben und so einen neuen, genuin chinesischen Stil zu definieren – und „made in China“ zu einem Qualitätsbegriff zu machen.
Mode war bis dato nur ein kleinerer Teil der Shang Xia-Produktpalette, die ursprünglich um die klassische Teezeremonie kreiste: Puristisches Tafelgeschirr aus feinster Keramik, Möbel oder Paravents mit Bambusintarsien. Jetzt hat die Familie Hermès jedoch den Mehrheitsanteil an die Agnelli-Familie und ihren Holdingfonds Exor verkauft, zu dem auch Ferrari, Fiat Chrysler oder der Fußballverein Juventus Turin gehören. Und die Agnellis wollen jetzt offenbar auch groß im Modegeschäft mitmischen: Im März haben sie sich zu 24 Prozent beim Schuhmacher Christian Louboutin eingekauft, im Juni die erste Ferrari-Modekollektion in Italien vorgestellt.
Wie es aussieht, wenn ein Rennstallbesitzer Handtaschen macht, konnte man auch bei Shang Xia sehen. Die geometrische „Absolute Triangle Clutch“ aus poliertem Kalbsleder kommt mit einem speziell entwickelten Autolack-Finish aus den Ferrari-Werkstätten daher. Unter den Agnellis steht ganz offenbar die schnelle und profitable Modesparte in der Pole Position. Abwarten und Teetrinken, das ursprüngliche Konzept von Hermès, scheint überholt.