„Pharis“ Fashion Week

EINER DIESER ‚FASHIONMOMENTE‘, DIE VEREWIGT WERDEN

Am Montag läutete Pharrell Williams eine neue Ära beim Powerhouse Louis Vuitton ein. Ein Spektakel. Schon das Line Up seiner Freunde ist geballte künstlerische Energie. Wir haben mit dem neuen Designer für die Männermode vorab gesprochen.

 

„Wie reagierst Du, wenn die Sonne des Daseins auf Dich strahlt, so wie es mir grad ergeht? Was machst Du mit dem Licht? Als diese Berufung kam, habe ich beschlossen, Licht zurückzugeben. In aller Bescheidenheit.“

Das ist Pharrell Williams. So ist er, so denkt er, so agiert er. Der neue Designer für die Männer Mode von Louis Vuitton. Wobei Mode es nicht ganz trifft, jedenfalls nicht ausreichend. Pietro Beccari, der neue CEO, läutete mit dieser Berufung die nächste Ära der größten und kostbarsten Luxusmarke der Welt ein. Das „LV Universe“, das Streben eine Kultur-Marke zu etablieren, Kunst, Musik, Film, auch Sport einzubinden. Das Rekordergebnis 20 Milliarden Dollar muss getoppt werden. Und Pharrell hat das Zeug und das Netzwerk dazu, das würde am vergangenen Montag Montagabend auf der Pariser Pont Neuf deutlich. Er muss gar nicht alles allein können, nicht nur weil ihm ein sehr gutes Atelier zur Verfügung steht, schon das Line Up seiner Freunde ist geballte künstlerische Energie.

Und in der Tat ging an diesem bemerkenswerten Abend eine starke Aura von dem Amerikaner aus. Es braucht ein Powerhouse wie Louis Vuitton, um ein Wahrzeichen wie die Pont Neuf vor dem Hauptquartier nicht nur sperren zu können für eine Show, sondern sie auch noch mit goldenen Quadraten zu bemalen. Angelehnt an das traditionsreiche Damiermuster, auch als Leitfaden dieser Kollektion. Der drohende Regen hatte sich verzogen, als hunderte Gäste mit Booten über die Seine herangebracht wurden, die untergehende Sonne lieferte das mystische goldene Licht, Paris die grandiose Kulisse.

 

So unterschiedlich, vielfältig und bunt die Looks, war auch das Casting. Männer aller Nationen, Größen, Alters, Körperbau. Typen. Als sie zum Schlussdefilee alle zusammen über die Brücke schritten, das Life-Orchester und die stimmgewaltigen Soulsinger bis zum Sternenhimmel jubilierten – das war einer dieser „Fashionmomente“ die verewigt werden. Und als dann noch Pharrell Williams an der Spitze der Bewegung auftauchte, in seinem scharf geschnittenen Anzug im wie digitalisierten „Damoflage“ Motiv und mit der berühmten diamantenen Tiffany-Brille, da gab es kein Halten mehr, die altehrwürdige Brücke und Herzen bebten.

Am Tag zuvor hatten wir uns zu einem Interview im Atelier in der Konzernzentrale an der Pont Neuf getroffen. Er trug Sonnenbrille, gelbe Diamanten und die goldenen Veneers über den Zähnen. Just for fun. Auf dem Weg vom großen Besprechungstisch in dem sehr großen Raum zur Teddysofa-Ecke stülpte er einen dicken Hoody übers T-Shirt, so wie sich Manager ein Sakko überwerfen, wenn es offizieller wird. Aber offiziell bei Williams ist immer auch nah.

ICON: Heute ist Juneteenth, der National Independence Day, der Feiertag, der seit 2021 an die Sklavenbefreiung erinnert. Ich musste an das denken, was Sie in Dakar Anfang des Jahres sagten, als Gast von Chanel, kurz bevor ihre Berufung von Louis Vuitton offiziell wurde. Es ging dabei nicht um Mode, sie erzählten von ihrem Besuch am Tor, vor dem Sklavenhandel betrieben wurden und sprachen davon, dass Sie niemals Sklave sagen, sondern Menschen, die versklavt wurden. Weil es die Perspektive völlig verändert. Mich hat das sehr beeindruckt.

Williams: Danke, das ist sehr nett von Ihnen. Es hört sich so einfach an, aber glauben Sie mir, das ist es nicht, wenn man versuchen möchte die Perspektive anderer Menschen zu ändern.

Und nun sind Sie der kreative Kopf eines der größten Modehäuser der Welt – wie fühlt sich das an?

Da Sie Juneteenth ansprechen, werde ich nachdenklich: mir wird bewusst, welches Glück ich habe, was für eine Chance das ist. Eine französische Firma, die einer französischen Familie gehört, gibt mir die Möglichkeit mich auszudrücken. Sie hätten viele andere ernennen können. Ich fühle mich geehrt. Wissen Sie, als Afroamerikaner aus Virginia Beach in Virginia – das hätte ich mir nicht in meinen wildesten Träumen vorgestellt. Und ich möchte auch Pietro Beccaris Entscheidung hiermit würdigen, es ist eine Offenbarung für mich.

Ich komme gerade von der Präsentation der nächsten Objekte ihres digitalen Auktionshauses Joopiter, in der die Kuratorin Sarah Andelman sehr viel zeitgenössische Künstler versammelt hat, die alle einen persönlichen Bezug zu Ihnen in ihren Werken herstellen. Es scheint, als seien Sie genau der richtige Mann zur richtigen Zeit, für die Vision, aus Louis Vuitton eine kulturell relevante Marke zu machen, sind Sie ja offenbar prädestiniert.Ich denke nicht, dass es mir zusteht, das zu bestätigen, aber ich bin sehr glücklich, diese Position innezuhaben. Ich möchte aber auch ein ewiger Schüler bleiben und mit meinen Kollektionen und den Schauen das Gelernte teilen – das können Sie von mir erwarten.

Was ist ihr Plan?

Wir werden weiterhin objektiv auf das Konzept von Luxus schauen. Und für uns ist Komfort der größte Luxus. Oftmals wurde Luxus als bestimmte Dinge definiert und dann wurden sie wiederum das Symbol für Luxus. Die Idee, dass Komfort auch eine Form von Kunst ist, ist auch eine Übung. Es ist unser Job das herauszufinden, jeden Tag vorauszudenken.

Es geht darum eine pre-kognitive Vorstellung davon zu haben, was für unsere Kunden bequem sein kann.

Sind Luxusgüter zeitgemäß? Nachhaltig?

Das sollten sie sein.

Schon, weil man solche Produkte meist lange behält?

Genau. Was aber nicht heißt, dass man das nicht etwas in eine andere Farbe bekommen kann, oder in der neuen Version der Saison danach. Aber Nachhaltigkeit geht so viel weiter als der Gebrauch eines Gegenstands, den man gekauft hat, oder als die Agenda eines Unternehmens, dessen Produkt man gekauft hat. Bei der Nachhaltigkeit geht es auch um uns Menschen: wir müssen uns selbst erhalten, als Gruppe, als auch als Individuen. Und die Kunden sollen nicht nur darüber nachdenken, was sie in dem Moment brauchen, sondern auch an unsere Kernwerte, als Teil dieser Welt und Menschlichkeit. Das alles ist wichtig. Alles ändert sich so schnell, das Haus wächst, die Ambitionen.

Der Druck auch, nehme ich an. Können Sie gut damit umgehen?

Ich fühle mich so unter Strom und so fassungslos über meine Ernennung, bin so voller Dankbarkeit, da denke ich nicht an die Nerven und an den Druck. Und überhaupt, das einzige wofür Druck je gut war, sind Rohrbrüche – und dafür bin ich nicht hier.

Denken Sie beim Arbeiten an Umsatz oder daran, was die nächste coole oder unterhaltsame Sache sein könnte?

Mode und Unterhaltung waren schon immer verknüpft, auch wenn sie früher vorsätzlich getrennt waren. Um besser zu verstehen, wen man als Zielgruppe hatte, wurde in Schubladen gedacht. Aber so denkt und funktioniert die jetzige Generation nicht mehr.

Wen meinen Sie damit? Gen Z?

Die Menschen. Es geht nicht um Alter, es ist etwas Spirituelles. Wir interessieren uns dafür, wie man Mauern einreißt. Nur so können gute Ideen und Konzepte gedeihen.

Ihr Freund Karl Lagerfeld..

…Er war mein Professor

…war immer ein Mann der Zukunft, die Vergangenheit hat ihn nie sonderlich interessiert – sind Sie auch so?

Das ist eins der Dinge, die wir gemeinsam hatten. Doch der riesige Unterschied war, dass er ein Genie war. Dazu hat er die Mode sein ganzes Leben lang studiert und er war ein unglaublicher Bibliothekar und Kurator. Ich brauchte Joopiter, um meine Sachen ordnungsgemäß zu kuratieren. Aber ich schaue nicht gern zurück, ich bin nicht gut darin. Meine modische Erziehung kommt von dem, was in auf der Welt gesehen habe, ich bin ein Menschen-Beobachter. Und ich kann das sehr gut kanalisieren. Insofern, da ich keine reguläre Ausbildung bekommen habe, habe ich hier und da Erfahrungen gesammelt, auch als Käufer. Und natürlich dank meiner Erfahrung mit Karl bei Chanel. Und diese Ausbildung wird für mich niemals zu Ende sein.

Louis Vuitton hat eine lange Tradition und im Leben geht auch sehr um Erfahrung. So gesehen, ist Vergangenheit nicht nur langweilig, oder ?

Das Leben ist eine Konstellation großartiger Momente. Und ich lehne mich immer nach vorne, ich kann gar nicht anders. Und gerade heute, wo wir über Juneteenth sprechen, finde ich es kulturell betrachtet nicht verantwortlich sich zurückzulehnen. Denn das bedeutet, dass man es sich bequem macht. Als schwarzer Mann auf diesem Planeten ist es meine Verantwortung proaktiv zu sein.

Was bringen Sie Ihren Kindern bei?

Ich sage ihnen, die können alles machen und dass sie eine Gabe haben, weil sie viel Melanin in ihrer Haut haben, etwas wovon viele auf der Welt nur träumen können. Und ich sage ihnen, dass sie schön sind und dass das Universum schwarz ist wie sie, sodass sie sich niemals minderwertig fühlen sollten.

Ich betrachte eher nicht Hautfarben sondern Menschen.

Es ist eine schöne Geste, dass Sie nicht den Unterschied zwischen den Haufarben sehen möchten. Das freut mich. Aber, wenn Sie die Farben sehen, ist es noch stärkender. Das brauchen wir, denn wir leben in einer Welt, die weiß bemalt ist. Mein Freundeskreis ist recht vielfältig, aber es ist an der Zeit, dass wir uns alle für einen viel größeren Zweck zusammentun und die Schönheit in den Unterschieden zwischen allen Menschen sehen.

     IN DER JOOPITER GALLERY

Show Day with BamBam

TEXT
Inga Griese
Photos
GETTY IMAGES; Louis Vuitton