Von Uhren mit Schlagwerken geht eine einzigartige Faszination aus. Nun hat Patek Philippe ein Modell im Angebot, das lauter ertönt als alles, was die Genfer zuvor gemacht haben. Uhren-Fans sind elektrisiert – und auch die Konkurrenz dürfte sehr genau hingeschaut haben.
HÖR MAL,
WER DA HÄMMERT
Wenn man eine Funktion als heiligen Gral der Uhrenindustrie bezeichnen kann, dann sind es Modelle mit Schlagwerk. Die Zeit am Arm als Klang darzustellen, erfordert einzigartiges Know-how und hohe Kreativität, dazu umgibt den Sound ein wenig Magie von Kirchenglocken. Vor allem drei Schweizer Manufakturen liefern sich seit Jahren einen Wettlauf um die innovativste Lösung dieses Problems: Patek Philippe, Jaeger-LeCoultre und Audemars Piguet.
Letzterem Unternehmen war es vor fünf Jahren gelungen, den Sound seiner Schlagwerke deutlich lauter und klarer ertönen zu lassen als bisher. Das hatte man in Genf bei Patek Philippe deutlich vernommen, und es wird wenig Freude ausgelöst haben, denn dem Selbstverständnis nach sind die Genfer bei allem führend, was Uhren kompliziert macht. Dem Chef Thierry Stern war deshalb bei der Präsentation der 5750 „Fortissimo“ deutlich anzumerken, wie stolz es ihn macht, nun seinerseits etwas präsentieren zu können, das lauter schlägt als alles zuvor in der Firmengeschichte.
Drei Jahre hat die Forschungsabteilung an dem neuen Mechanismus gearbeitet. Der Clou ist, dass nicht nur wie bei normalen Werken Hämmerchen gegen Klangfedern schlagen, sondern ein Saphirglas als Resonanzboden eingebaut ist, auf den die Schallwellen mit einer Art Schallplatten-Tonabnehmer übertragen werden. Die Vibration des Glases verstärkt die Lautstärke so sehr, dass die Gongs in leisen Räumen bis zu 60 Meter weit zu hören sind.
Was sich einfach anhört, stellte die Konstrukteure natürlich vor große Probleme – zumal sie es geschafft haben, das Schlagwerk unabhängig vom übrigen Werk zu machen. Als Material für die Hämmerchen wählten sie Platin, sodass jedes Teil eigens vier Stunden lang von Hand bearbeitet werden muss. Eine große Besonderheit ist, dass die Uhr am Handgelenk lauter erschallt, als wenn sie auf dem Tisch liegt. Der Klang entweicht durch vier Öffnungen, die in der liegenden Position verdeckt sind; Staubschutzfilter schützen das Werk vor Verunreinigung.
Dies zahlt auf Sterns Grundsatz ein, dass jede komplizierte Uhr aus seinem Haus alltagstauglich sein muss. Beim Design des Modells im Platin-Gehäuse allerdings betritt das Familienunternehmen Neuland: Das Muster auf dem Zifferblatt ist den Speichenrädern von Sportautos der 60er-Jahre nachempfunden, die kleine Sekunde wird von einem Rad dargestellt, nicht von einem Zeiger. Und auch der Aufzugsrotor des Automatikwerks hat die Speichen-Anmutung; das ist eigentlich ein Verstoß gegen das Prinzip, in Werken keinen Zierrat zu verwenden, weil der häufig auf Kosten der Stabilität geht. Bei der Einführung der neuen „Calatrava“-Kaliber zu Beginn des Jahres hatte diese Maxime noch uneingeschränkt gegolten.
Doch Thierry Stern sagt, bei Uhren in kleinster Serie müsste das inzwischen einmal erlaubt sein. 15 Stück der neuen Referenz zum Preis von je 590.000 Schweizer Franken werden die Genfer von nun an fertigen. Es ist bekannt, dass der Chef bei jeder Uhr mit Schlagwerk den Klang persönlich abnimmt und auch die Kunden selbst auswählt, die eine Uhr erhalten. Was die Klangharmonie betrifft, so ist das neue Superteil Stern zufolge erst bei 50 Prozent des Möglichen. Bei Patek Philippe, sagt Stern lächelnd, arbeite man Schritt für Schritt. Die Kollegen der hausinternen Forschungsabteilung werden es gehört haben. Die Konkurrenz auch.