Seine erste Hauptrolle spielte Noh Steve Sanghyun vor fünf Jahren. Mit dem Apple TV-Drama „Pachinko“ hob er in die nächste Karriere Dimension ab. Wir trafen auf einen bodenständigen Star.
Wir waren zufällig ins Gespräch gekommen an der Bar bei der Aftershow-Party zur „Pachinko“-Premiere in Hollywood. Noh Steve Sanghyun spielt in dem berührenden Epos auf Apple TV eine der tragenden Rollen, den Pastor Isak Baek. Einen Mann von schwacher Gesundheit und außerordentlichem Charakter, der Sunja, die zentrale Figur des koreanischen Generationendramas aus dem letzten Jahrhundert, heiratete, obwohl sie von einem anderen Mann schwanger ist. Undenkbar eigentlich. So beeindruckend, wie der 31-Jährige als Schauspieler agiert, so gewinnend ist er als Person, interessant, ernsthaft charmant, unprätentiös. Viele gute Gründe also, ihn wenige Wochen später in Seoul ins Foto-Studio von Ahn Seong-Jin zu bitten. Gemodelt hat er früher schon, dies war das erste Shooting als Schauspielerpersönlichkeit. Und einer der letzten freien Tage offenbar. Seit Pachinko explodieren Anfragen und Karriere.
Das Casting für die Rolle des Isak Baek ging über Monate, die Konkurrenz war groß. Wie war das, als Sie erfuhren, dass Sie ausgewählt wurden?
Verrückt! In der Nacht bevor die Nachricht kam, hatten wir sehr lange den Geburtstag eines Freundes gefeiert. Gegen zehn Uhr wachte ich auf vom Anruf meines Agenten, der brüllte: ‚Du hast sie!‘ Ich: ‚Warte mal. Was ist los?‘ Zehn Minuten lang konnte ich es gar nicht glauben.
Pachinko ist nicht Ihr erster Film, aber wahrscheinlich wird diese Serie viel verändern. Geht es schon los?
Ja, ich bekomme eine Menge Anrufe, Leute, Freunde von überall her, die mich feiern, mir gratulieren. Ich bin überwältigt. Es ist ein sehr großer Schritt für mich - beruflich, persönlich, für mein Leben im Allgemeinen. Dieses Projekt und diese Rolle sind einfach so besonders, wichtig und bedeutungsvoll für mich.
Was ist so besonders an dieser Figur?
Ich kann gar nicht anfangen, weil es so viel zu erzählen gibt. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Isak ist jemand Besonderes, weil er sich nicht nur überwindet, sondern sich dafür einsetzt, anderen zu helfen, ein Gewinn für die Welt sein will, um sie zu einem besseren Ort zu machen.
Pastor Baek heiratet die nicht von ihm schwangere Sunja, das war vor hundert Jahren unerhört und eine daher sehr menschliche Art, etwas zu verändern.
Unbedingt. Er war mutig genug, um seine Ängste zu überwinden und sich der neuen Welt zu öffnen, alles anzunehmen und zu lernen. Gleichzeitig versucht er, für sein Leben Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewirken.
Haben Sie persönlich etwas daraus gelernt?
Mir sind diese Werte sehr nah und vertraut. Deshalb war es so seltsam und besonders, dass gerade diese Figur zu mir kam. Der christliche Teil von Isak ist so inspirierend, sein Mitgefühl etwas, das jeder lernen und versuchen sollte, in seinem Leben beizubehalten.
Pachinko ist auch deswegen ein so berührender Stoff, weil die Protagonisten bei allem Leid immer nicht aufgeben, auch niemandem die Schuld geben.
Das liegt uns Koreanern im Blut. Wenn man als Kind in Korea aufwächst, ist Leiden eine Norm. Sie bringen einem bei, dass das Leben Leiden bedeutet, man muss damit fertig werden, sogar heute noch! Es wird besser, aber es war wirklich hart und streng. Deshalb gibt es in Korea auch so viel Leidenschaft für Bildung. Mein Großvater zum Beispiel schickte mich nach Kanada als ich sechs war, ich hatte keine Wahl. Ich sagte nur „Ich weiß nicht, wo Kanada ist, aber okay.“ Und dann sind wir hin.
Der Großvater und Sie?
Und meine Mutter. Mein Vater hat in Korea gearbeitet. Aber sie blieben nur ein Jahr, dann war ich allein in Vancouver.
Und gingen später in New York zur High School und studierten schließlich Wirtschaft in Boston.
Mein Großvater wollte eigentlich, dass ich Anwalt werde (lacht).
Die Abteilung: Mach was Richtiges!
Typisch!
Warum sind Sie dann Schauspieler geworden? Nicht wenigstens Manager mit dem Studium?
‚Ich will einen Oscar gewinnen‘, so einen Traum hatte ich nicht. Am Anfang war es Spaß. Aber je mehr es zum Beruf wird und man darüber nachdenkt, will man erfolgreich und gut sein. Und ich denke, Ruhm ist ein Teil des Erfolgs, den ich anstrebe.
Wegen der jubelnden Mädchen?
Nein, nein, nein. Mehr Arbeitsmöglichkeiten, andere Charaktere, andere Projekte! Ich bin nicht auf Ruhm um der Berühmtheit willen aus.
Bei der Premiere in Hollywood sagte Soo Hugh, die Drehbuchautorin und Producerin von Pachinko, dass es in gewisser Weise in jeder Familie eine Sunja gibt. Haben Sie in Ihrer Familie darüber gesprochen?
Meine Mutter hat es geliebt, sie hat geweint…Ich hatte von meinen Großeltern Geschichten über diese schwere Zeit gehört, aber das war es im Grunde. Doch ich denke, dass Pachinko ein großartiges Medium für alle Generationen wurde. Und ich habe auch einen Isak in meiner Familie. Auswanderer in Japan. Dieses Projekt war also auch für mich etwas Persönliches.
Noh Steve Sanghyun trägt Anzug und Sneaker von Louis Vuitton
Jin Ha, der den Enkel Salomon spielt, rät, das Gespräch zwischen der dritten und der ersten Generation zu suchen, weil alles vorangegangene Auswirkungen hat. Mein Vater wurde nicht mal volljährig eingezogen und kam erst Ende der 40-er Jahre aus russischer Kriegsgefangenschaft. Ich hätte gern mit ihm darüber gesprochen, aber er starb jung. Gleichwohl fühlt nicht nur meine Generation die historische Schuld, die wir Deutschen auf uns geladen haben. Die Koreaner wiederum haben sehr unter den Japanern gelitten, was auch in der Serie thematisiert wird. Ist das in Ihrer Generation noch noch ein Thema?
Wir haben diese Geschichte nie erlebt, aber wenn man so etwas wie Pachinko sieht, spürt man seltsame und starke Gefühle. Ich kann sie nicht nur als traurig bezeichnen. Es bricht etwas in der Tiefe auf, wahrscheinlich die Seele.
Erklärt das die immense Disziplin hier?
Ich glaube, sie kommt vom Schmerz. Deshalb sind alle so fleißig. Wir wissen, dass Korea angegriffen wurde, weil wir als Land keine Macht hatten. Um diese traurige Geschichte nicht zu wiederholen, brauchen wir also Macht, und der einzige Weg dahin, ist wirtschaftlicher Wohlstand. Wir müssen militärisch stark sein, um unsere Familien und unser Land zu schützen. Und wir brauchen Geld, um das zu tun.
Es gibt eine eindrucksvolle, intensive Szene beim Schneider zwischen Pastor Baek und dem mächtigen Hansu, der der leibliche Vater von Sunjas Baby ist, aber sie nicht heiraten kann, weil er schon Frau und Töchter in Japan hat. Und die Einzigen, die er wirklich liebt, Sunja und seinen Sohn, an den vermeintlich schwachen Rivalen verliert.
Ich liebe diese Szene, weil zwei sehr unterschiedliche Arten zu leben aufeinanderprallen. Die Männer treffen sich zufällig, es gibt keine wirkliche Gewalt, nur den Kampf der Worte.
Isak zieht mit Sunja nach Osaka, in der trügerischen Hoffnung auf ein besseres Leben. Auch sie wurden schon früh ins Ausland verfrachtet. Wie war das?
Ich war vorbereitet, bin als Kind in viele englische Einrichtungen gegangen. Im Vergleich zu anderen habe ich mich sehr schnell an die neue Sprache gewöhnt und im ersten Jahr war ich ja noch mit meiner Familie.
Sind Sie verwurzelt?
Ja, aber vielleicht ziehe ich wieder um.
In einer Szene sagt Isak: „Das ist es, was ich für sie tun kann. Der Frau und dem Kind meinen Namen geben. Es ist nur eine Frage der Gnade, dass ich als Mann geboren wurde, der meine Nachkommenschaft in eine Familie aufnehmen kann“
Das zeigt, wie groß das Herz von Isak ist und wie aufgeklärt und wach er ist. Das ist wirklich schwer zu finden, besonders in dieser Zeit, weil Korea sehr, sehr konservativ war.
Diskutieren Sie in Ihrer Generation über gesellschaftliche Rollen und Rechte?
Ja, auch unter Freunden. Es hat sich aber viel verändert in jüngerer Zeit. Es ist realistischer geworden, gleichberechtigter.
An einer Stelle sagt Isak zu seinem Sohn: „Wir sind dazu bestimmt, unsere Talente zu steigern. Wo auch immer du hingehst, repräsentierst du unsere Familie und musst ein ausgezeichneter Mensch sein…Egal, was andere sagen oder tun.“ Fühlen Sie sich auch als Vertreter Ihrer Familie oder Ihres Landes?
Ich denke schon. Als ich die Zeile zum ersten Mal las, dachte ich, dass er zu mir spricht. Mein Vater ist bereits gestorben, und es klang wie eine Vaterfigur, die mir Lektionen fürs Leben erteilt, es ist sehr warmherzig und gleichzeitig streng, aber das gefällt mir, es ist sehr inspirierend.
Wenn jetzt eine Fee vorbeikommt und drei Wünsche für Sie frei gibt? Was wären die?
Oh. Egal was?
Ja, das ist das Gute an Feen.
Ich denke viel darüber nach, dass ich immer mutig sein möchte. Und…hmh, ausgeglichen zu sein in Geist und Seele.
Vielleicht auch etwas Banales? Ein Auto, ein Schloss?
Ein paar Burger? Ich bin grad ziemlich hungrig.