Die Schauspielerin und Tänzerin Han Yeri ist so zart und schmal, das selbst die Kleider in Petitgrößen noch sehr lose sitzen. Ihre Bewegungen sind von größter Eleganz, sie selbst so höflich und bezaubernd, dass man sie am liebsten gleich erstmal in den Arm nehmen möchte. Dann kommt sie aus der Umkleidekabine und tritt in das Setting, das typisch für die Arbeit von Fotografin Sinae Kim ist, die mit wenigen Props eine magische Bild-Atmosphäre schafft. Für dieses Motiv ist es eine Lichtschlange, ein heller Tisch und ein Bündel heliumgefüllter Lufttballons, die wogende Schatten in den Hintergrund werfen. Die beiden Frauen sprechen kurz, abgesehen von der Musik im Hintergrund ist es leise, jede weiß, was sie tut. Viele Menschen sind im Atelier, es ist eine große Produktion aber sobald die Kamera angeht, gibt es eigentlich nur noch Han Yeri. Die Kraft, die von ihr ausgeht, ist faszinierend.
Aus irgendeinem Grund wurde es während des langen Shootings immer kälter im Studio, die Schauspielerin Han Yeri hatte sich keine Sekunde beschwert. Ihre Disziplin ist in Freundlichkeit verankert. Nun sitzt sie im Teddymantel am Tisch und knetet unauffällig ein Wärmepad mit den Händen. Das Gespräch mit ihr wäre aber wahrscheinlich auch so warmherzig.
Ist alles so, wie Sie es sich wünschen im Leben?
Viele Leute in Korea fragen oft: „Würdest du gern in die Zeit zurückgehen, als du noch jung warst?“ Aber ich fühle mich, wie ich jetzt bin, am wohlsten. In letzter Zeit habe ich mehr über mich selbst gelernt, und darüber bin ich sehr froh. In meinen Zwanzigern hatte ich viele Schwierigkeiten, wahrscheinlich weil mein Ego noch im Wachstum begriffen war. Jetzt bereite ich mich auf meine Vierziger vor und genieße es.
Sind Frauen in Korea jetzt emanzipierter?
Ich denke, dass meine Generation wahrscheinlich die radikalsten Veränderungen durchgemacht hat. Und sie erzieht ihre Kinder anders als die frühere Generation. Es gibt eine große Kluft zwischen unserer Generation und der unserer Eltern. Unsere Mütter haben sich bemüht, ihre Töchter unabhängig zu machen. Deshalb haben sie uns gedrängt, hart zu studieren.
Haben Sie etwas nicht tun können, weil Sie eine Frau sind?
Ich habe diese Art von Diskriminierung erlebt, als ich Tänzerin war. Da männliche Tänzer im traditionellen koreanischen Tanz eher selten sind, wurden sie oft mehr wertgeschätzt, bekamen mehr Möglichkeiten. Als Schauspielerin ist es manchmal dasselbe unter umgekehrten Vorzeichen. Gerade weil es immer noch eine von Männern dominierte Branche ist, sind die weiblichen Charaktere in den Drehbüchern eher zweidimensional beschrieben.
In „Minari“, dem berührenden Film über eine koreanische Einwandererfamilie, die in den 1980er-Jahren ihr Glück in den USA sucht, spielen Sie eine typische Frauenfigur dieser Zeit. Ihre eigenen Wünsche zählen nicht. Sie müssen Ihrem Mann folgen, sogar die Frage, ob Ihre Mutter zu Ihnen ziehen kann, obliegt nicht Ihrer Entscheidung.
In der Generation meiner Eltern war das auf jeden Fall üblich. In meiner Generation würde so eine Situation wohl zu einer Scheidung führen. (lacht)
Es ist nicht unbedingt einfacher, aber die Freiheit, den eigenen Weg zu wählen, ist viel wert, oder?
Ich bin bereit. Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass man nichts planen kann, weil es nie so läuft wie gedacht. Stattdessen versuche ich, nicht zu zögern, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet.
Sind Sie eher ein selbstbewusster Typ?
Mut ist etwas, das ich immer wieder lerne. Von anderen oder durch ein Projekt. Manchmal kommt er auch von selbst, wenn mein Körper und meine Seele in guter Verfassung sind. Keine Angst zu haben ist etwas, wovor ich am meisten Angst habe. Mutig zu sein ist etwas, das mir am schwersten fällt.
Sich als Schauspielerin zu hinterfragen gehört zum Handwerk, oder?
Als Schauspielerin habe ich Momente, in denen ich mich absolut infrage stelle; wenn ich meine Leistung vor dem Bildschirm betrachte und mich bei den Dreharbeiten ständig selbst überprüfen muss. Das aber lässt mich als Schauspielerin wachsen. Gleichzeitig versuche ich aber, nicht in Selbsthass zu verfallen.
Wie bereiten Sie Rollen vor? In „Minari“ waren Sie eine zerbrechliche, desillusionierte, aber zähe Frau. War das einfacher oder schwerer darzustellen als zuvor eine nordkoreanische Tischtennissportlerin?
Für „As One“, dachte ich, wenn ich nur Tischtennis spielen könnte, würde die Schauspielerei von selbst kommen. Also habe ich mich nur darauf konzentriert, Tischtennis zu beherrschen. Bei „Minari“ habe ich mich immer wieder gefragt, was für ein Leben diese Frau wohl führt. Warum trifft sie solche Entscheidungen, wie schafft sie es, sich zwischen ihren Kindern und ihrem Mann durchzuschlagen, woher kommt ihre Kraft? Irgendwann habe ich eine Antwort gefunden.
Eine großartige Darstellung war das! Mit wem haben Sie gesprochen, um sich richtig zu verhalten?
Meine Mutter hat sechs Schwestern, und ich hatte das starke Gefühl, dass das Leben von Monica dem Leben meiner Tanten und meiner Mutter sehr ähnlich ist, und so eine sehr klare Vorstellung in meinem Kopf davon, wie Monica reden, lachen und weinen würde.
Wie war es, sie zu spielen?
Währenddessen habe ich gelernt, die Generation meiner Eltern zu verstehen: wie sie es geschafft haben, unter harten Bedingungen alles zu erreichen. Ich konnte auch viel über meine eigenen Eltern lernen und endlich verstehen, wie sie mich erzogen haben und warum sie wollten, dass ich bestimmte Dinge erlebe. Jetzt möchte ich dieser Generation meinen Respekt erweisen. Damals war es normal, so früh zu heiraten und Kinder großzuziehen, als sie noch nicht einmal etwas über sich selbst wussten. Und wenn sie dann mit ihren Kindern zusammen wachsen mussten, führte das natürlich zu Konflikten.
Han Yeri
Was gibt Ihnen Kraft?
Nun, sie kommt aus vielen Bereichen. Wenn man sich auf eine einzige Sache stützt und diese nicht verfügbar ist oder nicht funktioniert, kann man leicht frustriert sein. Ich versuche daher, die kleinen Dinge in meinem Leben zu schätzen und zu genießen.
Werden Sie um Rat gefragt?
Ich habe das Gefühl, dass die jüngere Generation so viel besser zurechtkommt als ich, also habe ich sowieso nicht viel zu raten. (lacht) Meine Freundinnen und ich sprechen manchmal darüber, dass wir Frauen einen stärkeren Zusammenhalt schaffen und uns gegenseitig unterstützen sollten. Ich versuche aktiv, sie zum Beispiel in Schauspiel- oder Tanzgruppen zu versammeln. Viele von ihnen bekommen Kinder und machen sich Gedanken darüber, ob sie wieder arbeiten oder zu Hause bleiben und sich um ihren Haushalt kümmern sollen. Ich möchte sie unterstützen und sage ihnen, dass sie bei der Arbeit großartig waren und dass sie einen guten Job machen werden, wenn sie zurückkommen. Aber vor allem: Macht das, was euch Spaß macht, und kümmert euch um euch selbst!
Beim Shooting eben waren wir alle verzaubert, als Sie anfingen zu tanzen. In nur wenige Bewegungen legten Sie eine enorme Spannung und Magie. Sie ließen es leicht aussehen, aber der traditionelle koreanische Tanz erfordert sehr viel Disziplin, richtig? Wie kamen Sie dazu?
Das frage ich mich selbst, denn in meiner Familie tanzt keiner. Aber als meine Schwester geboren wurde, schickte mich meine Mutter, die nicht mit beiden Kindern gleichzeitig zurechtkam, zum Nachmittagsunterricht. Und das war Tanz.
Sie waren erst drei Jahre alt. Üblicherweise gehen kleine Mädchen ja gern zum Ballett. Der traditionelle koreanische Tanz ist eine ganz andere Herausforderung, richtig?
Die Technik ist anders. Und der Energiefluss ist das Gegenteil. Beim Ballett streckt man den Körper, beim koreanischen Tanz versucht man, die Energie nach innen zu ziehen und sehr kontrolliert einzusetzen.
Was ist mit modernem koreanischem Tanz?
Heutzutage gibt es zwei verschiedene Genres. Der zeitgenössische Tanz wird immer wieder für Bühnen angepasst und ist eher kreativ und ausdrucksstark, die Choreografen übernehmen auch Techniken aus anderen Kulturen. Auf der anderen Seite wird die traditionelle Form bewahrt, die Tänzer gelten als „lebende nationale Schätze“.
Eine große Ehre nehme ich an?
Ich versuche, jedes Jahr einmal aufzutreten. Tanzen ist aber auch ein Werkzeug, das ich beherrsche und jederzeit einsetzen kann, auch wenn ich älter werde.
Wie sind Sie von dort zum Schauspiel gekommen?
Durch Zufall. Freunde in der Kunsthochschule machten Filme. Beim Tanzen hatte ich ständig mit Schwierigkeiten zu kämpfen, während ich beim Schauspielen jeden Moment genossen habe. Und ich wollte meine künstlerische Karriere fortsetzen, ohne meine Gefühle verletzen zu lassen, sondern um Spaß zu haben.
Was ist Ihre nächste Rolle, die Sie spielen möchten?
Ich plane die Rollen nicht im Voraus, ich habe gern das Gefühl: „Oh, das ist etwas, das ich ausprobieren muss.“
Stichwort genießen. Mögen Sie Mode?
Ja. Und ich habe großen Respekt vor modischen Menschen. Denn es bedeutet, dass sie sich dafür interessieren und viel dafür investiert haben. Ich fühle mich oft herausgefordert, mich der Situation, dem Anlass und dem Ort entsprechend zu kleiden.
Mode kann eine Rüstung sein, schützt nicht nur vor dem Wetter, sondern in Situationen.
Dem stimme ich zu. Wenn ich mich chic anziehe, habe ich das Gefühl, dass ich mich entsprechend meinem Outfit verhalte. Normalerweise spiele ich immer nur eine Person, aber wenn ich für Shootings verschiedene Kleider und Stile tragen kann, wird es zu einer Show, in der ich viele andere Charaktere spielen kann. Und das macht mir sehr viel Spaß.