Die Pinault-Collection in der ehemaligen Handelsbörse ist eine neue Perle der Stadt – für Kunst- und Architekturliebhaber.
Paris erwacht
Diese Woche eröffnen nicht nur wieder die Café-Terrassen, sondern auch die Museen. Lange erwartet und pandemiebedingt bis jetzt verschoben: Das neue Museum für zeitgenössische Kunst in der „Bourse de Commerce“, der alten Handelsbörse. Mitten im Herzen der Stadt, neben Les Halles und ein paar Schritte vom Louvre und Centre Pompidou, liegt das kreisrunde, historische Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das der Luxusmodeunternehmer François Pinault zu dem langersehnten Pariser Zuhause seiner Kunstsammlung machte. Der Senior der Kering-Gruppe, zu der Modemarken wie Balenciaga, Gucci oder Saint Laurent gehören, gilt als der größte private Sammler der Welt. Bis zu 10.000 Werke sollen zu seiner Sammlung gehören. 200 davon schmücken diese von ihm persönlich kuratierte Eröffnungsausstellung.
Zu der Austellung gehören unter anderem 40 Arbeiten von David Hammons, Kunst von Bertrand Lavier, Ryan Gander und Tatiana Trouvé.
Über was lässt sich mehr staunen? Über die kühne Architektur – oder die Kunst? Ein Patt.
Der Architekt Tadao Ando hat in den historischen Rundbau mit Arkaden, Stuckfassaden, einem monumentalen Deckengemälde aus dem 19. Jahrhundert und Glaskuppel quasi ein neues Gebäude gesetzt: einen neun Meter hohen und 30 Meter breiten Zylinder aus Sichtbeton, ganz nach dem Prinzip der Matrjoschka-Puppen. Diesen Zylinder kann man auf labyrinthischen Treppen und glasverkleideten Umläufen umrunden, was spannende und kontrastreiche Perspektiven eröffnet. Zwischen alt und neu. Zwischen oben und unten. Das ständig wechselnde Tageslicht, das durch die Glaskuppel fällt, gibt dem Raum eine fast metaphysische, an de Chiricos magische Architekturlandschaften erinnernde Qualität.
„Raub der Sabinerinnen“ von Urs Fischer
Den Auftakt zur Kunst macht an dieser zentralen Stelle der Schweizer Urs Fischer. Sein „Raub der Sabinerinnen“ ist eine Replik der berühmten Skulptur von Giambologna in Florenz – allerdings ganz aus Wachs und sich langsam selbst zerstörend. Überall sind kleine Dochte angebracht, mit der die gigantische Kerze abgeschmolzen wird. Auf den insgesamt vier Ausstellungsebenen finden sich große Namen wie Thomas Schütte, Cindy Sherman oder Pierre Huyghe, der mit einer meditativen Installation aus Musik, Disconebel und Licht im Untergeschoss vertreten ist, aber es gibt auch sehr politische Werke und Neuentdeckungen wie den afroamerikanischen Künstler David Hammons, dem die ganze Galerie 2 gewidmet ist. Wie einen Kommentar zum Pandemiegeschehen liest sich die 94-teilige Fotoserie von Louise Lawler, die sich auf das Helms-Amendment 1987 im US-Senat bezieht. Damals grassierte die AIDS-Seuche – und trotzdem stimmte die große Mehrheit gegen die Freigabe von Bundesmitteln zu Präventionszwecken, um nicht Homosexualität zu fördern. Jeden Nein-Politiker nennt sie beim Namen – darunter auch Jo Biden.
Schade, dass bei zwei so starken Triggern ein anderer Aspekt fast untergeht: Die dezente Möblierung und das feine Interieur der Design-Gebrüder Bouroullec, die diverse Objekte im Innen- und Außenbereich beigesteuert und im obersten Stock eines der wohl schönsten Panoramarestaurants von Paris gestaltet haben.
Ab 22. Mai, www.pinaultcollection.com