Filmreif

Peris Sphäre

„Du fährst auf dem Rad auf dem Land in die Natur, lässt los, stehst im Wind. Das ist Freiheit!“, sagt die Schauspielerin Peri Baumeister. Und so ist auch ein Gespräch mit ihr. Inga Griese radelte gern mit.

Das muss man erst einmal können. Die Haare als Schauspielerin raspelkurz schneiden zu lassen ist das eine, womöglich eine Pflicht als Schauspielerin. Aber dann noch so charakterstark auszusehen, das bedarf, klar, einer gewissen Schönheit, aber auch Charakterstärke. Coco Chanel hätte ihre Freude an Peri Baumeister gehabt. Sie ist eigenwillig im besten Sinn, trendfrei und voller Elan. Trotzdem sagte sie über sich selbst, als wir das Shooting planten. „Ich bin eine scheue Person.“ Und alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter, intensive Dreharbeiten, Corona-Nachbarschaftshilfe, Corona-Risiken und -Auflagen, wie fügt sich das? Wie sind die Erwartungen? Von ihr an sich selbst? Sollte sie sich einlassen auf das Risiko, dass sie beim Reden den „Raum nicht von vielen Perspektiven betrachten, das Kaleidoskop der Perspektiven nicht auf den Tisch legen kann“?

 

Das Shooting mit Peri Baumeister fand in einem Berliner Penthouse statt, das der Architekt Gisbert Pöppler gestaltet hat. Alle Looks in der Strecke sind von Chanel.

Wenn man die 36-Jährige dann an einem kalten Berliner Tag beobachtet, beim Geschminktwerden, beim Fotografiertwerden, beim Gespräch nach vielen Stunden konzentrierten Posens, dann kann man sich Zweifel dieser Art gar nicht vorstellen. Aber das kann man sich in der Retrospektive auch nicht bei Coco Chanel, die so unbeirrbar ihrem Ruf folgte und mit den Ergebnissen ihrer Arbeit nicht nur sich selbst glücklich machte. Auch deshalb schien es passend, Peri Baumeister in Chanel zu kleiden. Peri ist übrigens kein Spitzname. Sondern wohl eher eine Liebeserklärung der Eltern, der Kulturmanagerin Judith Schäfer-Schuller und des 2004 verstorbenen Schauspielers Edwin Noel-Baumeister, ein magischer Schubs ins Leben einer Künstlerfamilie: Peri ist Persisch und bedeutet Fee.

 

Schon da bleibt Raum zur Interpretation. Peri nutzt ihn. Es lag nahe, dass sie Schauspielerin wird, mit 14 wurde sie auch schon vom Fleck beziehungsweise dem „Lenz“ am Stuttgarter Platz weg von Regisseur Helmut Strauss engagiert, auf die Bühne des Berliner Schlosspark Theaters, 156 Vorstellungen, neben der Schule. Gleichwohl hat sie lange überlegt, ob sie der familiären Tradition, tatsächlichen folgen wollte. War zugleich auch dankbar, ihre ökologische Nische gefunden zu haben, der „Konfrontation mit dem Möglichkeitsterror“ nicht so ausgesetzt sein zu müssen.

 

Machte erst einmal Abitur. Um schließlich auf der Schauspielschule festzustellen, dass, gerade weil sie sich scheu fühlt, Rollen auch etwas Wunderbares sind, „um sich dahinter zu verstecken“, nicht aus Schwäche, sondern als Schutz für die Persönlichkeit. Sie versteckt sich nicht mehr dahinter, sie nutzt die Rolle. Mit jener Option, die sie bei der Arbeit wie im Leben schätzt:

 

„Ich mag es, wenn Dinge offen bleiben.“

Damit das nicht oberflächlich bleibt, sondern wirkt, braucht es Hintergrund. 2007 bis 2011 absolvierte sie die Schauspielausbildung an der Theaterakademie August Everding München und stand währenddessen bei Lars von Triers Inszenierungen „Dogville“ und „Manderlay“ auf der Bühne, ihr Debüt als Filmschauspielerin als vom Bruder besessene Schwester im Drama „Tabu  es ist die Seele eines Fremden auf Erden“ wurde prompt mit dem Max-Ophüls-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin geehrt. „Russendisko“ wurde zum Tanz auf dem Bekanntheitsparkett. Die Netflix-Serie „Skylines“, in der sie eine Hauptrolle spielte, gewann einen Grimme-Preis.

„Ich brauchte einen langen Zeitraum, mich zu definieren. Bin bis heute der „Be water, my friend“-Typ, empfinde es als flüssigen Prozess, mich immer wieder neu zu definieren, zu lösen, zugehörig zu fühlen.

An der Schauspielschule war ich noch sehr mit inneren Prozessen beschäftigt.“ Die Geschichtenerzählerin befreite sie erst nach dem Abschluss. Als sie die Angst abgelegt hatte und sich eingestand, dass sie zwar eigentlich am liebsten immer nur proben wolle, ohne Publikum, aber sich trotzdem auf der Bühne wohlfühlte wie ein Fisch im Wasser. Mittlerweile ist sie die Spielerin, die das Leben nicht abkoppeln kann. Und will. Die quasi jede Rolle persönlich nimmt. Und sie deswegen verkörpert.

Ihr kommender Film „Blood Red Sky“ hat gar nichts mit der Gegenwart zu tun hat und doch dahin führt. Ein Horrorfilm. Sie ist mit ihrem neunjährigen Sohn auf einem Flug, der gekidnappt wird. Und sie muss entscheiden, ob sie das so anstrengend bewahrte Geheimnis ihrer übernatürlichen, gruseligen Kraft preisgibt, um das Kind zu retten. Und nein, eine Fee ist sie nicht. Die Vampir-Mutter lebte in Isolation, bevor sie das Flugzeug bestieg. Die eigenen Lockdown-Erfahrungen im vergangenen Frühjahr hatten die Schauspielerin Peri Baumeister für diese Dreharbeiten quasi gecoacht, Bedrohungsgefühle konnten einfach abgerufen werden. Bei ihren aktuellen Dreharbeiten zur Kino-Komödie „Liebesdings“ hat quasi ihre zugewandte, aber undogmatische Haltung in Erziehungsfragen assistiert. Wie wohl alle Eltern es nur zu gut nachvollziehen können, war es irgendwann so weit, dass sie der Dreijährigen erlaubte, Disneys „Dschungelbuch“ zu sehen. Die Lütte beschloss fortan, dass ihre Mama natürlich Baghira, der Panther und Beschützer von Mogli, ist. Das hat Peri für sich übersetzt und würde jederzeit losspringen. Und das kann man sich sehr gut vorstellen. Schon wenn man sieht, wie sie im Gespräch zwischendurch den Oberkörper strafft, sich äußerst gelenkig auf den schmalen Stuhl kniet.

 

Empfehlung: Blood Red Sky, D/USA 2021 – Regie: Peter Thorwarth. Mit: Peri Baumeister, Alexander Scheer, Dominic Purcell, 121 Minuten, Netflix.

 

Text
Inga Griese
Fotograf
Kristian Schuller
Styling
Peggy Schuller
Haare & Make Up
Gabrielle Theurer c/o Basics mit Produkten von Chanel
Digital Tech
Florian Köllisch
Licht Assistenz
Aviel Avdar und Jean Paul Pastor
Styling Assistenz
Nina Schrader