Guter Rat

Lass mal

Leben ist das, was dir passiert, während du beschäftigt bist. Wie man gut lebt und dabei auch noch andere Dinge tut hat nun Oliver Burkeman aufgeschrieben. Ein Vorabdruck.

Wenn wir Glück haben, wandeln wir in unserem Leben durchschnittlich 4000 Wochen auf diesem widerspenstigen Planeten. Anders als umgerechnet ungefähr 78 Jahre klingt das beängstigend wenig. Doch kein Grund, noch gestresster zu sein, als wir es ohnehin schon sind. In seinem soeben erschienenen Buch „4000 Wochen“ plädiert der britische Journalist und Bestsellerautor Oliver Burkeman dafür, sich dieser Wahrheit stets bewusst zu sein und daraus Kraft zu schöpfen. Wie das geht, verrät er uns mit seiner „Philosophie der Begrenzung“. Hier ein paar schnelle und gut umsetzbare Tipps in gekürzter Form aus dem Originalwerk.

Oliver Burkeman: „4000 Wochen. Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement“ , ET 31. März bei Piper.

1. Eins nach dem anderen

Sie sollten sich jeweils auf ein großes Projekt konzentrieren (oder höchstens ein Arbeitsprojekt und ein Nicht-Arbeitsprojekt) und es zu Ende bringen, bevor Sie sich dem nächsten Projekt zuwenden. Es ist zwar verlockend zu versuchen, die Angst vor zu vielen Aufgaben oder Ambitionen dadurch zu lindern, dass man alles zugleich in Angriff nimmt, doch auf diese Weise werden Sie kaum Fortschritte machen; üben Sie sich stattdessen darin, diese Angst schrittweise besser zu ertragen, indem Sie bewusst alles aufschieben, was Sie können, außer eben einer Sache… Natürlich wird es nicht möglich sein, alles zu vertagen – Sie können nicht aufhören, Rechnungen zu bezahlen, E-Mails zu beantworten oder die Kinder zur Schule zu bringen –, aber diese Vorgehensweise sorgt zumindest dafür, dass Sie Ihre wirklich wichtigen, großen Projekte in Angriff nehmen und sich nicht mit Zweitrangigem aufhalten, um Ihre Angst zu lindern.

 

2. Entscheiden Sie im Voraus, wo Sie scheitern

Es ist unvermeidlich, dass Sie in bestimmten Bereichen zu wenig leisten, einfach weil Ihre Zeit und Energie begrenzt sind. Doch der große Vorteil von strategischer Minderleistung – also dass Sie im Voraus ganze Lebensbereiche benennen, in denen Sie keine Spitzenleistungen erbringen werden – besteht darin, dass Sie Ihre Zeit und Energie effizienter einsetzen. Ist die Möglichkeit des Scheiterns von vornherein einkalkuliert, wird Sie dessen Eintreten nicht aus der Ruhe bringen.

 

 3. Richten Sie Ihr Augenmerk auf das, was Sie bereits erledigt haben, und nicht nur darauf, was noch zu erledigen ist

Da das Bestreben, alles zu erledigen, per Definition endlos ist, kann man leicht verzagen und sich selbst Vorwürfe machen: Man fühlt sich erst dann gut, wenn alles erledigt ist – das ist freilich nie der Fall, also kann man sich auch nie gut fühlen. Das Problem liegt zum Teil in der wenig hilfreichen Annahme, dass man jeden Morgen mit einer Art „Produktivitätsschuld“ beginnt, die man durch harte Arbeit abtragen muss, in der Hoffnung, dass man am Abend einen Nullsaldo erreicht. Führen Sie als Gegenstrategie eine Erledigt-Liste, die am Morgen zunächst leer ist und die Sie dann nach und nach mit allem füllen, was Sie im Laufe des Tages bewältigen.

 

4. Nutzen Sie langweilige und einseitige Technologien

Digitale Ablenkungen sind deshalb so verführerisch, weil sie eine Fluchtmöglichkeit in ein Reich zu bieten scheinen, in dem die lästigen menschlichen Beschränkungen nicht gelten: Anders als bei wichtiger Arbeit braucht man sich dort nie zu langweilen oder in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt zu fühlen. Sie können dieses Problem jedoch bekämpfen, indem Sie Ihre Geräte so langweilig wie möglich machen – indem Sie Apps für soziale Medien und sogar E-Mails entfernen (wenn Sie sich trauen) und zweitens, indem Sie den Bildschirm auf schwarz-weiß umstellen… Außerdem sollte man nach Möglichkeit Geräte wählen, die nur einem Zweck dienen, wie etwa den Kindle-Reader, auf dem es mühsam und umständlich ist, etwas anderes zu tun, als zu lesen. Wenn Musikstreaming und soziale Medien nur einen Klick oder eine Wischbewegung entfernt lauern, ist es unmöglich, ihnen zu widerstehen, wenn bei der Tätigkeit, auf die man sich zu konzentrieren versucht, der erste Anflug von Langeweile oder ein Problem auftritt.

 

5. Seien Sie spontan großzügig

Ich arbeite definitiv noch an der Lebenseinstellung, die der Meditationslehrer Joseph Goldstein vorschlägt: Wann immer man einen großzügigen Impuls verspürt – Geld zu spenden, sich bei einem Freund zu melden, eine E- Mail zu schreiben, in der man jemanden lobt –, sollte man diesem Impuls sofort nachgeben.

 

6. Üben Sie sich im Nichtstun

„Ich habe entdeckt, dass das ganze Unglück der Menschen von einer einzigen Tatsache herrührt: dass sie nicht ruhig in ihrer eigenen Kammer bleiben können“, schrieb Blaise Pascal. Wenn es darum geht, die 4000 Wochen gut zu nutzen, ist die Fähigkeit zum Nichtstun unverzichtbar, denn wenn man das Unbehagen darüber, nicht zu handeln, nicht ertragen kann, ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, dass man schlechte Entscheidungen für seine Zeit trifft, nur um sich als Handelnder zu fühlen … Technisch gesehen ist es unmöglich, überhaupt nichts zu tun: Solange Sie am Leben sind, atmen Sie ständig, nehmen irgendeine Körperhaltung ein und so weiter. Sich darin zu üben, „nichts zu tun“, bedeutet also in Wahrheit, dem Drang zu widerstehen, die eigene Erfahrung oder die Menschen und Dinge in seiner Umgebung zu manipulieren – die Dinge so sein zu lassen, wie sie sind.