Prada

Eine Uniform für zwei Welten 

Der Laufsteg ist Butterblumengelb, im Hintergrund schwere Vorhänge, eine Szene wie aus einem Theaterstück. Von der Decke hängen futuristische Kronleuchter aus schwarzen Bildschirmen und Kameras, in alle Richtungen blicken die Linsen, ermöglichen den 360-Grad-Blick für ein Publikum auf der ganzen Welt.

Das sitzt Zuhause vor einem Laptop, viel eher noch am Smartphone, und verfolgt, wie das gemeinsame Werk von zwei der größten zeitgenössischen Modedesigner überhaupt auf dem Laufsteg zum Leben erwacht. Die erste Prada-Kollektion von Raf Simons und Miuccia Prada, die während der Mailänder Modewoche ausschließlich virtuell vorgestellt wurde, erscheint zum falschen und zum richtigen Zeitpunkt zugleich. Wer hat jetzt den Luxus, sich mit Mode zu beschäftigen? Und ist dieser Luxus nicht gerade jetzt überlebenswichtig?

Tatsächlich braucht es in diesen Zeiten eine so wichtige Kooperation wie die von Herrn Simons und Frau Prada– in ihr steckt die Gewissheit, dass es weitergeht, dass die Dinge sich ändern, dass die Mode sich verändert und dass wir uns verändern. Aus ihr spricht die Tatsache, dass wir miteinander zusammenkommen müssen, um die Dinge zu verändern.

Als „Dialog“ bezeichnet das Haus diese Kollektion demnach auch, als ein Zusammenkommen von unterschiedlichen Perspektiven, die erforschen sollen, für was Prada steht. Und Prada steht für das jetzt ebenso wie für das morgen – in dieser Kollektion für das Miteinander aus „Mensch und Technologie“, wie Miuccia Prada in einem gefilmten Gespräch mit Raf Simons nach der Show erklärte.

 „Die virtuelle Welt ist die Erweiterung unseres echten Lebens.“  

Das sagt sie, während sie sich gleichzeitig im virtuellen und im analogen Raum aufhält, während sie mit einem Menschen von Angesicht zu Angesicht kommuniziert, und Fragen einer digitalen Community beantwortet, die vor der Show eingesendet werden konnten. Wie kleidet man sich also für ein Leben zwischen zwei Welten? Es braucht eine Uniform, darin sind sich beide Designer einig, eine Hülle, die die Werte einer Gemeinschaft, eine Haltung, eine Denkweise widerspiegelt. Sowohl Raf Simons als auch Miuccia Prada haben immer Mode entworfen, die nach „viel Denken“ aussah – verkopft, kritisieren die Einen, intelligent, loben die anderen.

Das Beste an dieser Kollektion ist, dass diese zwei Denker sich hier nicht in die Quere gekommen sind, sondern, dass sie sich gegenseitig dazu gebracht haben, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Die Prada-Uniform der Zukunft beschränkt sich auf die Essenz, auf klare schmale Linien, auf unaufgeregte Materialien wie Jersey, Fleece, oder das nachhaltig hergestellte Re-Nylon, auf wenige Symbole, allen voran das dreieckige Prada-Logo. Und auf einzelne exzentrische Elemente, wie „The Wrap“, ein Stück Stoff, das man sich um den Torso wickelt, eine zusätzliche schützende Hülle, die sehr elegant aussieht.

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Überhaupt liegt der Fokus bei vielen Looks genau dort, wo das Herz schlägt. Models, gekleidet in Mänteln oder unter den Schultern sitzende Umhängen halten diese an der Brust mit ihren Händen fest. Das Prada-Logo, auffällig groß, ziert den Kragen eines Tops, eines Satinkleides. Fast jeder Look beschränkt sich auf wenige Elemente, wenige Farben und Dekorationen: Top und Hose bestehen aus dem gleichen Material, das gleiche geometrische Muster ziert den Faltenrock zum Outdoor-Hoodie, ein schlichter Gürtel aus Re-Nylon ergänzt den schwarzen Anzug.

Die spitzen Schuhe, die wehenden Faltenröcke und femininen Gesten sind sehr Prada, die Prints und Wortspiele auf den Kleidern das Ergebnis einer typischen Raf Simons-Disziplin: Der Künstler-Kollaboration, dieses Mal mit dem Belgier und Simons-Freund Peter de Potter.

Nach der Show ging es zum Gespräch und zu den Fragen der Zuschauer: Beide hätten schon über Jahre immer wieder fantasiert, wie es wohl wäre, zusammenzuarbeiten. Sie beginnt den Tag mit heißem Wasser, er mit Kaffee. Er trägt immer die gleiche Uniform, sie wechselt gerne. Beide wollen als Designer die Stimmung der Gesellschaft interpretieren, nicht nur ihre eigene Sicht auf die Dinge vermitteln.

Dass sie dafür nun einen Weg zwischen zwei Wegen finden, sogar, ach du Schreck, Kompromisse eingehen müssen, wird sicher nicht immer einfach sein. In gewisser Weise war es vielleicht sogar gut, dass diese Kollektion ohne den Pomp der Show, ohne das riesige Publikum, ohne den „Hype“ des Fashion Week-Theaters auskommen musste. So hatten die Kleider mehr zu sagen. Und ihre Botschaft war vielversprechend.

Text
Silvia Ihring aus New York